Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob ein Grundstück in unbebautem Zustand oder mit einem zu errichtenden Gebäude verkauft wird, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Maßgebend ist, wer der Bauherr des zu errichtenden Gebäudes ist (vgl. insbesondere das Urteil vom 28. November 1967 II 102/63, BFHE 90, 534, BStBl II 1968, 186).
2. Bei einer Verfahrensrüge müssen die Tatsachen bezeichnet werden, aus denen sich der behauptete Mangel ergibt. Die Klägerin darf sich nicht darauf verlassen, daß das Revisionsgericht an Hand der Akten diese Tatsachen selbst ermittelt.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 133, 157; FGO § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
1. Die Klägerin schloß im April 1964 einen notariell beurkundeten "Grundstücks- und Ferienhauskaufvertrag", wonach sie ein Grundstück erwarb. Bei Abschluß des Vertrages war es noch unbebaut. Der Besitz daran sollte mit Beginn des Monats nach der Umschreibung im Grundbuch auf die Klägerin übergehen. Die Auflassung und die Bewilligung zur Umschreibung des Grundstückes im Grundbuch wurden sofort erklärt. § 5 des Vertragstextes hat folgenden Wortlaut:
"Auf dem von der Käuferin erworbenen Grundstück soll ein Ferienhaus errichtet werden. Der Verkäufer übernimmt die schlüsselfertige Herstellung des Hauses, und zwar entsprechend dem Leistungsverzeichnis (Anlage III) zum Preise von ... DM. Abweichungen von den im Leistungsverzeichnis angeführten Arbeiten bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Käuferin. Der Verkäufer verpflichtet sich, den Bau unter Beachtung der Regeln der Baukunst auszuführen und mängelfreies Material zu verwenden.
Das Haus ist bis Juni 1964 schlüsselfertig herzustellen."
Nach dem Urkundentext war der Kaufpreis für das Grundstück nach der Umschreibung im Grundbuch, der "Kaufpreis für das Fertighaus ... unverzüglich nach Abnahme" zu zahlen. Die "Käuferin" unterwarf sich wegen des "Gesamtkaufpreises von ... DM" der sofortigen Zwangsvollstreckung.
2. Der Vertragspartner der Klägerin, Herr X, hatte seinerseits das Grundstück neben weiteren Parzellen von einem Dritten erworben und vorläufige Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes in der Fassung vom 28. Juni 1962 (GVBl 1962, 265) GrESWG mit der Begründung in Anspruch genommen, daß er die Grundstücke mit grundsteuerbegünstigten Wohngebäuden bebauen wolle.
Die Klägerin beantragte beim FA - Beklagter - Grunderwerbsteuerbefreiung. Sie begründete diesen Antrag damit, daß sie innerhalb von 10 Jahren auf dem Grundstück ein steuerbegünstigtes Gebäude errichten wolle. Das FA ging davon aus, daß die Klägerin ein steuerbegünstigtes, noch zu errichtendes Eigenheim erworben habe und befreite diesen Vorgang vorläufig von der Grunderwerbsteuer. Dieser Verfügung war ein Schriftwechsel zwischen dem FA und dem inzwischen verstorbenen Notar Dr. Z. vorausgegangen. Herr Dr. Z stellte die entsprechenden Grundbuchanträge und bat daher das FA auch um die Unbedenklichkeitsbescheinigung. Zunächst teilte er dem FA auf Anfrage mit, daß die Klägerin ein Eigenheim errichten wolle. Das FA wies darauf hin, daß Herr X seinerseits das Grundstück nebst weiteren Parzellen steuerfrei zur Errichtung von grundsteuerbegünstigten Gebäuden erworben habe und die Steuer nachzahlen müsse, wenn er die Grundstücke unbebaut veräußere (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 GrESWG). Daraufhin erwiderte Herr Dr. Z. er habe die Sache noch einmal überprüft und mit Herrn X besprochen. Er habe sich davon überzeugt, daß das Grundstück mit einem zu errichtenden Gebäude an die Klägerin verkauft worden sei.
3. Als Bauherr des Hauses ist gegenüber den Baubehörden Herr X aufgetreten. Ihm wurden vom Kreisbauamt der Bauschein (Baugenehmigung) und der Gebrauchsabnahmeschein erteilt.
