Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Sieht das Gesetz als Folge einer strafbaren Handlung die Einziehung eines Gegenstandes ohne Rücksicht darauf vor, ob der Gegenstand dem Täter oder einem an der Tat Nichtbeteiligten gehört, so ist die Einziehung - im Gegensatz zu der in Abschnitt 120 Absatz 2 EStR 1958 vertretenen Auffassung - auch dann nicht Nebenstrafe, sondern lediglich Sicherungsmaßnahme, wenn der Gegenstand dem Täter gehört.

Ist die Einziehung lediglich Sicherungsmaßnahme, so ist der durch sie eingetretene Verlust eines zum Betriebsvermögen gehörenden Gegenstandes gewinnmindernd zu behandeln. EStG 1958 § 4 Abs. 4,

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 12; StAnpG § 11 Ziff. 5

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewinnermittlung einer OHG für 1958, die vorwiegend Weingroßhandel betrieb und deren Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis zum 30. Juni (im Streitfall: 1. Juli 1957 bis 30. Juni 1958) lief. Gesellschafter waren im Wirtschaftsjahr 1957/58 der Kaufmann A und der Kaufmann B, an dessen Stelle nach seinem Tode im Jahre 1958 seine Erben traten.

Im September 1957 wurde festgestellt, daß die OHG Wein vertrieb, dem unter Verletzung des Weingesetzes (WG) Süßstoff zugesetzt war (§ 3 Abs. 6 WG). Den Wein hatte, was von der OHG zu keinem Zeitpunkt bestritten wurde, der Gesellschafter B verfälscht. Das gegen ihn wegen Vergehens im Sinne des § 26 WG eingeleitete Strafverfahren erledigte sich durch seinen Tod. Ein gegen den Mitgesellschafter A eingeleitetes Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft im September 1959 ein, weil sich eine strafbare Verletzung des WG nicht nachweisen ließ. Der gefälschte Wein wurde nicht nach der Vorschrift des § 28 Abs. 1 und Abs. 3 WG eingezogen, die die Einziehung gefälschten Weins unterschiedslos, d. h. ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse, auch nach dem Ableben des Gesellschafters B in einem selbständigen Verfahren (§§ 430 ff. der Strafprozeßordnung - StPO - ermöglicht hätte. Zu einem derartigen Verfahren sahen die zuständigen Stellen keine Veranlassung mehr, nachdem sich die OHG, um ihren Faßraum freizubekommen und damit die sonst in Frage gestellte Weiterführung ihres Geschäfts zu ermöglichen, verpflichtet hatte, den gefälschten Wein in der nunmehr noch zulässigen Weise selbst zu verwerten und den aus dieser Verwertung erzielten Erlös an die Gerichtskasse abzuführen. Bei der so verwerteten Weinmenge handelt es sich um 69 376 1 mit einem Buchwert von 121 500 DM.

Die Beteiligten und das Finanzamt gehen davon aus, daß die Verwertung des Weins und die Abführung des Erlöses durch die OHG der Einziehung und Verwertung auf Grund des in § 28 Abs. 3 WG vorgesehenen selbständigen Verfahrens gleichzustellen ist. Streit besteht zwischen den Beteiligten jedoch darüber, in welcher Weise eine Einziehung im Sinne dieser Vorschrift steuerlich zu berücksichtigen ist.

Das Finanzamt sieht in der Einziehung eine die Straftat des Gesellschafter B betreffende Nebenstrafe in Höhe von 121 500 DM. Da es sich bei der von diesem Gesellschafter begangenen Weinfälschung nicht um einen betrieblichen, sondern um einen im Bereich der persönlichen Lebensführung liegenden Vorgang handele, sah sich das Finanzamt in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an der gewinnmindernden Berücksichtigung des Betrages von 121 500 DM durch das Abzugsverbot des § 12 EStG gehindert (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 373/54 U vom 21. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 338, Slg. Bd. 61 S. 361; I 322/56 S vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 415, Slg. Bd. 65 S. 471). Das Finanzamt ist weiter im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Sachbehandlung nunmehr der Meinung, daß der Gewinnanteil des Gesellschafters B um den Buchwert des Weines von 121 500 DM zu erhöhen sei.

Die OHG vertritt die Auffassung, daß die Einziehung des Weines keinen Strafzweck, sondern lediglich Sicherungszwecke verfolge. Sie begründet - in übereinstimmung mit der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 455/37 vom 26. Januar 1938, RStBl 1939 S. 190 - ihre Ansicht mit dem Hinweis, daß nach § 28 Abs. 1 WG die beanstandeten Weine auch dann eingezogen werden könnten, wenn sie nicht dem Täter, sondern einem tatunbeteiligten Dritten gehörten, und daß die Einziehung nach Abs. 3 der genannten Vorschrift auch ohne strafrechtliche Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person möglich sei. Die OHG beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs (Urteile des Reichsgerichts IV 180/12 vom 18. Juni 1912, Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen - RGSt - Bd. 46 S. 131; I 377/16 vom 16. Mai 1917, RGSt Bd. 50 S. 386; IV 645/19 vom 11. Mai 1920, RGSt Bd. 55 S. 12; I 1418/32 vom 7. April 1933, RGSt Bd. 67 S. 215; Urteil des Bundesgerichtshofs 6 StR 5/54 vom 31. März 1954, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen - BGHSt - Bd. 6 S. 62). Damit - so führt sie weiter aus - sei dargetan, daß die durch die Einziehung bewirkte Enteignung sich nicht gegen den Täter als solchen richte. Sie sei eine Verwaltungsanordnung im Sinne einer polizeilichen Sicherungs- oder Vorbeugungsmaßnahme, die in erster Linie eine Benachteiligung des redlichen Geschäftsverkehrs sowie der Verbraucher verhindern wolle. Die entschädigungslose Enteignung des Weins sei mithin bei der OHG ein Betriebsvorfall, der bei der Feststellung ihres Gesamtgewinns gewinnmindernd zu berücksichtigen sei.

Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 S. 154 veröffentlicht ist, führte im wesentlichen folgendes aus. Nach bürgerlichem Recht habe zwar an dem eingezogenen Wein Gesamthandseigentum der beiden Gesellschafter bestanden (§§ 105 ff. HGB, 718 BGB). Im Streitfall sei jedoch für die Beurteilung der Rechtslage die steuerliche Sondervorschrift des § 11 Ziff. 5 StAnpG maßgebend. Danach seien die Gesellschafter wie Eigentümer des Weins zu Bruchteilen zu behandeln, deren Höhe sich nach dem Stande der maßgebenden Kapitalkonten errechne. Hiernach ergebe sich für den Gesellschafter B ein Eigentumsanteil von 61 622 DM. Da die Einziehung des Weines in Höhe dieses Betrages Strafcharakter habe, sei dieser Anteil am Verlust des Weines nicht zum Abzug zuzulassen, vielmehr dem Gewinn DER OHG außerhalb der Bilanz zuzurechnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der OHG ist begründet, woraus sich die Zurückweisung der Anschlußbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ergibt. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das den Gewinn der OHG unter Berücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgabe von 121 500 DM und im übrigen nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung festzustellen hat.

Dem Umstand, daß die Enteignung des beschlagnahmten Weins nicht gemäß § 28 Abs. 1 WG in einem Strafverfahren gegen den Gesellschafter B und nach dessen Tode nach § 28 Abs. 3 WG und §§ 430 ff. StPO im selbständigen Verfahren unter Hinzuziehung seiner Erben sowie seines, ebenfalls von der Enteignung betroffenen Mitgesellschafters A durch richterliches Urteil ausgesprochen worden ist, haben die Beteiligten wie die Vorinstanz mit Recht keine Bedeutung beigemessen. Für die Beurteilung der Frage, welche steuerlichen Folgerungen aus der Enteignung zu ziehen sind, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Enteignung in dem dafür vorgesehenen förmlichen Verfahren durchgeführt wird oder ob es, wie im Streitfall, der betroffene Eigentümer nicht zur Enteignung kommen läßt und freiwillig die wirtschaftlichen Folgen der möglichen Enteignung auf sich nimmt.

Im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts und der Vorinstanz kann auch bei förmlicher Einziehung des Weins in der entschädigungslosen Enteignung weder ganz noch teilweise eine Nebenstrafe mit der sich daraus nach der Rechtsprechung ergebenden Folge der Nichtabzugsfähigkeit gesehen werden. Für die rechtliche Qualifizierung der Nebenfolge einer Straftat kommt es entscheidend darauf an, welchen Zwecken die Nebenfolge dient. Aus den in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 455/37 bezeichneten Gründen ergibt sich, daß für die Einziehung nach dem WG der Sicherungs- und Vorbeugungszweck in einer Weise bestimmend ist, daß es dem Gesetzgeber gerechtfertigt erschien, auch in das Eigentum Tatunbeteiligter - hier des Gesellschafters A und der Erben des Gesellschafters B - einzugreifen. Der Senat sieht deshalb in übereinstimmung mit den bezeichneten Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs die Einziehung nach dem WG als Sicherungsmaßnahme und auch dann nicht als Nebenstrafe an, wenn sie im einzelnen Fall nur den Täter trifft. Daraus ergibt sich, daß die vom Finanzamt und von der Vorinstanz gezogenen Folgerungen rechtlich nicht zutreffend sind. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob, wenn die Einziehung insoweit, als sie den Täter trifft, eine Nebenstrafe wäre, die vom Finanzgericht auf § 11 Ziff. 5 StAnpG gestützte Aufteilung in Nebenstrafe und Sicherungsmaßnahmen gebilligt werden könnte.

Mit dieser seiner Entscheidung weicht der Senat von der in Abschnitt 120 Abs. 2 EStR 1958 vertretenen Auffassung insofern ab, als er im Falle der unterschiedslos möglichen Einziehung auch dann in der Einziehung keine Nebenstrafe sieht, wenn sie im Einzelfalle den Täter trifft. Sie bleibt stets nur in vollem Umfang Sicherungsmaßnahme. Diese Sicherungsmaßnahme führt, wovon wohl auch die bezeichneten Bestimmungen der EStR 1958 ausgehen, zu einem im Bereich des Betriebsvermögens entstehenden Verlust und ist als gewinnmindernder Betriebsvorfall zu berücksichtigen. Denn in diesem Falle erschöpfen sich die strafrechtlichen Auswirkungen der Tat in ihrer Hauptfolge der eigentlichen Strafe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424120

BStBl III 1965, 278

BFHE 1965, 85

BFHE 82, 85

BB 1965, 531

DB 1965, 804

DStR 1965, 342

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