Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat verbleibt bei der im Urteil IV 60/55 U vom 28. März 1957 (BFH 64, 514, BStBl III 1957, 192) vertretenen Auffassung, daß die Steuervergünstigung für Landarbeiterwohnungen nur insoweit in Anspruch genommen werden kann, als die Wohnungen von im Betrieb des Landwirts tätigen Landarbeitern tatsächlich benutzt werden.

Sind für landwirtschaftliche Betriebsgebäude mit Landarbeiterwohnungen die Voraussetzungen des § 7 b EStG erfüllt, so kann die erhöhte AfA nach § 7 b EStG für den Teil der Herstellungskosten in Anspruch genommen werden, für den die Vergünstigung nach Maßgabe der Verordnung über die Steuerbegünstigung zur Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungen nicht gewährt werden kann, weil in den Wohnungen keine im Betrieb tätigen Landarbeiter wohnen.

EStG § 7 b; Verordnung über die Steuerbegünstigung zur Förderung des Baues von

 

Normenkette

EStG § 7b; LandarbVO 1b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Revisionskläger (Steuerpflichtige) - Stpfl. -), der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Vermögensvergleich ermittelte, bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer 1953 bis 1956 die Steuervergünstigung nach der Verordnung über die Steuervergünstigungen zur Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungen in der Fassung vom 27. Januar 1953 (BStBl I S. 61) in Anspruch nehmen kann.

Der Stpfl. errichtete im Wirtschaftsjahr 1953/54 ein landwirtschaftliches Betriebsgebäude mit vier Wohnungen für Landarbeiter. Die Herstellungskosten betrugen 58.188 DM. Nachdem das Finanzamt (FA) dem Antrag des Stpfl. auf Gewährung der genannten Steuervergünstigung gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung zunächst stattgegeben hatte, schränkte es in Berichtigungsveranlagungen auf Grund einer im Jahr 1958 durchgeführten Betriebsprüfung die Vergünstigungen ein. Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers wurden nur die beiden im Erdgeschoß gelegenen Wohnungen sowie ein Zimmer der beiden im Dachgeschoß untergebrachten Wohnungen von zwei Landarbeiterfamilien bewohnt. Die übrigen Räume hatten nach der Feststellung des Betriebsprüfers von Anfang an leergestanden. Die Vergünstigung wurde nunmehr auf den Teil der Herstellungskosten beschränkt, der den von den beiden Landarbeiterfamilien in Anspruch genommenen Wohnräumen entsprach.

Auf den Einspruch des Stpfl. gab der Steuerausschuss diesem recht. Er folgte dessen Auflassung, daß es genüge, daß die oberen Wohnungen für Landarbeiter vorgesehen gewesen seien. Das um so mehr, als sich schon kurz nach der Vermietung an die beiden Landarbeiterfamilien herausgestellt habe, daß diese mit ihren jeweils fünfköpfigen Familien später zusätzliche Räume der oberen Wohnungen benötigten. Es habe dem Stpfl. nicht zugemutet werden können, diese Wohnungen dann weiter zu vermieten, weil er habe befürchten müssen, dann alle Landarbeiterfamilien wegen Platzmangels zu verlieren.

