Leitsatz (amtlich)
Zur Nachversteuerung eines durch Zurechnung ausgleichsfähiger Verlustanteile entstandenen negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten.
Orientierungssatz
Ermittlung des durch Wegfall des negativen Kapitalkontos entstandenen Gewinns des Kommanditisten: Maßgeblich waren die mit den Handelsbilanzen identischen Steuerbilanzen der KG, nicht die sog. Gesamtbilanz oder Steuerbilanz zweiter Stufe (vgl. BFH-Beschluß vom 10.11.1980 GrS 1/79, auch zum Umfang des Anteils eines Mitunternehmers am Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft). Bei der Ermittlung dieser Steuerbilanzgewinne bzw. Steuerbilanzverluste waren die vom Kommanditisten bezogenen Tätigkeitsvergütungen als Aufwand abzusetzen, da sie nach dem Gesellschaftsvertrag als Unkosten zu behandeln waren. Ausführungen zur Auswirkung von in Sonderbilanzen zu erfassenden Tätigkeitsvergütungen auf die Ermittlung des Kapitalkontos in der sog. Gesamtbilanz, wenn sie nicht ausbezahlt (entnommen) werden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
I. Die V mbH & Co. KG (im folgenden KG) betrieb in gepachteten Räumen zwei Einzelhandelsgeschäfte. Anfang August 1981 wurde über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet. Nach einem Bericht des Konkursverwalters vom 21.September 1981 hatten weder die bevorrechtigten noch die nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger eine Konkursdividende zu erwarten, da freien Werten von rd. 67 000 DM Masseverbindlichkeiten von rd. 76 000 DM gegenüberstanden.
Gesellschafter der KG waren bis 1971 als Komplementärin die D GmbH (im folgenden GmbH) und als Kommanditisten Frau D und die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die Tochter von Frau D. Mit Vertrag vom 22.Oktober 1971 übertrug Frau D ihren Kommanditanteil schenkweise auf die Klägerin unter Vorbehalt des Nießbrauchs an der Hälfte des Kommanditanteils. Gesellschafter der KG waren nunmehr als Komplementärin die GmbH mit einer Kapitaleinlage von 4 000 DM und einem Gewinn- und Verlustanteil von 10 v.H. und als einzige Kommanditistin die Klägerin mit einer eingezahlten Kommanditeinlage von nominell 60 000 DM und einem Gewinn- und Verlustanteil von 90 v.H. Frau D war und blieb Geschäftsführerin der GmbH. Ab 1973 war auch die Klägerin für die KG tätig; ihre Jahresgehälter betrugen in den Jahren 1973 und 1974 je 18 000 DM, seit 1975 36 000 DM. Der Gesellschaftsvertrag der KG sah vor, daß die Gesellschafter für ihre Tätigkeit in der Gesellschaft eine Vergütung erhalten, die bei der Ermittlung des nach dem Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilenden Reingewinns als Kosten zu behandeln ist (§§ 9, 10 des Gesellschaftsvertrags).
Der Kommanditanteil der Frau D wies im Zeitpunkt der schenkweisen Übertragung auf die Klägerin ein negatives Kapitalkonto von 66 030,44 DM aus, das durch entsprechende Verlustzuweisungen entstanden war. Nach Verrechnung mit dem Gewinnanteil 1972 belief sich das negative Kapitalkonto der Klägerin zum 31.Dezember 1972 auf insgesamt 58 245,39 DM. Ab 1973 erwirtschaftete die KG bei Berücksichtigung der Tätigkeitsvergütungen für Frau D und die Klägerin als Aufwand nur noch Verluste. Die Tätigkeitsvergütungen der Klägerin wurden jeweils auf einem Gesellschafterdarlehenskonto gutgeschrieben; Entnahmen der Klägerin wurden diesem Darlehenskonto belastet.
In der Handels- und Steuerbilanz der KG zum 31.Dezember 1979 sind unter den Passiven der Kommanditanteil der Klägerin mit 60 000 DM und eine Darlehensforderung der Klägerin in Höhe von 25 108,61 DM und unter den Aktiven Wertberichtigungen zum Kapital der Klägerin in Höhe von 269 563,60 DM ausgewiesen.
Für das Streitjahr 1980 haben die KG und ihr Konkursverwalter keinen Jahresabschluß erstellt und keine Gewinnfeststellungserklärung eingereicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 15.Oktober 1981 einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1980. Darin ist der Bilanzgewinn der KG für 1980 auf null DM geschätzt. Für die Klägerin ist ein (nicht tarifbegünstigter) Gewinnanteil von 184 456 DM aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos und für die GmbH in gleicher Höhe ein Verlustanteil festgestellt. Der Gewinnanteil aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos der Klägerin ist wie folgt errechnet:
Festkapital 60 000 DM
verlorenes Gesellschafterdarlehen 25 108 DM
---------
85 108 DM
abzüglich Verlustanteile einschließlich
des von Frau D übernommenen
Verlustsonderkontos von 58 245 DM 269 564 DM
negatives Kapitalkonto 184 456 DM.
