Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Erweiterung einer Prüfungsanordnung; Anforderungen an die Begründung einer Ermessensentscheidung
Leitsatz (NV)
1. Wird eine Prüfungsanordnung aus formellen Gründen zunächst zeitlich beschränkt und anschließend wieder erweitert, so steht dem regelmäßig kein Vertrauenstatbestand entgegen.
2. Der erkennende Senat läßt offen, ob er sich der gewandelten rechtlichen Würdigung des Auswahlermessens im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO 1977 (vgl. Urteil des BFH vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220) anschließen könnte.
Normenkette
AO 1977 § 91 Abs. 1, § 121 Abs. 1, § 130 Abs. 1, § 131 Abs. 2, § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1 S. 2, §§ 196, 368 Abs. 2 S. 2; BpO (St) § 4 Abs. 2; BpO (St) § 4 Abs. 3; FGO § 76 Abs. 1, §§ 102, 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als GmbH & Co. KG im Wohnungsbau tätig. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die Fa. A und B GmbH. Kommanditisten waren in den Streitjahren A und B. Die Kommanditisten waren gleichzeitig alleinige Gesellschafter einer weiteren Grundstücks-GbR.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete mit Verfügung vom 28. März 1989 gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Außenprüfung bei der Klägerin für die einheitlichen Gewinnfeststellungen, Gewerbe- und Umsatzsteuer 1983 bis 1987 sowie die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 bis 1. Januar 1988 an. Die letzte Außenprüfung hatte den Zeitraum 1978 bis 1982 umfaßt. Das FA hatte die Klägerin bei Erstellung der Prüfungsanordnung irrtümlich als Großbetrieb nach § 4 Abs. 2 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO(St) - eingestuft. Auf die allein deshalb erhobene Beschwerde (vgl. Schreiben vom 22. Mai 1989 und 8. Juni 1989) nahm das FA die Prüfungsanordnung mit Verfügung vom 6. Juli 1989 nach § 130 Abs. 1 AO 1977 hinsichtlich der Kalenderjahre 1983 und 1984 zurück. Die Feststellungsbescheide für 1983 vom 18. April 1985 und für 1984 vom 5. Mai 1986 sind unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen.
Im Verlauf der Prüfung für die Jahre 1985 bis 1987 stellte der Prüfer Sachverhalte fest, welche nach seiner Auffassung auch für die Kalenderjahre 1983 und 1984 zu nicht unerheblichen Steuernachforderungen führen konnten. Mit Prüfungsanordnung vom 8. August 1989 erweiterte das FA daraufhin die laufende Betriebsprüfung auf die Jahre 1983 und 1984 mit der Begründung, daß
- aufgrund des bisher unterbliebenen Ansatzes der privaten Kfz-Nutzung sowie der bisher zu Unrecht in vollem Umfang angesetzten nichtabziehbaren Teile der Kosten für Fahrten von der Wohnung zum Betrieb mit jährlichen Gewinnerhöhungen von rd. 10000 DM zu rechnen sei und
- es zu weiteren Gewinnerhöhungen in Höhe von 7000 DM bis 10000 DM je Jahr kommen werde, weil in der Buchführung der Klägerin Verwaltungskosten als Betriebsausgaben berücksichtigt worden seien, die andere Grundstücksgesellschaften beträfen.
Die Oberfinanzdirekton (OFD) wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Die OFD sah die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Prüfungszeitraums gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO(St) für gegeben an und fügte zusätzliche Gründe an:
- Prüfung der Angemessenheit des Preises für die 1984 erfolgte Veräußerung von Objekten an eine X-GbR.
- Ermittlungen zur steuerlichen Behandlung eines nicht realisierten Wohnbauprojektes im Jahr 1984.
- Prüfung der Herkunft von Mitteln für Einlagen auf den Sonderkonten der Gesellschafter im Jahr 1983 in Höhe von rd. 256000 DM.
- Überprüfung von Forderungsnachlässen gegen Besserungsschein im Jahr 1983 in Höhe von 600000 DM.