Das errichtete Haus wurde vom Kreisbauamt nicht als grundsteuerbegünstigt nach § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes i. d. F. vom 1. August 1961 (II. WoBauG) (BGBl I 1961, 1121) anerkannt. Der Bescheid war an Herrn X gerichtet. Die Klägerin veräußerte das Grundstück im Juni 1968 an einen Dritten weiter. Unter Hinweis auf diese beiden Umstände verlangte das FA von der Klägerin die Zahlung einer Grunderwerbsteuer.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Soweit die erhobene Steuer den Erwerb des Grund und Bodens betrifft, kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin ein bebautes oder unbebautes Grundstück erworben hat. Die notariell beurkundete Vereinbarung vom April 1964 enthält auf alle Fälle einen Kaufvertrag über den Grund und Boden und unterliegt daher insoweit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des GrEStG der Grunderwerbsteuer. Die Klägerin kann weder die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG noch diejenige nach § 2 Nr. 1 GrESWG beanspruchen. Beide Vorschriften setzen voraus, daß das auf dem Grundstück errichtete Haus steuerbegünstigte Wohnungen enthält bzw. ein steuerbegünstigtes Eigenheim ist. Diese Voraussetzungen sind dann erfüllt, wenn die Wohnungen bzw. das Haus nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz öffentlich gefördert oder als steuerbegünstigt anzuerkennen sind (§ 3 Abs. 1 GrESWG). Die erstgenannte Möglichkeit scheidet hier von vornherein aus, denn nach dem Inhalt des Urteils des FG und dem Vortrag der Beteiligten ist das Haus nicht mit Hilfe öffentlicher Mittel gebaut und daher nicht öffentlich gefördert worden (§ 92 Abs. 2 Buchst. a des II. WoBauG). Auch die 2. Alternative trifft nicht zu. Allerdings verlangt § 3 Abs. 1 GrESWG nicht, daß die Wohnungen oder das Haus tatsächlich als grundsteuerbegünstigt anerkannt sind. Es genügt, daß sie als grundsteuerbegünstigt "anzuerkennen sind". Demnach ist es nicht erforderlich, daß ein Anerkennungsverfahren nach § 83 des II. WoBauG durchgeführt worden ist. Die Wohnungen bzw. das Haus brauchen nur den Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes über die Grundsteuervergünstigung zu entsprechen. Eine solche Bescheinigung nach § 6 Abs. 2 oder 4 GrESWG hat aber die Klägerin nicht vorgelegt. Darüber durften sich der Beklagte und das FG nicht hinwegsetzen. Der Senat hat schon mehrfach ausgeführt, daß der Anerkennungsbescheid nach § 83 Abs. 3 des II. WoBauG auch für die Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau verbindlich ist. (Vgl. z. B. das Urteil vom 1. August 1967 II 92/65, BFHE 89, 545, BStBl III 1967, 709, zu Art. 1 Nr. 4 Buchst. a des Bayerischen GrESWG vom 12. November 1958). Kann der Steuerpflichtige keinen solchen Anerkennungsbescheid beibringen, so hat er keinen Anspruch auf Grunderwerbsteuerbefreiung. Dieser Grundsatz gilt ebenso für die Bescheinigung nach § 6 Abs. 2 oder Abs. 4 GrESWG, welche nicht die tatsächliche, sondern nur die mögliche Anerkennung nach § 82 und § 83 Abs. 3 des II. WoBauG zu bestätigen braucht.
2. Soweit sich die Klägerin gegen die Festsetzung der übrigen Steuer wendet, hat die Revision ebenfalls keinen Erfolg.
a) Das angefochtene Urteil verletzt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht den § 1 Abs. 1 Nr. 1, den § 10 Abs. 1 oder den § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Nach der zutreffenden Ansicht des FG muß die Grunderwerbsteuer zusätzlich von dem Entgelt für das errichtete Haus berechnet werden, wenn die Vertragspartner einen Kaufvertrag über das Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude als künftigem Bestandteil dieses Grund und Bodens abgeschlossen haben. Die Auslegung des Vertrages nach § 157 BGB, welche als Anwendung materiellen Rechts durch das Revisionsgericht unbeschränkt nachgeprüft werden kann, führt zu keiner eindeutigen Antwort auf diese Frage. Der Vertrag wird als Grundstücks- und Ferienhauskaufvertrag bezeichnet; außerdem wird nach seinem Wortlaut ein Gesamtkaufpreis für Haus und Grundstück vereinbart. Das läßt auf einen einheitlichen Kaufvertrag über den Grund und Boden sowie das Haus schließen. Andererseits sollte das Eigentum an dem Grundstück schon vor Errichtung des Hauses auf die Klägerin übergehen. Das spricht für den Abschluß eines gesonderten - nicht grunderwerbsteuerpflichtigen - Vertrages über den Bau des Hauses, sofern die Klägerin Bauherrin war. Ob letzteres zutrifft, läßt sich aber dem Vertragstext nicht entnehmen.
Angesichts dieses nicht eindeutigen Vertragstextes hat das FG den wirklichen Willen der Vertragspartner erforscht (§ 133 BGB). Dabei hat es auch zu Recht darauf abgestellt, welcher der Vertragspartner das sogenannte Bauherrenwagnis getragen hat. Dieses gibt Aufschluß darüber, ob nach dem Willen der Beteiligten das Grundstück unbebaut oder einschließlich Gebäude verkauft werden sollte (vgl. dazu das Urteil vom 28. November 1967 II 102/63, BFHE 90, 534, BStBl II 1968, 186).
b) Die Grunderwerbsteuer muß auch von dem Entgelt für das Haus berechnet werden, denn das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klägerin nach dem Willen der Vertragspartner das Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude gekauft hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Diese tatsächlichen Feststellungen des FG sind für das Revisionsgericht bindend, sofern nicht insoweit zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht werden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat verschiedene Rügen erhoben; sie sind aber nicht zulässig oder nicht begründet.
