Leitsatz (amtlich)

§ 26 Sätze 1 und 3 DVStBerG über die Wiederholungsprüfung ist mangels gesetzlicher Ermächtigung ungültig. Auch ohne ausdrückliche Regelung im Gesetz kann der Bewerber die Steuerbevollmächtigtenprüfung zweimal, jedoch nicht öfter wiederholen.

 

Normenkette

GG Art. 80 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; StBerG § 118 Nr. 1 Buchst. a, b; DVStBerG § 26 Sätze 1, 3

 

Verfahrensgang

BVerfG (Beschluss vom 17.03.1971; Aktenzeichen 1 BvR 496/70)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 17.03.1971; Aktenzeichen 1 BvR 496/70)

 

Tatbestand

Der Kläger hatte in den Jahren 1963, 1964 und 1966 ohne Erfolg an den Steuerbevollmächtigtenprüfungen teilgenommen. Mit Schreiben vom 9. Mai 1966 stellte er den Antrag, erneut zur Prüfung zugelassen zu werden. Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD lehnte am 19. Juli 1966 den Antrag ab.

Die dagegen erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, daß § 26 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1. August 1962 - DVStBerG - (BGBl I 1962, 537), der eine zweimalige, nicht aber öftere Wiederholung der Prüfung zulasse, weder gegen Art. 80 noch gegen Art. 12 GG verstoße.

Mit der Revision macht der Kläger u. a. geltend: Entgegen dem Standpunkt des FG in der Vorentscheidung sei die Vorschrift des § 26 DVStBerG durch die Ermächtigung des § 118 des Steuerberatungsgesetzes vom 16. August 1961 - StBerG - (BGBl I 1961, 1301) nicht gedeckt; die Voraussetzungen des Art. 80 GG seien nicht erfüllt. § 26 DVStBerG verstoße damit auch gegen die Zulassungsvorschriften der §§ 4 bis 7 StBerG. Eine Auslegung gegen den Wortlaut des § 118 StBerG sei nur angängig, wenn der Wortlaut "den wahren Willen des Gesetzgebers" nicht wiedergeben würde; das sei mit besonderer Vorsicht dann zu prüfen, wenn die Auslegung gegen den gesetzlichen Wortlaut zu einer Verschärfung führen würde. Die Ausführungen der Vorentscheidung könnten auch insoweit nicht überzeugen, als sie § 14 der Wirtschaftsprüferordnung vom 24. Juli 1961 - WPO - (BGBl I, 1049 ff.) verwerteten.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, den Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD zu verpflichten, ihn zur Steuerbevollmächtigtenprüfung erneut zuzulassen sowie die Kosten des Verfahrens der OFD aufzuerlegen.

Die beklagte OFD beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise: sie als unbegründet zurückzuweisen.

Die OFD hält die Revision für unzulässig, da die Begründung fehle oder in wesentlicher Hinsicht unvollständig sei. Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 26 DVStBerG komme es im Streitfall nicht an, weil der Kläger nach dreimaligem Mißerfolg bei der Steuerbevollmächtigtenprüfung nicht ausreichende Zeit auf eine weitere Vorbereitung verwendet, sondern alsbald einen erneuten Antrag auf Zulassung zur Prüfung gestellt habe. Das StBerG habe durch die dem Art. 80 GG entsprechende Ermächtigung im § 118 nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie systematischen Zusammenhang die Möglichkeit geschaffen, daß § 26 DVStBerG eine Regelung, wie geschehen, träfe; es habe der Bundesregierung den Auftrag erteilt, u. a. das Verfahren bei der Zulassung zur (Steuerbevollmächtigten-)Prüfung zu regeln. § 26 DVStBerG sei vom Gesetzeswortlaut nicht abgewichen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die Revision ist zulässig. Der Kläger hat bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen u. a. die Verletzung der §§ 4 bis 7 StBerG gerügt und damit eine verletzte Rechtsnorm angegeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Wenn der Kläger sich im gegenwärtigen Verfahren allerdings auch dagegen wendet, daß er seinerzeit zur Steuerbevollmächtigtenprüfung 1962 nach altem Recht hätte zugelassen werden müssen und daß bei früheren Steuerbevollmächtigtenprüfungen der OFD angeblich Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien, so kann das nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein.