Diese gesamten Gründe machten eine Erweiterung des Prüfungszeitraums erforderlich. Sie begründeten die Wahrscheinlichkeit nicht unerheblicher Steuernachforderungen bzw. Steuererstattungen für beide Streitjahre.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und materiellen Rechts (§§ 91, 121 Abs. 1, 130 Abs. 2 und 131 Abs. 1 AO 1977).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat die Erweiterungs-Prüfungsanordnung vom 8. August 1989 im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig beurteilt.
1. Dem Erlaß der Erweiterungs-Prüfungsanordnung vom 8. August 1989 stand die teilweise Aufhebung der ursprünglichen Prüfungsanordnung vom 28. März 1989 gemäß § 130 Abs. 1 AO 1977 durch die Verfügung vom 6. Juli 1989 hinsichtlich der Kalenderjahre 1983 und 1984 nicht entgegen.
a) Der Senat kann offenlassen, ob er die Rücknahme eines fehlerhaften Verwaltungsaktes grundsätzlich als rechtmäßig begünstigenden Verwaltungsakt beurteilt mit der Folge, daß dessen Widerruf nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 131 Abs. 2 AO 1977 zulässig wäre (so bereits im Urteil des erkennenden Senats vom 17. November 1992 VIII R 25/89, BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146; hingegen bejahend bei Ergehen der Aufhebungsverfügung im Einspruchsverfahren Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Januar 1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562; vom 16. Oktober 1986 VII R 159/83, BFHE 148, 4, BStBl II 1987, 405 betreffend rechnerisch fehlerhafte Anrechnungsverfügung; generell bejahend ferner Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, AO 1977, 8. Aufl., S. 28; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 130 Anm. 5).
Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, daß mit der zeitlichen Einschränkung der ursprünglichen Prüfungsanordnung eine entsprechende Begünstigung beabsichtigt war, nämlich diese Besteuerungszeiträume endgültig keiner Außenprüfung mehr zu unterziehen (BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 65/88, BFHE 158, 114, BStBl II 1990, 2, 3). Ob dies der Fall war, ist durch Auslegung des aufhebenden Verwaltungsakts nach den für öffentlich-rechtliche Willenserklärungen geltenden Grundsätzen zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146, m.w.N.; BFH-Beschluß vom 29. Juli 1992 IV B 44/91, BFH/NV 1993, 2, 3). Entscheidend ist, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben verstehen konnte. Zu der Auslegung ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG hierfür ausreichen (BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120 m.w.N.).
Unbeschadet der Frage, ob dem Rücknahme-Verwaltungsakt unmittelbar ein derart weitreichender Regelungsinhalt entnommen werden kann, hat es die Rechtsprechung für möglich angesehen, daß eine Bindungswirkung hinsichtlich des ersten Rücknahmeakts entstehen kann (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1991 I R 66/90, BFHE 166, 490, BStBl II 1992, 595; vom 24. August 1989 IV R 65/88, BFHE 158, 114, BStBl II 1990, 2; vom 16. März 1989 IV R 6/88, BFH/NV 1990, 139; vom 25. Juli 1986 VI R 216/83, BFHE 147, 215, BStBl II 1986, 779; zustimmend Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 130 AO 1977 Tz. 14; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, Kommentar, § 130 Tz. 3a, 3c).
Wie der VII.Senat (Beschluß vom 18. Februar 1992 VII B 237/91, BFH/NV 1992, 639, 640) ausgeführt hat, knüpfen beide Alternativen an einen beim Adressaten begründeten Vertrauenstatbestand an. Ein solcher Vertrauensschutz wird insbesondere verneint, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsakts wegen formeller Mängel erfolgt (BFHE 158, 114, BStBl II 1990, 2 - unrichtige Adressierung -; BFH/NV 1992, 639 - fehlende Begründung der Ermessensentscheidung -; BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146 - unrichtige Rechtsgrundlage der Prüfungsanordnung -; BFHE 166, 490, BStBl II 1992, 592 - Formfehler -; BFH-Urteile vom 16. März 1989 IV R 6/88, BFH/NV 1990, 139 - verspätete Bekanntgabe der Prüfungsanordnung -; vom 20. Oktober 1988 IV R 104/86, BFHE 155, 4, BStBl II 1989, 180; vom 26. November 1986 I R 256/83, BFH/NV 1988, 82 - Fehlen der Ermessensbegründung -; vom 27. November 1984 VIII R 376/83, BFH/NV 1985, 13 - kein Freistellungsbescheid -).
b) Im Streitfall hat das FG zu Recht Vertrauensschutz begründende Umstände, die dem Erlaß der Erweiterungsanordnung entgegenstehen könnten, verneint.
