Entscheidungsstichwort (Thema)
Saisonbetrieb im Sinne des § 8 Abs. 2 des Veranlagungsgesetzes II
Normenkette
VG § 8 Abs. 2
Tatbestand
In der Sache ist mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien jedoch zweckmäßig, gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) zunächst ohne diese zu entscheiden.
Streitig ist, ob der Betrieb des Beschwerdeführers (Bf.), eines Kürschners, zu den typischen Saisonbetrieben im Sinne des § 8 Abs. 2 des Veranlagungsgesetzes II/1948 und 1949 (VG) gehört.
Das Finanzgericht hat dies verneint. Es hat ausgeführt, daß die Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) 1943 -- Abschn. 13 Abs. 7 -- und die GewStR 1951 -- Abschn. 22 Abs. 1 -- als Beispiele für Saisonbetriebe das Bauhandwerk, die Bauindustrien, die Kurortbetriebe aller Art sowie die Zuckerfabriken nennen, bei denen die Einstellung der Betriebs während der toten Zeit nicht die Aufgabe des Betriebs für alle Zeiten oder auch nur für eine gewisse Dauer, sondern nur eine vorübergehende Unterbrechung (Ruhen) des Gewerbebetriebs bedeutet. Diese Begriffsbestimmung habe auch der Kommentar zum Gewerbesteuergesetz (GewStG) von Blümich-Boyens-Steinbring, 4. und 5. Aufl., Anm. 76 zu § 2, übernommen. Im gleichen Sinne seien auch die "typischen Saisonbetriebe" des § 8 Abs. 2 VG zu verstehen.
In Übereinstimmung mit dem Finanzamt hat das Finanzgericht darauf hingewiesen, daß eine andere Auslegung des Begriffs "typische Saisonbetriebe" dazu führen müßte, daß auch Kartoffelhandlungen, Kohlengeschäfte und sogar Spielzeuggeschäfte in gleicher Weise behandelt werden müßten. Das sei nicht zu vertreten.
Der Betrieb des Bf. werde das ganze Jahr über durchgeführt. Er trage außerhalb der Saison nicht nur die Betriebsausgaben, sondern auch die Entnahmen. Eine regelmäßige Entlassung von Arbeitskräften am Schluß der Wintergeschäftszeit erfolge nicht.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) macht geltend, daß der Begriff des Saisonbetriebs im Sinne der GewStR ein anderer sei, als der des VG. Eine für beide zutreffende Auslegung sei daher nicht möglich. Unter Saisonbetrieben seien Wirtschaftszweige zu verstehen, bei denen in bestimmten Jahreszeiten die Produktion stark ansteigt, während sie sonst ganz ausfällt oder wesentlich geringer ist. Diese Verschiedenheiten in der wirtschaftlichen Betätigung könnten bedingt sein durch die Witterung (Baugewerbe), durch die Rohstofflage (Zuckerindustrie) und durch die Art der wirtschaftlichen Betätigung (Verkauf von Weihnachtsbäumen und Weihnachtsschmuck). Zu letzterer Art gehörten die reinen Kürschnereibetriebe ohne sonstige wirtschaftliche Betätigung. Das Wesen des Saisonbetriebs ergebe sich hierbei aus der Tatsache, daß die Anfertigung von Pelzen, einer reinen Winterkleidung, sich nur in einer ganz bestimmten Jahreszeit zusammendrängt. Das völlige Ruhen eines Betriebs allein sei kein Merkmal des typischen Saisonbetriebs. Die Vorschrift des Gesetzes, daß bei den typischen Saisonbetrieben der überwiegende Teil des Gewinns regelmäßig im zweiten Kalenderhalbjahr erzielt worden sein muß, sei zur Begriffsbestimmung des typischen Saisonbetriebs mit heranzuziehen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Das VG erläutert nicht, was es unter typischen Saisonbetrieben verstanden wissen will. Die Einkommensteuer-Veranlagungsrichtlinien II/1948 und 1949 (Abschn. 193 Abs. 6 und 7) können zur Erläuterung des Begriffs ebenfalls nicht herangezogen werden. Es ist dem Bf. zuzugeben, daß die Ausführungen der GewStR und des Kommentars von Blümich-Boyens-Steinbring über Saisonbetriebe wegen der anderen Gestaltung der Vorschriften des GewStG nicht ohne weiteres zur Auslegung des Begriffs typische Saisonbetriebe im Sinne des VG herangezogen werden können. Gleichwohl ist der Vorentscheidung im Ergebnis zuzustimmen.