Die Revision ist jedoch nicht begründet.

1. Die angefochtene Ablehnung der Zulassung zu einer dritten Wiederholung der Prüfung als Steuerbevollmächtigter kann nur dann eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 26 Sätze 1 und 3 DVStBerG finden, wenn diese Vorschriften, die eine dritte Wiederholung ausschließen, durch die in § 118 StBerG enthaltene Ermächtigung gedeckt sind.

§ 118 Nr. 1 Buchstaben a) und b) StBerG ermächtigt die Bundesregierung, nach Anhören der Bundeskammern mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung Bestimmungen zu erlassen über a) das Verfahren bei der Zulassung zur Prüfung und bei der Befreiung von der Prüfung, insbesondere die dem Antrag auf Zulassung zur Prüfung beizufügenden Unterlagen, b) die Durchführung der Prüfung, insbesondere die Prüfungsgebiete, die schriftliche und mündliche Prüfung. Zum "Verfahren bei der Zulassung zur Prüfung" (und bei der Befreiung von der Prüfung), bei dem das Gesetz besonders die dem Antrag auf Zulassung zur Prüfung beizufügenden Unterlagen erwähnt, zählen die Wiederholung der Prüfung und ihre Zulässigkeit nicht. Sie gehören aber auch nicht zur "Durchführung der Prüfung", wobei das Gesetz insbesondere die Prüfungsgebiete sowie die schriftliche und mündliche Prüfung nennt. Denn die Wiederholung der Prüfung geschieht nicht in oder bei Durchführung der Prüfung, sondern nach ihrem (erfolglosen) Abschluß. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Bewerber eine nicht bestandene Prüfung wiederholen darf, ist keine Frage der "Durchführung der Prüfung". Der Wortlaut der Ermächtigung in § 118 Abs. 1 Buchstaben a) und b) StBerG hat also nicht zum Inhalt, die Bundesregierung zu ermächtigen, daß sie durch Rechtsverordnung bestimmen dürfe, ob und unter welchen Voraussetzungen der Prüfungsbewerber nicht bestandene Prüfungen wiederholen darf. Eine solche Regelung ist aber für die Betroffenen, die in dem Fall, in dem sie die Prüfung nicht mehr wiederholen dürfen, endgültig z. B. von der Fortführung einer Steuerbevollmächtigtenpraxis des Vaters ausgeschlossen sind, sehr einschneidend. Es muß daher aus rechtsstaatlichen Gründen gefordert werden, daß eine Ermächtigung der Bundesregierung durch den Gesetzgeber zu einer so einschneidenden und schwerwiegenden Regelung eindeutig in der ermächtigenden Vorschrift zum Ausdruck kommt; andernfalls ist die Regelung in der Durchführungsverordnung nicht rechtsgültig. Der objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm des § 118 Nr. 1 Buchstaben a) und b) StBerG und dem Sinnzusammenhang ergibt, geht nicht eindeutig dahin, die Bundesregierung zu ermächtigen, daß sie bestimmen könne, unter welchen Voraussetzungen und wie oft überhaupt der Prüfungsbewerber eine nicht bestandene Prüfung wiederholen dürfe.