Die Beschwerde gegen die Prüfungsanordnung vom 28. März 1989 richtete sich ausschließlich gegen den an die unzutreffende Einstufung des klägerischen Unternehmens als Großbetrieb - vgl. § 4 Abs. 2 BpO(St) - anknüpfenden fünfjährigen Prüfungszeitraum (vgl. Schreiben der Klägerin vom 22. Juni 1989). Soweit das FA mit Schreiben vom 8. Juli 1989 die Prüfungsanordnung zeitlich einschränkte, entsprach es für die steuerlich fachkundig vertretene Klägerin ganz offensichtlich diesem Beschwerdegrund. Es gab keinerlei konkreten Anhaltspunkt und auch die Klägerin hat keinen solchen genannt, aus dem sie einen generellen Prüfungsverzicht des FA hätte entnehmen können.
Der Inhalt einer Regelung ergibt sich aus dem Ausspruch des Verwaltungsaktes (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463). Zur Bestimmung des Inhalts eines insoweit nicht eindeutigen Ausspruchs sind allerdings die Gründe und die sonstigen Umstände mit heranzuziehen, wie der Adressat die Entscheidung verstehen durfte und mußte (BFH-Urteil vom 14. März 1990 X R 104/88, BFHE 160, 207, BStBl II 1990, 612).
2. Die erweiterte Prüfungsanordnung vom 8. August 1989 ist auch im übrigen weder aus verfahrens- noch aus materiell-rechtlichen Gründen rechtlich zu beanstanden.
a) Nach § 193 Abs. 1 AO 1977 ist eine Außenprüfung bei Steuerpflichtigen, die - wie die Klägerin - einen gewerblichen Betrieb im Prüfungszeitraum unterhalten haben, ohne weitere Voraussetzungen zulässig (BFH-Urteile vom 10. April 1990 VIII R 415/83, BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 723; vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, 5).
Die gesetzliche Regelung geht davon aus, daß die Heranziehung der dort genannten Steuerpflichtigen zu einer routinemäßigen Außenprüfung in aller Regel ermessensgerecht ist, es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörde vor (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 60/91, BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, 84 m.w.N.).
Grundsätzlich kann das FA auch die zu prüfenden Besteuerungszeiträume nach seinem Ermessen festlegen (vgl. §§ 196, 194 Abs. 1 Satz 2 AO 1977; BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721, 723, m.w.N.).
Angesichts ihrer begrenzten sachlichen und personellen Mittel sind die Finanzbehörden allerdings aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, von dieser Ermächtigung zur umfassenden Prüfung in gleicher Weise Gebrauch zu machen. Sie müssen deshalb unter den zu prüfenden Betrieben eine Auswahl treffen (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1992 IV R 47/91, BFH/NV 1993, 149; BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, 5, zum Anspruch auf fehlerfreie Ermessensaus-übung; vom 30. Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 273; vom 23. Juli 1985 VIII R 197/84, BFHE 144, 9, BStBl II 1986, 36).
Die Finanzverwaltung hat dieses Auswahlermessen in der für den Streitfall maßgebenden BpO(St) vom 17. Dezember 1987 (BStBl I, 802) dahingehend ausgeübt, daß Großbetriebe grundsätzlich lückenlos (§ 4 Abs. 2 Satz 1), andere Betriebe hingegen in aller Regel nur für einen Zeitraum von 3 Jahren geprüft werden (§ 4 Abs. 3 Satz 1), vorbehaltlich der in Satz 2 genannten Sonderregelungen. Diese Selbstbeschränkung ihres Ermessens durch die Finanzverwaltung ist nach bisheriger Rechtsprechung auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (BFHE 160, 409, BStBl II 1990, 721; BFH/NV 1993, 149; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 13. September 1978 1 BvR 499/78, Höchstricherliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1979, 203; a.A. neuerdings der X.Senat im Urteil vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220, und der I.Senat im Urteil vom 8. April 1992 I R 85/89, BFH/NV 1993, 73).
