Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Ermittlung des privaten Nutzungsanteils bei betrieblichen Personenkraftwagen.

 

Normenkette

AO §§ 171, 217; EStG § 4 Abs. 4, § 6/4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit ein Lebensmitteleinzelhändler Aufwendungen für einen Personenkraftwagen (PKW) als Betriebsausgaben absetzen kann.

Der Beschwerdegegner (Bg.) kaufte im Jahre 1948 einen gebrauchten Mercedes 170 für 4.500 DM. Im Jahre 1950 machte er eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von 1.500 DM und Autokosten von 1.554 DM als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt bestritt, daß der PKW aus betrieblichen Gründen gehalten werde, erkannte aber von den Gesamtkosten 500 DM als Betriebsausgaben an, weil der Wagen gelegentlich auch zu betrieblichen Fahrten benutzt werde.

Das Finanzgericht gab grundsätzlich der Berufung statt und begründete seine Entscheidung wie folgt: Der Bg. habe den PKW im wesentlichen zu betrieblichen Zwecken angeschafft. Das Finanzamt würde nach seiner Erklärung, wenn der Bg. einen Lieferwagen angeschafft hätte, einen solchen als betriebsnotwendig anerkannt haben. Es könne demnach davon ausgegangen werden, daß für den Betrieb ein Kraftfahrzeug erforderlich gewesen sei. Für die Anschaffung des PKW sei nicht das private Bedürfnis des Bg. maßgebend gewesen. Er habe als Zugezogener mit scharfer Konkurrenz am Ort rechnen müssen. Er habe den PKW benutzt, um günstiger einkaufen zu können. Einen Lieferwagen habe er nicht angeschafft, weil die Anschaffungskosten höher und die Betriebskosten nicht geringer gewesen sein würden. Andererseits sei ein PKW schneller. Der benutzte Anhänger reiche für den Einkauf. Im Jahre 1948 habe der Bg. auch keine große Auswahl an Fahrzeugen gehabt. Zwar brauche nicht jeder Kolonialwarenhändler einen PKW für seinen Betrieb; der Bg. habe aber jedenfalls den PKW in erster Linie aus betrieblichen Gründen angeschafft. Die festen Kosten (AfA, Kraftfahrzeugsteuer, Versicherung, Garagenmiete) in Höhe von 2.344 DM seien voll als Betriebsausgaben anzuerkennen. Die laufenden Betriebskosten von 710 DM seien schätzungsweise zu 80 v. H. betrieblich und zu 20 v. H. privat veranlaßt.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich der Vorsteher des Finanzamts dagegen, daß der private Nutzungsanteil nur mit 20 v. H. angesetzt und die festen Kosten nicht in die Verteilung einbezogen worden seien. Er führt im einzelnen aus, nach den Benzinkosten (710 DM) könnten im Jahre 1950 höchstens 8100 km gefahren worden sein. Da bei einer Fahrt nach Hamburg allein 1200 km abgefahren würden, ergebe sich für die verbleibenden 6900 km eine durchschnittliche Wegstrecke von 25 km täglich. Die betriebliche Benutzung könne also nicht erheblich gewesen sein. Hätte ein betriebliches Nutzungsbedürfnis bestanden, so wäre ein Lieferwagen angeschafft worden. Auch die Art des beschafften Wagens (1948 gebrauchter Mercedes 170, seit 1951 neuer Opel- Olympia) spreche für die private Anschaffung. Das Finanzgericht habe die Erklärung des Finanzamts, daß ein Lieferwagen als betriebsnotwendig anerkannt worden wäre, fälschlich dahin verstanden, daß an sich ein Kraftfahrzeug notwendig gewesen sei.

Der Bg. führt demgegenüber aus, der private Nutzungsanteil habe unter 10 v. H. gelegen. Bis Mai 1950 habe ein Sonntagsfahrverbot bestanden; bis zum 1. April 1951 sei das Benzin bewirtschaftet gewesen. Der Umstand, daß er amtlich Benzinmarken erhalten habe, spreche für die Betriebsnotwendigkeit des PKW. übrigens seien für II/1948 und 1949 die Autokosten als Betriebsausgaben anerkannt worden. Die vom Finanzamt gemachte km-Berechnung sei unrichtig, weil dabei ein Benzinpreis von 0,73 DM je Liter zugrunde gelegt worden sei, während der Preis im Jahre 1950 tatsächlich 0,55 DM bzw. 0,60 DM betragen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Auffassung des Finanzgerichts, daß bei der Ermittlung des privaten Nutzungsanteils eines betrieblichen PKW nur die beweglichen, nicht auch die festen Kosten in die Verteilung einzubeziehen seien, widerspricht den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 536/52 U vom 9. Oktober 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 337). Die Vorentscheidung ist aus diesem Grunde aufzuheben.

Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das folgendes zu beachten hat: Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1950). Nach ständiger Rechtsprechung entscheidet grundsätzlich der Unternehmer nach freiem Ermessen, ob und welche Aufwendungen er im betrieblichen Interesse machen will; es kommt nicht darauf an, ob sie objektiv notwendig oder üblich sind. Auf die Einschränkung, die § 4 Abs. 4 in den Sätzen 2 und 3 durch das Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I S. 413; BStBl. I S. 192) erfahren hat, braucht in diesem Falle nicht eingegangen zu werden, da sie erst ab 26. Juni 1953 gilt (§ 52 Abs. 2 EStG 1953.)

Eine Aufwendung ist aber nur Betriebsausgabe, wenn und soweit sie mit dem Betrieb zusammenhängt. Aufwendungen für die private Lebensführung dürfen den steuerlichen Gewinn nicht mindern (§ 12 Ziff. 1 EStG). Ob eine Aufwendung ganz oder teilweise durch den Betrieb oder die private Lebensführung veranlaßt ist, müssen die Finanzbehörden im Einzelfall feststellen. Der Steuerpflichtige kann sich, soweit die Abgrenzung betrieblicher oder privater Aufwendungen in Frage steht, nicht auf sein Ermessen in der Betriebsgestaltung berufen; denn die private Lebenshaltung steht außerhalb des Betriebs. In einem solchen Falle muß der Steuerpflichtige, soweit es ihm möglich und zumutbar ist, den Finanzbehörden durch Anführung von Tatsachen den Zusammenhang der Ausgabe mit dem Betrieb dartun. Das gilt insbesondere, wenn nach der Lebenserfahrung Ausgaben der in Frage stehenden Art ganz oder teilweise oft im privaten Interesse gemacht werden. Ist eine Ausgabe gleichzeitig aus betrieblichen und privaten Gründen gemacht, so sind, wenn eine andere Aufteilung nicht möglich ist, der betriebliche und der private Teil unter Berücksichtigung aller Umstände zu schätzen (§ 217 der Reichsabgabenordnung - AO -).

Diese Grundsätze gelten insbesondere auch bei der Abgrenzung des betrieblichen und privaten Nutzungsanteils eines PKW. Betriebliche Kraftfahrzeuge werden in erheblichem Umfange privat genutzt, wie der Augenschein in Kur- und Ferienorten, vor Theatern, Sportplätzen, Vergnügungsstätten und der lebhafte Verkehr an Sonn- und Feiertagen sowie zum Wochenende zeigen. Zur Abgrenzung zwischen den Kosten der betrieblichen Nutzung (Betriebsausgaben) und der privaten Nutzung (Kosten der Lebensführung) können die Finanzämter von den Steuerpflichtigen im Rahmen des Zumutbaren geeignete Nachweise verlangen (§ 171 AO). Viele Steuerpflichtige bagatellisieren den privaten Nutzungsanteil und beschränken sich zur Begründung auf allgemeine Behauptungen. Ob, in welchem Umfang und in welcher Form die Finanzämter einen Nachweis verlangen können, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Ist nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen, dem Typ des angeschafften PKW oder nach anderen Umständen zu vermuten, daß die private Nutzung erheblich ist, so sind an die Darlegungspflicht der Steuerpflichtigen höhere Anforderungen als sonst zu stellen. Bei einem Handelsvertreter z. B., der zum Aufsuchen der Kunden einen kleinen PKW benutzt und oft die ganze Woche unterwegs ist, wird die private Nutzung in der Regel nur unerheblich sein. Schafft dagegen ein Gewerbetreibender, der üblicherweise weder Waren heranschafft noch Kunden aufsucht, einen PKW an, so wird gewöhnlich der private Nutzungsanteil höher anzunehmen sein. Behaupten solche Steuerpflichtigen, daß entgegen der Lebenserfahrung bei ihnen der Wagen nicht oder nur geringfügig privat benutzt worden sei, so trifft sie eine erhöhte Nachweispflicht. Das gilt vor allem auch, wenn teurere Kraftwagen angeschafft werden. In diesem Falle ist in der Regel zu vermuten, daß der PKW von vornherein in der Absicht angeschafft wurde, ihn in größerem Umfange privat zu nutzen. Behauptet ein Steuerpflichtiger, daß es bei ihm anders liege, so hat er es darzutun.