Da dem VG eine Begriffsbestimmung nicht zu entnehmen ist, muß sie neben der rein sprachlichen Deutung aus allgemeinen, insbesondere aus kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 8 VG hergeleitet werden.
Nach dem "Handwörterbuch des Kaufmanns" von Bott (IV. Band, Stichwort: Saisongeschäft) hat fast jeder Betrieb bestimmte Jahreszeiten, in denen das Geschäft lebhafter geht als in anderen. Im Handelsgewerbe sind es besonders häufig Gegenstände wie Kleider, Sportartikel usw., die zu bestimmten Jahreszeiten stark und zu anderen überhaupt nicht gefragt werden. Infolgedessen haben auch Fabriken, die diese Waren herstellen, eine nach der Jahreszeit wechselnde Beschäftigung.
Der Kommentar von Landmann-Rohmer zur Gewerbeordnung (GO), 10. Aufl. 1953, 2. Band 2. Teil, macht in der Anm. 2 zu § 105d einen Unterschied zwischen "Kampagneindustrien" und "Saisonindustrien". Zu den ersteren zählten die Betriebe, die ihrer Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt sind. Zu ihnen gehörten z. B. Rübenzucker-, Zichorien- und Krautfabriken, Feldziegeleien, Fischräuchereien, Fruchtkonservenfabriken und deren Hilfsindustrien wie z. B. Blechdosenfabriken.
Unter Saisonindustrien versteht der Kommentar Betriebe, die zwar während des ganzen Jahres fortgeführt werden, jedoch in gewissen Zeiten zu einer außergewöhnlich verstärkten Tätigkeit genötigt sind. Zu ihnen rechnet er zunächst die auf den Sommer- und Winterbedarf arbeitenden Gewerbe, insbesondere verschiedene Zweige der Textilindustrie (z. B. Färberei, Stickerei, Konfektion, Pelzmacherei), Strohhutfabriken usw., sodann die für den Bedarf an gewissen Festen arbeitenden Gewerbe, z. B. Lebkuchen- und Spielwarenfabriken.
Zu § 105d GO ist eine Bekanntmachung betreffend Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit in Gewerbebetrieben ergangen, der eine Tabelle beigefügt ist, welche unter Buchstabe H die Gewerbe aufzählt, "welche in gewissen Jahreszeiten zu einer außergewöhnlich verstärkten Tätigkeit genötigt sind" (vgl. Landmann-Rohmer a. a. O. Anhang 3 S. 521, 540). Das sind folgende: Herstellung von Schokoladen- und Zuckerwaren, Honigkuchen und Biskuit, Anfertigung von Spielwaren, Schneiderei und Schuhmacherei im handwerksmäßigen Betrieb, Pelzmacherei, Kürschnerei, Herstellung von Strohhüten, chemische Wäscherei und Schönfärberei für Kleidungsstücke.
Es entsteht nunmehr die Frage, ob die aus den vorstehenden Ausführungen sich ergebende Begriffsbestimmung für Saisonbetriebe auch für die typischen Saisonbetriebe im Sinne des § 8 Abs. 2 VG zu gelten hat. Das ist zu verneinen.
Zwischen Saisonbetrieben und typischen Saisonbetrieben besteht ein Unterschied. Nicht jeder Saisonbetrieb ist zugleich ein typischer Saisonbetrieb. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß durch die Hinzufügung des Wortes "typisch" eine Einengung des allgemeinen Begriffs Saisonbetrieb vorgenommen wurde. Der Gesetzgeber hatte keinen Grund, Saisonbetriebe zu begünstigen, bei denen der überwiegende Teil des Gewinns regelmäßig im ersten Kalenderhalbjahr erzielt wird. Daher bedurfte es der Einfügung des Relativsatzes "bei denen der überwiegende Teil des Gewinns regelmäßig im zweiten Kalenderhalbjahr erzielt wird". Diese im Relativsatz festgelegte Voraussetzung der Steuervergünstigung dient hiernach nicht der Begriffsbestimmung typisch oder Saisonbetrieb.