Nach § 4 Abs. 3 BpO(St) soll bei anderen Betrieben als Großbetrieben die Prüfung nicht über die letzten drei Besteuerungszeiträume ausgedehnt werden, für welche vor Bekanntgabe der Prüfungsanordnung - § 4 Abs. 4 BpO(St) - Steuererklärungen für die Ertragsteuern abgegeben worden sind.
Eine Ausnahme hiervon ist u.a. für den Fall vorgesehen, daß mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen bzw. Steuererstattungen zu rechnen ist - § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO(St) -. Diese Merkmale begrenzen den Ermessensspielraum des FA. Ob sie vorliegen, kann das FG überprüfen (BFH-Urteil vom 28. April 1988 IV R106/86, BFHE 153, 210, BStBl II 1988, 857). Ein für alle Fälle maßgebender Mindestbetrag läßt sich zwar nicht festlegen. Jedoch ist für die Verhältnisse eines Mittelbetriebes ein Betrag von 3000 DM, der als Steuernachforderung aus sämtlichen Steuerarten eines Veranlagungzeitraums zu erwarten ist, als ein geeigneter Anhaltspunkt angesehen worden (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 1988 IV R 199/85, BFH/NV 1989, 548; vom 24. Februar 1989 III R 36/88, BFHE 156, 54, BStBl II 1989, 445).
Ob mit einem Betrag in dieser Höhe zu rechnen war, beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Anordnung der Erweiterung des Prüfungszeitraums bzw. der Beschwerdeentscheidung (§ 368 Abs. 2 Satz 2 AO 1977; BFH-Urteil in BFHE 153, 210, BStBl II 1988, 857). Sie müssen die Prognose wahrscheinlich machen, daß sich solche Nachforderungen ergeben werden. Es müssen mehr Umstände für als gegen die Annahme nicht unerheblicher Steuernachforderungen sprechen. Bloße Vermutungen oder die schlichte Möglichkeit von Mehrsteuern genügen nicht (Urteile in BFHE 153, 210, BStBl II 1988, 857; vom 1. August 1984 I R 138/80, BFHE 142, 198, BStBl II 1985, 350 m.w.N.; in BFHE 156, 54, BStBl II 1989, 445; vom 23. Juli 1985 VIII R 48/85, BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433).
Mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen kann auch zu rechnen sein, wenn bereits die Prüfung des eingeschränkten Prüfungszeitraums nicht unerhebliche Steuernachforderungen ergeben hat und nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu erwarten ist, daß sich ähnliche Ergebnisse auch in den davor liegenden Besteuerungszeiträumen einstellen werden (BFHE 142, 198, BStBl II 1985, 350; Urteil vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286).
In diesem Rahmen können alle sonstigen für die Besteuerung wesentlichen Umstände - auch außerbetriebliche Umstände - mitgeprüft werden (BFHE 142, 198, BStBl II 1985, 350; Urteil vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208).
§ 4 Abs. 3 BpO(St) besagt nicht, wie das FA die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Erweiterung festzustellen und zu begründen hat. Die Umstände müssen nicht ausschließlich erst im Zuge der laufenden Außenprüfung festgestellt werden. Unbedenklich kann die Ausdehnung des Prüfungszeitraums auf sich bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Anordnung aus den Akten ergebende Anhaltspunkte gestützt werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 45/84, BFH/NV 1990, 455; ferner Urteil vom 11. April 1990 I R 167/86, BFHE 160, 504, BStBl II 1990, 772, 773). Insbesondere kann nicht eingewendet werden, das FA hätte diese Anhaltspunkte bereits bei der Durchführung der Veranlagung zum Anlaß einer eingehenderen Prüfung nehmen müssen. Es ist - wie das FG zu Recht feststellt - gerade die Aufgabe der Außenprüfung, im nachhinein eine gründlichere Überprüfung vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1972 I R 236/70, BFHE 107, 179, BStBl II 1973, 74 m.w.N.). Dementsprechend wird eine Außenprüfung sogar bei vorbehaltlosen Steuerfestsetzungen für zulässig angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4, 7).