Im vorliegenden Falle behauptet der Bg., eine private Nutzung von weniger als 10 v. H.; das Finanzgericht nimmt 20 v. H. an; das Finanzamt ist der Auffassung, daß der PKW überwiegend privat und nur gelegentlich zu Betriebsfahrten benutzt worden sei. Im allgemeinen benötigen Lebensmittelhändler mit offenem Ladengeschäft keinen PKW, weil ihnen von den Lieferanten die Waren zugefahren werden und die Kunden die Waren im Geschäft abholen. Ist nach dem Geschäftsaufbau im Einzelfall die Heranschaffung von Waren oder die Belieferung von Kunden mit einem Kraftfahrzeug wesentlich, so wird gewöhnlich ein Lieferwagen angeschafft. Stellt statt dessen ein Lebensmitteleinzelhändler einen PKW ein, so spricht die Lebenserfahrung dafür, daß schon bei der Anschaffung beabsichtigt war, den Wagen in größerem Umfange privat zu benutzen. Behauptet er demgegenüber, daß er den Wagen nicht oder nur unerheblich privat genutzt habe, so trifft ihn eine erhöhte Nachweispflicht. Er kann sich nicht auf allgemeine Behauptungen beschränken, z. B., daß er mit scharfer Konkurrenz habe rechnen müssen, daß ein PKW billiger oder zweckmäßiger gewesen sei als ein Lieferwagen, daß ein Fahrtverbot für Privatfahrten bestanden habe oder ihm Benzinmarken nur für Betriebsfahrten zugeteilt worden seien. Die Fahrtbeschränkungen konnten in der damaligen Zeit erfahrungsgemäß leicht umgangen werden. Der Behauptung des Bg., daß er den Kraftwagen ein- bis zweimal im Jahr für Fahrten nach Hamburg zu Einkäufen benötigt habe, hätte das Finanzgericht näher nachgehen sollen. Mit einem PKW und einem kleinen Anhänger können nur so geringe Warenmengen herangeschafft werden, daß die Anschaffung und Unterhaltung eines PKW für einen solchen Zweck unwirtschaftlich wäre. Es leuchtet auch nicht ein, warum die Bg. unter den geordneten Verhältnissen des Jahres 1950 selbst Waren von Hamburg heranschaffen mußte. Jedenfalls hätte das Finanzgericht sich näher darlegen lassen sollen, wann und was der Bg. in Hamburg eingekauft hat und warum er als wirtschaftlich rechnender Kaufmann den hohen Aufwand für einen offenbar unverhältnismäßig geringen Ertrag machte. Ebenso brauchten im Jahre 1950 im allgemeinen Lebensmitteleinzelhändler in der näheren oder weiteren Umgebung ihres Wohnorts keine Waren einzukaufen und sie heranzuschaffen. Ein solches Verfahren wäre in der Regel unwirtschaftlich gewesen. Das Finanzgericht hätte jedenfalls näher prüfen und vom Bg. verlangen sollen, daß er an Hand der Einkaufsrechnungen darlege, wann und was er in der näheren und weiteren Umgebung seines Wohnortes eingekauft hat. Im allgemeinen bringen auch Lebensmitteleinzelhändler ihren Kunden die eingekauften Waren nicht ins Haus, es sei denn, daß es sich um größere Dauerkunden handelt. Es ist dem Bg. zuzumuten, daß er näher darlegt, welchen Kunden er laufend die Waren ins Haus gebracht hat.

Das Finanzgericht mißversteht die äußerung des Finanzamts, daß die Anschaffung eines Lieferwagens steuerlich anerkannt worden wäre. In einem solchen Fall wäre offenbar der betriebliche Anlaß der Anschaffung für das Finanzamt klar gewesen. Das Finanzgericht kann aber daraus keineswegs schließen, daß nach Auffassung des Finanzamts auch ein PKW betriebsnotwendig gewesen sei.

Ein genauer zahlenmäßiger Nachweis der betrieblich abgefahrenen Kilometer ist kaum möglich, da der Bg. offenbar kein Fahrtenbuch geführt hat. Das Finanzgericht kann aber, nachdem der Bg. die ihm zuzumutenden vorstehend erwähnten näheren Darlegungen gemacht hat, die betrieblich abgefahrenen Kilometer einigermaßen zuverlässig schätzen und kann sie mit der Gesamt-Kilometerzahl vergleichen, die durch den km-Messer ausgewiesen wird. Es kann die insgesamt abgefahrenen Kilometer auch notfalls schätzungsweise auf der Grundlage des behaupteten Benzinverbrauchs ermitteln.

Der Umstand, daß die Autokosten für II/1948 und 1949 anerkannt worden sind, hindert jedenfalls das Finanzamt nicht, für 1950 eine andere Auffassung zu vertreten, zumal im Jahre 1950 die Wirtschaftsverhältnisse sich schon weithin normalisiert hatten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408045

BStBl III 1954, 358

BFHE 1955, 383

BFHE 59, 383

BB 1954, 1020

DB 1954, 966

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