Versteht man unter Saisonbetrieben im allgemeinen Sinne solche Betriebe, die während des ganzen Jahres betrieben werden, jedoch in gewissen Zeiten zu einer außergewöhnlich verstärkten Tätigkeit genötigt sind, so sind typische Saisonbetriebe solche, bei denen es sich nicht nur schlechthin um eine außerordentlich verstärkte Tätigkeit zu gewissen Zeiten, sondern um eine Zusammenballung und Beschränkung der Betriebstätigkeit auf bestimmte Zeiträume handelt. Typische Saisonbetriebe in diesem Sinne sind z. B. die nur im Sommer geöffneten Kurhotels, Freibadeanstalten, die Betriebe der Bootsverleiher und der ambulanten Speiseeisverkäufer. Es muß sich also um Betriebe handeln, deren Tätigkeit sich ausschließlich oder fast ausschließlich auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt, während sie in den anderen Zeiten ruht oder nur unbedeutend ist. Vgl. hierzu den Erlaß des Bundesministers der Finanzen IV A 2209 -- 85/50 vom 19. Dezember 1950 (Der Betriebs-Berater 1951 S. 106) sowie Boeker in seinem Gutachten "Typische Saisonbetriebe bei der Veranlagung für II/1948 und 1949" ("Der Betriebs-Berater" 1950 S. 643). Die Vorbehörden haben mit Recht darauf hingewiesen, daß andernfalls auch die Betriebe der Kohlenhändler, Kartoffelhändler sowie der Spielwaren- und Schokoladengeschäfte die Steuervergünstigung erhalten müßten. Das kann jedoch nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, als er die Anwendung der Gesetzesvorschrift auf die typischen Saisonbetriebe beschränkte.
Der Betrieb des Bf. wird durch das ganze Jahr hindurch fortgeführt. Der Bestand an Arbeitnehmern ist in den Sommer- und Wintermonaten im wesentlichen der gleiche. Die geringfügige Verkürzung der Arbeitszeit in den Sommermonaten auf wöchentlich 45 Stunden ist nicht von Belang. Es mag sein, daß der Gewerbebetrieb im Herbst besonders stark ist. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die kalte Jahreszeit auch die ersten Monate der ersten Kalenderhalbjahre umfaßt und daß auch in diesen Monaten Bedarf an Pelzen und anderen aus Pelz gearbeiteten oder mit Pelz besetzten Kleidungsstücken besteht, ganz abgesehen davon, daß von den Frauen selbst in der wärmeren Jahreszeit mindestens an den Abenden bei gesellschaftlichen Veranstaltungen Pelzkleidung (z. B. Pelzumhänge, Pelzkragen usw.) getragen wird.
Ist hiernach der Kürschnereibetrieb des Bf. nicht als typischer Saisonbetrieb anzusehen, so erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, in welchem Verhältnis die Gewinne und Einnahmen regelmäßig in den ersten und zweiten Kalenderhalbjahren stehen.
Nach Erlaß eines Bescheides gemäß § 294 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) hat der Vertreter des Beschwerdeführers (Bf.) erneut mündliche Verhandlung beantragt. Er hat in dieser im wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, daß der Zweck des § 8 Abs. 2 des Veranlagungsgesetzes (VG) sei, Steuerpflichtige zu begünstigen, deren Einnahmen sich zwangsläufig in einem kurzen Zeitraum zusammenballen, um für diese Steuerpflichtigen die Folgen der Progression des Tarifs zu mildern. Er hat hieraus den Schluß gezogen, daß es für die Begriffsbestimmung der typischen Saisonbetriebe im Sinne des § 8 a. a. O. nicht allein darauf ankomme, ob ein Betrieb zu gewissen Zeiten nicht oder nur mehr oder weniger eingeschränkt arbeitet. Der Begriff der Saisonbetriebe könne nicht von dem Moment der Zusammenballung der Gewinne zu bestimmten Zeiten gelöst werden.