b) Danach durfte das FA insbesondere auf die im Rahmen der Veranlagung durch Schreiben vom 16. Februar 1987 betreffend Vorauszahlungsbescheid für A und dessen Ehefrau bekanntgegebenen Umstände der nicht als Betriebsausgaben abzugsfähigen privaten Kfz-Nutzungen zurückgreifen, zumal nach den zwischenzeitlichen Feststellungen des Prüfers für die Jahre 1985 bis 1987 auch für die Vorjahre mit beträchtlichen Gewinnzurechnungen zu rechnen war.
Ebenso konnte das FA die nicht bei der KG, sondern einer anderen Grundstücks-GbR anzusetzenden Verwaltungskosten im Rahmen der Prognose berücksichtigen, ob mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen war. Die Einwendungen der Klägerin, die Gewinne der GbR würden sich im Gegenzug entsprechend mindern, lassen außer acht, daß allein die KG Prüfungsobjekt ist. Ihre steuerlichen Verhältnisse sind für die steuerlichen Auswirkungen einer Erweiterungsprüfung maßgebend. Andernfalls blieben derartige, wegen der Verschiedenheit der Steuersubjekte gerade besonders prüfungswürdigen Abgrenzungsfragen der Ermittlung mit dem bloßen Hinweis eines rechnerischen Ausgleichs entzogen.
Bereits die vom FA als wahrscheinlich angesehenen Mehrbeträge erfüllten das Merkmal nicht unerheblicher Steuernachforderungen. Die in die Gesamtbetrachtung von der OFD einbezogenen zusätzlichen Sachverhalte erhärten die der Erweiterungsanordnung zugrunde gelegte Prognose nicht unerheblicher steuerlicher Mehrforderungen.
c) Der Senat läßt dahingestellt, ob dem Steuerpflichtigen nicht - entgegen der Auffassung des FG - zumindest in den durch § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO(St) geregelten Sonderfällen einer Erweiterungs-Prüfungsanordnung ein Anhörungsrecht nach § 91 Abs. 1 AO 1977 zusteht. Die Rüge der Verletzung des Anhörungsrechts im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren über eine Ermessensentscheidung der Verwaltung kann nämlich nur dann zum Erfolg führen, wenn der Steuerpflichtige darlegt, daß die Rechtsbehelfsentscheidung anders ausgefallen wäre, falls er Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätte (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1978 VII R 98/77, BFHE 126, 384, 390, BStBl II 1979, 170; zust. Klein/Orlopp, a.a.O., 4. Aufl., § 91 Anm. 4). Insoweit hat die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die die Prognoseentscheidung des FA in Zweifel ziehen könnten, sondern lediglich die Verwertbarkeit aus rechtlichen Gründen in Zweifel gezogen, weil diese Gründe bereits im Zeitpunkt der Einschränkung der Prüfungsanordnung vom 28. März 1989 aus den Akten bekannt gewesen seien.
d) Die Begründung der Erweiterungsanordnung in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Eine nachgeholte Begründung in der Rechtsbehelfsentscheidung reicht grundsätzlich aus (BFH-Urteil in BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146).
Nach § 121 Abs. 1 AO 1977 ist ein schriftlicher Verwaltungsakt zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung genügt bei routinemäßigen Außenprüfungen der bloße Hinweis auf die Rechtsgrundlage in § 193 Abs. 1 AO 1977 (vgl. BFH/NV 1993, 149 m.w.N.; zustimmend BVerfG-Beschluß vom 8. März 1985 1 BvR 93/85, HFR 1986, 258). Will das FA den Prüfungszeitraum über die für Mittelbetriebe regelmäßig vorgesehene Zeitgrenze hinaus verlängern, so muß die Anordnung so begründet werden, daß das FG in der Lage ist, seiner gerichtlichen Ermessenskontrolle (vgl. § 102 FGO) nachzukommen (BFH/NV 1990, 548, 550; vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1986 VIII R 123/86, BFHE 148, 426, BStBl II 1987, 248).