Das FG hat sich für die Gültigkeit des § 26 DVStBerG auch auf § 14 der kurz vor dem StBerG ergangenen WPO berufen. Er lautet: "Der Bundesminister für Wirtschaft regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einrichtung des Prüfungsausschusses bei der obersten Landesbehörde, die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses und die Berufung seiner Mitglieder sowie die Einzelheiten der Prüfung und des Prüfungsverfahrens, insbesondere die dem Antrag auf Zulassung zur Prüfung beizufügenden Unterlagen, die Prüfungsgebiete, die schriftliche und mündliche Prüfung, Rücktritt und Ausschluß von der Prüfung, Prüfungsergebnis, Ergänzungsprüfung, Wiederholung der Prüfung, Mitteilung des Prüfungsergebnisses und Gebühren für Zulassung und Prüfung." Ein Vergleich der Vorschriften des § 118 Nr. 1 Buchstaben a) und b) StBerG und des § 14 WPO ergibt, daß letzterer den Begriff "Prüfungsverfahren" weiter faßt, daß § 118 StBerG systematisch schärfer gegliedert ist als § 14 WPO, daß der Wortlaut beider Ermächtigungsvorschriften erheblich voneinander abweicht und daß § 14 WPO genauere, mehr ins einzelne gehende Ermächtigungsvorschriften gibt, insbesondere auch, daß er hinsichtlich der Ermächtigung die "Wiederholung der Prüfung" ausdrücklich aufführt. Diese Unterschiede der beiden Ermächtigungsvorschriften, insbesondere die erheblich engere Fassung des § 118 Nr. 1 Buchstabe b) StBerG, in dem auch die Wiederholung der Prüfung nicht aufgeführt ist, sprechen, zumal die beiden Vorschriften zeitlich kurz nacheinander vom Bundestag verabschiedet worden sind, nicht für, sondern gegen die Ansicht des FG.

Nach dem Vorstehenden deckt die Ermächtigung der Bundesregierung durch § 118 Nr. 1 Buchstaben a) und b) StBerG die Vorschriften des § 26 Sätze 1 und 3 DVStBerG über Wiederholungsprüfungen nicht; sie sind daher ungültig.

2. Aus der Ungültigkeit dieser Vorschriften folgt jedoch nicht, daß - wie der Kläger meint - eine dritte Wiederholung der Prüfung als Steuerbevollmächtigter zulässig ist.

Zwar ist daraus, daß das StBerG selbst die Frage einer Wiederholung der Prüfung nicht ausdrücklich regelt, nicht zu entnehmen, daß eine Wiederholung überhaupt nicht zulässig ist. Ein solcher Ausschluß jeglicher Wiederholung einer Prüfung, von deren Bestehen der Zugang zu einem bestimmten Beruf abhängt, würde nach Auffassung des Senats mit Art. 12 GG nicht vereinbar sein, da bei einer Abhängigkeit der Zulassung zum Beruf von der nur einmaligen Gelegenheit, die erforderliche Prüfung abzulegen, das Grundrecht der Berufsfreiheit beeinträchtigt würde. Das Gesetz ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß es eine Wiederholung der Prüfung nicht ausschließt, sondern dem Bewerber die Möglichkeit gibt, etwaige Mängel seiner Vorbildung für den Beruf zu beseitigen und die Zulassung durch eine erneute Prüfung anzustreben. Auf der anderen Seite ist dem Gesetz aber auch nicht zu entnehmen, daß die Prüfung etwa beliebig oft wiederholt werden könnte. Gegen eine derart weite Auslegung spricht, daß auch auf anderen Gebieten berufliche Prüfungen ein- oder auch zweimal, jedoch nicht unbegrenzt oft wiederholt werden können. Bei manchen Prüfungen ist sogar die zweite Wiederholung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht (z. B. einer besonderen ministeriellen Genehmigung). Mangels einer derartigen Einschränkung im StBerG muß zugunsten des Bewerbers die Zulässigkeit einer zweiten Wiederholung ohne zusätzliche Voraussetzung angenommen werden. Wenn aber ein Bewerber die Gelegenheit gehabt hat, dreimal den Nachweis seiner Befähigung für einen bestimmten Beruf zu erbringen, ist dem Grundrecht der Berufsfreiheit Genüge getan. Wenn demnach aus dem StBerG selbst die Zulässigkeit einer zweimaligen, nicht aber öfteren Wiederholung der Prüfung als Steuerbevollmächtigter zu entnehmen ist, hat das FG im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Verwaltungsakt, der eine Zulassung zu einer dritten Wiederholungsprüfung ablehnt, als nicht rechtswidrig angesehen. Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69032

BStBl II 1970, 533

BFHE 1970, 85

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