Der Senat pflichtet der Auffassung bei, daß das betriebswirtschaftliche Merkmal des zeitweisen Ruhens oder der zeitweisen Einschränkung eines Betriebes zur Charakterisierung der Saisonbetriebe im Sinne des § 8 a. a. O. allein nicht genügend ist, weil in der Vorschrift zusätzlich gefordert wird, daß es sich um solche Saisonbetriebe handeln müsse, bei denen der überwiegende Teil des Gewinns regelmäßig im zweiten Kalenderhalbjahr erzielt wird. Von der Erwägung ausgehend, daß die Verteilung der Umsätze auf die einzelnen Halbjahre sicher zu bestimmen ist, und daß an Hand der Umsätze die Gewinne der einzelnen Halbjahre zutreffender dargestellt werden können, mißt der Senat der Entwicklung der Umsätze des Betriebes des Bf. maßgebliche Bedeutung bei. Nach der von den Vorbehörden nicht bestrittenen Einlassung des Bf. verteilen sich die Umsätze wie folgt:
1948 1949 1950 1951
I. Halbjahr RM 9 015 DM 7 034 27 626 53 165
II. Halbjahr DM 16 469 49 993 78 174 84 619
Gesamtumsatz: DM 16 469 57 027 105 800 137 784
Der erkennende Senat hält die auf die Währungsumstellung folgenden Zeitabschnitte 1948, 1949 und 1950 noch nicht für eine geeignete Grundlage zur objektiven Beurteilung der saisonmäßigen Umsatzverteilung auf die einzelnen Halbjahre. Diese Zeiten können infolge der besonderen Markt- und Lagerverhältnisse, der ungewöhnlichen Geldlage und der durch die Währungsumstellung und Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung hervorgerufenen besonderen Konsumtendenzen noch nicht als normal angesprochen werden. Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Umsätzen in den ersten und zweiten Halbjahren zeigt deutlich die Tendenz einer Angleichung der im Jahre 1948 noch stark auseinanderfallenden Werte. Während anfangs die Umsätze der zweiten Halbjahre teilweise ein Mehrfaches der Umsätze der ersten Halbjahre betrugen, sind die im ersten Halbjahr 1951 erzielten Umsätze rund 53 000 DM, die des zweiten Halbjahres rund 84 000 DM. Der Umstand, daß im Mai 1951 ein "Vorratsverkauf" von 8000 DM stattgefunden hat, vermag die Tendenz nicht ausschlaggebend zu beeinflussen.
Der Senat schließt aus dieser Entwicklung, daß das bei typischen Saisonbetrieben ganz erhebliche Auseinanderklaffen der Umsätze des ersten und zweiten Halbjahres bei dem Betriebe des Bf., wenn man von den zur Beurteilung ungeeigneten Zeitabschnitten 1948 bis einschließlich 1950 absieht, nicht vorliegt, und kann daher diesem Betrieb nicht den Charakter eines typischen Saisonbetriebes beimessen.
Nach der Einlassung des Bf. ist die Gewinnverteilung seines Betriebes während der fraglichen Zeiten wie folgt:
1948 1949 1950 1951
I. Halbjahr RM 3 005,-- DM 1 731,93 5 950,18 16 315,56
II. Halbjahr 6 772,90 13 411,07 23 187,82 12 902,50
Gesamtgewinn: DM 6 772,90 15 143,-- 29 138,-- 29 218,06
Sofern man die Richtigkeit der dargestellten Gewinnergebnisse unterstellt, zeigt die Entwicklung auf dem Gewinnsektor die gleiche Tendenz wie bei den Umsätzen.
Nun kommt es nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht ausschlaggebend auf die Umsatzverhältnisse gerade des Betriebes an, der die Steuervergünstigung des § 8 a. a. O. für sich in Anspruch nimmt. Ein Betrieb kann vielmehr nur dann als typischer Saisonbetrieb angesprochen werden, wenn die Umsatzverhältnisse in der Sparte der Betriebe, denen er zuzurechnen ist, allgemein typisch sind. Der Senat trägt jedoch keine Bedenken, die Umsatzverhältnisse des hier streitigen Betriebes als typisch in diesem Sinne anzusehen, weil nach dem Vortrag des Vertreters der Zentralverband des Kürschnerhandwerks gerade diesen Betrieb hinsichtlich der entscheidenden Merkmale als besonders geeignet ausgesucht hat.
Hiernach muß es bei dem Ergebnis des Bescheides verbleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 407852 |
BStBl III 1954, 81 |
BFHE 1954, 446 |