Wird die Ausdehnung des Prüfungszeitraums im Hinblick auf die Erwartung nicht unerheblicher Steuernachforderungen vorgenommen, so muß die erforderliche Zukunftsprognose - wie ausgeführt - auf Tatsachen gestützt werden. Diese Gesichtspunkte bestimmen und begrenzen die Anforderungen an den Begründungszwang des FA (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1978 I R 131/75, BFHE 126, 379, BStBl II 1979, 162). Indessen sind auch in diesem Fall die konkreten Ermessenserwägungen nicht im einzelnen darzustellen. Wird der Prüfungszeitraum - wie im Streifall - im Rahmen einer Routineprüfung erweitert, so wird die mit der Durchführung der Außenprüfung verbundene generelle Belastung nicht wesentlich erhöht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 156, 54, BStBl II 1989, 445, 446).
Die Beschwerdeentscheidung gibt die im übrigen vollständig aus der Sphäre der Klägerin stammenden und ihr bekannten Gründe in schlüssiger und insbesondere für die steuerlich beratene Klägerin nachvollziehbarer Weise an. Ein Widerspruch der Begründung läßt sich nicht daraus ableiten, daß einerseits auf das - ohnehin nur im Steuerverfahren eines Gesellschafters verfaßte Schreiben vom 16. Februar 1987 Bezug genommen wird, zum anderen auf die bis zu diesem Zeitpunkt bereits getroffenen Feststellungen des Prüfers für die Kalenderjahre 1985 bis 1987.
e) Anhaltspunkte für ein willkürliches, schikanöses oder unverhältnismäßiges Verhalten der Finanzbehörde sind weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 149; in BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, 84 m.w.N.).
3. Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob er sich der gewandelten rechtlichen Würdigung des Auswahlermessens nach § 193 Abs. 1 AO 1977 durch den X.Senat anschließen könnte (BFH-Urteile in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220; in BFHE 166, 414, BStBl II 1992, 274, und in BFH/NV 1992, 289, ferner Urteil in BFH/NV 1993, 73; kritisch Gosch in Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1992, 119ff.). Denn im Streitfall sind die in ständiger Rechtsprechung gestellten gesteigerten Anforderungen an eine Erweiterungs-Prüfungsanordnung erfüllt.
Sollte durch § 193 Abs. 1 AO 1977 ein Auswahlermessen allein im öffentlichen und nicht zugleich auch im privaten Interesse eingeräumt sein, stünde dem Steuerpflichtigen kein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zu. § 4 Abs. 2 und 3 BpO(St) entfaltete keine nach außen wirksame Selbstbeschränkung des Ermessens. Eine Begrenzung des Prüfungszeitraums für Mittel- und Kleinbetriebe ließe sich weder § 193 Abs. 1 AO 1977 noch der - dann unverbindlichen - BpO(St) entnehmen. Auch für die Anordnung einer sog. Erweiterungsprüfung genügte zur Begründung die bloße Bezugnahme auf § 193 Abs. 1 AO 1977.
4. Die Sachaufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 FGO) ist nicht in zulässiger Weise erhoben worden (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Ausgehend von dem insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG (BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621) kam es für die Rechtmäßigkeit der Erweiterungsanordnung vom 8. August 1989 nicht darauf an, ob die von der Finanzbehörde genannten Gründe neu bzw. endgültig festgestellt waren. Im übrigen fehlt jegliche Angabe, welche bestimmten Akten das FG hätte beiziehen sollen bzw. welche weiteren konkreten Beweismaßnahmen noch hätten ergriffen werden sollen und welches Ergebnis eine Beiziehung der Akten bzw. eine Beweisaufnahme erbracht hätte (vgl. Ruban/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Tz. 40).
5. Die Revision war danach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64515 |
BFH/NV 1994, 677 |