aa) Nicht zulässig ist die Rüge, daß das FG nicht den beurkundenden Notar - den jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin - oder dessen Angestellte als Zeugen vernommen habe. Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO müssen bei der Rüge eines Verfahrensmangels die Tatsachen bezeichnet werden, welche den Verfahrensmangel ergeben. Der Vortrag der Klägerin entspricht nicht diesen Anforderungen. Das FG brauchte nicht alle irgendwie in Betracht kommenden Ermittlungen anzustellen. Es durfte sich auf diejenigen Beweise beschränken, zu deren Erhebung es nach den gesamten Umständen des Rechtsstreites Anlaß hatte. Die Klägerin hätte also vortragen müssen, aufgrund welcher Tatsachen das FG solchen Anlaß zu einer Vernehmung des Notars oder seiner Angestellten gehabt hätte. Das konnte z. B. dann der Fall gewesen sein, wenn die Klägerin einen entsprechenden Beweisantrag gestellt oder sich sonst aus ihren Schriftsätzen in dem Verfahren vor dem FG ergeben hätte, daß der beurkundende Notar über den Willen der Vertragspartner näheres hätte sagen können. Da die Verfahrensrüge der Klägerin nichts derartiges erkennen läßt, kann sie nicht sachlich geprüft werden.
bb) Das FG hat auch die Angaben des Herrn X verwendet, welche dieser in einem anderen gleichgelagerten Besteuerungsfall gegenüber dem Beklagten auf dessen Anfrage wegen sämtlicher Grundstückskäufe gemacht hatte. Die Klägerin bemängelt, daß Herr X nicht als Zeuge vernommen worden ist. Diese Rüge ist nicht gerechtfertigt. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung davon abgesehen, einen ursprünglich beabsichtigten Antrag auf Vernehmung des Herrn X zu stellen.
cc) Schließlich meint die Klägerin noch, das FG zitiere im angefochtenen Urteil "... allerlei Vorgänge, Bauakten u. a. auch eine Parallelsache". Diese Hinweise brauche sie (die Klägerin) sich nicht entgegenhalten zu lassen, weil sie an den Vorgängen nicht beteiligt gewesen sei. Ob und gegebenenfalls welche Verfahrensrüge die Klägerin damit erheben will, läßt ihr Vortrag nicht mit Sicherheit erkennen. Eine Verfahrensrüge muß die Tatsachen bezeichnen, die den. Mangel ergeben (§ 120 Abs. 2 FGO). Wenn die Klägerin geltend machen will, sie habe sich zu den im FG-Urteil genannten Tatsachen nicht äußern können, so hätte sie das im einzelnen erläutern müssen. Nach dem Inhalt des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem FG am 13. Mai 1971 sind mehrere nach ihrem Aktenzeichen genannte Beiakten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, ob und inwiefern das FG darüber hinaus seiner Entscheidung Tatsachen zugrundegelegt hat, die sich nicht aus diesen Beiakten ergeben und zu denen sich die Klägerin nicht äußern konnte. Diese darf sich nicht darauf verlassen, daß das Revisionsgericht seinerseits die für die Verfahrensrüge notwendigen Tatsachen an Hand der Akten ermittelt (vgl. das Urteil des BFH vom 5. November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, 119, BStBl II 1969, 84).
Legt man den Vortrag der Klägerin dahin aus, daß das FG zum mindesten aus den genannten Umständen falsche Schlüsse gezogen habe, so hat auch diese Rüge keinen Erfolg. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Nach der Überzeugung des FG erfüllt Herr X alle tatsächlichen Voraussetzungen eines Bauherrn des errichteten Hauses. Diese tatsächliche Feststellung ist im vorliegenden Fall - da sonstige Verfahrensmängel ausscheiden - für den BFH bindend, sofern sie weder durch einen Verstoß gegen Erfahrungssätze noch gegen Denkgesetze zustandegekommen ist. Beides hat die Klägerin nicht behauptet. Sie hat nicht einmal vorgetragen, daß sie selbst Bauherrin des Hauses gewesen sei.
3. Mit dem Beschluß vom 22. Dezember 1971 II S 5/71 hatte der BFH die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides mit der Begründung ausgesetzt, daß die präsenten Beweismittel keine eindeutige Auslegung des Textes der notariellen Urkunde vom April 1964 zuließen. Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu dem vorliegenden Urteil. Das FG hat angesichts des unklaren Vertragstextes den wirklichen Willen der Vertragspartner ermittelt. Diese tatsächliche Feststellung des FG konnte bei der Entscheidung in dem vorläufigen Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO nicht zum Nachteil der Klägerin verwendet werden. Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit die in der Revisionsbegründung erhobenen Verfahrensrügen Erfolg haben, mußte dem vorliegenden Urteil vorbehalten bleiben. Damit blieb in dem Aussetzungsverfahren eine Unsicherheit über den Ausgang des Rechtsstreites in der Hauptsache, die sich in dem Aussetzungsverfahren zugunsten der Klägerin auswirken mußte.
Fundstellen
Haufe-Index 70361 |
BStBl II 1973, 366 |
BFHE 1973, 454 |