Die Berufung des Vorstehers des FA gegen die Entscheidung des Steuerausschusses hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung sei gemäß § 3 der Verordnung, daß es sich um Wohnungen für Landarbeiter handele, die im Betrieb des Stpfl. tätig sind. Diese Voraussetzungen hätten für das vom Stpfl. errichtete Wohngebäude in den Streitjahren nur zum Teil vorgelegen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung müsse davon ausgegangen werden, daß in den Streitjahren lediglich die beiden Erdgeschoßwohnungen und ein Zimmer der einen Dachgeschoßwohnung von den beiden im Hause untergebrachten Landarbeiterfamilien benützt worden seien. Bei dieser Sachlage könne die Steuervergünstigung nur anteilsmäßig für die beiden Erdgeschoßwohnungen und einen Raum im Dachgeschoß gewährt werden. Die nur objektive Bestimmung der Wohnungen zur Unterbringung von Landarbeitern genüge nicht zur Inanspruchnahme der Steuervergünstigung. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) IV 60/55 U vom 28. März 1957 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 64 S. 514 - BFH 64, 514 -, BStBl III 1957, 192) müßten die Wohnräume nach ihrer Fertigstellung für die Dauer des Begünstigungszeitraums tatsächlich von Landarbeitern bewohnt oder benutzt werden, die im Betrieb des Stpfl. tätig sind. Für diese Auslegung spreche auch der Wortlaut und der daraus erkennbare Sinn und Zweck der Vorschrift, die es ermöglichen solle, in landwirtschaftlichen Betrieben tätige Landarbeiter durch die Schaffung von Wohnraum seßhaft zu machen und an den Betrieb zu binden. Zwar schließe der Wortlaut der Vorschrift nicht aus, auch solche Wohnungen zu begünstigen, durch deren Errichtung die Einstellung ständiger landwirtschaftlicher Arbeitskräfte erst ermöglicht werden solle. Die Einstellung dieser Arbeitskräfte und ihre Unterbringung müsse aber im Begünstigungszeitraum erfolgen. Wohnungen und Teile von ihnen, die im Jahr der Herstellung und in den beiden folgenden Jahren leerstünden, könnten nicht begünstigt werden. Soweit hiernach die Begünstigung nach der Verordnung nicht in Frage komme, könnten auch die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) des § 7 b EStG nicht gewährt werden. Die Inanspruchnahme dieser Steuervergünstigung werde durch § 1 b der Verordnung ausgeschlossen. § 7 b EStG könne nicht für einen Teil eines Gebäudes gewährt werden, es sei denn, es handle sich um Zubauten, Ausbauten oder Umbauten, die nach § 7 b Abs. 2 EStG 1953 begünstigt seien. Gegen die Aufteilung der Herstellungskosten auf begünstigte und nichtbegünstigte seien keine Einwendungen zu erheben.

 

Entscheidungsgründe

Die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. des Stpfl. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

Dem FG ist zu folgen, wenn es unter Berufung auf das Urteil des Senats IV 60/55 U davon ausging, daß die Vergünstigung nur zugebilligt werden kann, wenn und soweit im Betrieb des Landwirts tätige Landarbeiter die Wohnräume der als Landarbeiterwohnungen dienenden landwirtschaftlichen Betriebsgebäude tatsächlich bewohnen. Die Wohnräume, für deren Herstellungskosten die Abschreibungsfreiheit begehrt wird, müssen nach ihrer Fertigstellung Landarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Diese Voraussetzung kann je nach Lage der Verhältnisse des Einzelfalles auch als erfüllt angesehen werden, wenn in der Zurverfügungstellung Verzögerungen eintreten. Es muß aber auch bei einer großzügigen Beurteilung die Wohnung spätestens im letzten Jahr des dreijährigen Vergünstigungszeitraums tatsächlich von Landarbeitern bezogen worden sein. Diese Auslegung ergibt sich daraus, daß die Landarbeiter in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Stpfl. tätig sein müssen (§ 3 Abs. 1 der Verordnung). Ist diese letzte Voraussetzung erfüllt, dann ist nicht einzusehen, warum - von Ausnahmefällen besonderer Art abgesehen - nicht darauf bestanden werden sollte, daß die Wohnungen bzw. Wohnräume von diesen Landarbeitern auch tatsächlich bewohnt werden. Mit Recht weist das FG auch auf den Sinn und Zweck der Vergünstigungsverordnung hin, der darin besteht, Landarbeiter in den Betrieben ihrer Arbeitgeber seßhaft zu machen und diesen für längere Zeit zu verbinden. Dieser Zweck kann nicht dadurch erreicht werden, daß lediglich Landarbeiterwohnungen, die objektiv zur Bewohnung durch Landarbeiter geeignet sind, errichtet werden. Dazu ist es vielmehr auch erforderlich, daß die seßhaft zu machenden Landarbeiter tatsächlich darin wohnen. Andernfalls ist auch nicht abzusehen, auf welche Weise überhaupt festgestellt werden soll, ob in den drei in Betracht kommenden Begünstigungszeiträumen (Herstellungsjahr und die beiden darauf folgenden Wirtschaftsjahre) die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vergünstigung tatsächlich erfüllt sind.

Hiervon ausgehend war der Revision der Erfolg zu versagen. Denn das FG konnte in seiner Entscheidung davon ausgehen, daß neben den beiden Erdgeschoßwohnungen im Streitjahr nur insgesamt noch ein Raum der beiden Dachgeschoßwohnungen von im Betrieb des Stpfl. tätigen Landarbeitern bewohnt wurde. Der Stpfl. trägt zwar in der Revisionsbegründung erneut vor, es habe sich um zwei zusätzliche Räume gehandelt. Der Stpfl. bestreitet aber nicht die Feststellung des FG, in der mündlichen Verhandlung habe sein Vertreter die Behauptung, es habe sich um zwei Räume gehandelt, nicht aufrechterhalten; er habe mit Sicherheit vielmehr nur bestätigen können, daß in späteren Jahren auch die übrigen Räume der Dachgeschoßwohnungen durch die in den unteren Wohnungen lebenden Landarbeiterfamilien zum größten Teil noch bewohnt worden seien.

Da die Feststellungen des FG somit nicht begründet angegriffen wurden und möglich sind, ist der Senat an sie gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Als ein Bewohnen der beiden Dachgeschoßwohnungen durch Landarbeiter im Sinn der Verordnung kann das Bewohnen durch vorübergehend im Betrieb des Stpfl. tätige Aushilfskräfte nicht angesehen werden (vgl. Urteil des Senats IV 60/55 U). Der Stpfl. nimmt das offenbar auch selbst nicht an.

Dem FG kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß dem Stpfl. für die nach der genannten Verordnung hiernach nicht begünstigten Herstellungskosten die erhöhten AfA im Sinn des § 7 b EStG ebenfalls zu versagen seien. Zwar bestimmt § 1 b der Verordnung ausdrücklich, daß für Landarbeiterwohnungen, für die der Stpfl. die Vergünstigungen der Verordnung in Anspruch nimmt, die Anwendung der §§ 7 b oder 7 e Abs. 2 EStG ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluß bezieht sich nach Auffassung des Senats indes nur auf den Teil eines Gebäudes, der Wohnungen enthält, auf die die Vergünstigungen der Verordnung angewendet werden. Der Anwendungsbereich beider Vergünstigungsvorschriften ist unterschiedlich. Während die erhöhten AfA nach § 7 b EStG die Errichtung von Gebäuden oder - im Fall des § 7 b Abs. 2 EStG alter Fassung - Um-, An- und Ausbauten voraussetzen, genügt für die Anwendung der Verordnung die Errichtung einzelner Wohnungen, sogar von Wohnräumen (vgl. § 3 Abs. 1 der Verordnung). Es ist daher gerechtfertigt einen Ausschluß der einen Vergünstigung bei Inanspruchnahme der anderen nur insoweit anzunehmen, als sich die Sachverhalte decken. Ein weitergehender Ausschluß des § 7 b EStG würde nach Auffassung des Senats eine zusätzliche gesetzliche Ermächtigung erfordern. An dieser fehlt es indes. Liegt somit ein Gebäude im Sinn des § 7 b EStG vor, so steht dem Stpfl., wenn dieses Gebäude nach der Verordnung begünstigte Landarbeiterwohnungen enthält, für die er die Vergünstigung in Anspruch nimmt, die erhöhte AfA nach § 7 b EStG demgemäß weiterhin zu, jedoch eingeschränkt auf den Teil der Herstellungskosten des Gebäudes, der nicht auf die begünstigten Landarbeiterwohnungen entfällt.

Da das FG insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es muß noch festgestellt werden, ob das Gebäude die Voraussetzungen des § 7 b EStG in der für den Zeitpunkt seiner Errichtung geltenden Fassung erfüllte. Die Sache war zum Zwecke dieser Feststellung an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412314

BStBl III 1967, 174

BFHE 1967, 384

BFHE 87, 384

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