Einspruch und Klage waren erfolglos.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1980 dahin zu ändern, daß der Gewinn der KG und die Gewinnanteile der Gesellschaft auf null DM festgestellt werden. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts. Sie macht insbesondere geltend, es sei gar kein negatives Kapitalkonto entstanden, weil die Tätigkeitsvergütungen "das handelsrechtliche Kapitalkonto sogar verringert haben".
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Die von einem Gesellschafter (Mitunternehmer) einer KG zu versteuernden gewerblichen Einkünfte sind sein Anteil am "Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft" (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, 251, BStBl II 1981, 164). Dieser Anteil am sog. Gesamtgewinn umfaßt insbesondere
a) den in § 15 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an erster Stelle genannten Anteil am Gewinn oder Verlust der KG, so wie sich dieser aus einer aus der Handelsbilanz nach Maßgabe der einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften abgeleiteten Steuerbilanz ergibt (gelegentlich als Steuerbilanz erster Stufe bezeichnet), und
b) das Ergebnis einer etwaigen Sonderbilanz der einzelnen Gesellschafter, in der u.a. die in § 15 Abs.1 Nr.2 EStG an zweiter Stelle genannten Tätigkeitsvergütungen erfaßt werden, soweit diese bei der Ermittlung des Handels- und Steuerbilanzgewinns der KG als Aufwand angesetzt sind (BFHE 132, 244, 254, BStBl II 1981, 164; ferner z.B. im einzelnen Schmidt, Einkommensteuergesetz, 4.Aufl., § 15 Anm.65 bis 68).
2. Nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164 ist einem Kommanditisten ein Verlustanteil, der nach dem allgemeinen Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel der KG auf ihn entfällt, einkommensteuerrechtlich auch insoweit zuzurechnen, als er in einer den einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften entsprechenden Bilanz der KG zu einem negativen Kapitalkonto des Kommanditisten führen würde. Dies gilt allerdings insoweit nicht, als bei Aufstellung der Bilanz der KG nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, daß ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt. Zu diesem Zeitpunkt fällt auch ein durch frühere Verlustzurechnungen entstandenes negatives Kapitalkonto des Kommanditisten mit der Maßgabe weg, daß ein steuerpflichtiger Gewinn des Kommanditisten in Höhe seines negativen Kapitalkontos entsteht.
Der Große Senat des BFH versteht unter der den einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften entsprechenden Bilanz der KG nicht, wie offensichtlich die Revision meint, die sog. Gesamtbilanz oder Steuerbilanz zweiter Stufe, genauer die Summe aus Steuerbilanz der KG und Sonderbilanzen der Gesellschafter (additive Gewinnermittlung), sondern vielmehr die aus der Handelsbilanz abgeleitete Steuerbilanz der KG, bei der die in § 15 Abs.1 Nr.2 EStG an zweiter Stelle genannten Vergütungen, insbesondere Tätigkeitsvergütungen, als Aufwand abgezogen sind, sofern sie, wie im Streitfall, handelsrechtlich nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags als Unkosten zu behandeln, insbesondere im Gegensatz zu einem Gewinnvoraus auch zu zahlen sind, wenn kein Gewinn erwirtschaftet wird. Daß der Große Senat so zu verstehen ist, ergibt sich gerade aus den von der Revision für ihre gegenteilige Ansicht zitierten Ausführungen in Abschn.II Nr.6 Abs.2 (BFHE 132, 244, 254, BStBl II 1981, 164, 169), nämlich aus dem Hinweis auf das Urteil des I.Senats des BFH vom 23.Mai 1979 I R 56/77 (BFHE 128, 505, 512, BStBl II 1979, 763). Denn der I.Senat hebt in dieser Entscheidung in Abschn.II Abs.3 ausdrücklich hervor, daß der Gewinn der KG, der bei Ermittlung der in § 15 Abs.1 Nr.1 EStG an erster Stelle genannten Gewinnanteile zugrunde gelegt werde, "um die Vergütungen i.S. des § 15 (Abs.1) Nr.2 EStG gemindert" sei, und daß demgemäß die "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" eines Mitunternehmers aus den beiden Komponenten "Gewinnanteil" und "Vergütungen" bestünden. Wenn der Große Senat von einer Steuerbilanz spricht, bei der die Vergütungen "noch nicht berücksichtigt sind", so ist damit gemeint, daß die Vergütungen nicht als Bestandteil des in § 15 Abs.1 Nr.2 EStG an erster Stelle genannten (Steuerbilanz-)Gewinnteils des einzelnen Gesellschafters angesetzt, d.h. bereits gewinnanteilserhöhend oder verlustanteilsmindernd berücksichtigt sind.
3. Für den Streitfall folgt hieraus, daß FA und Finanzgericht (FG) den durch Wegfall des negativen Kapitalkontos entstandenen Gewinn der Klägerin zutreffend ermittelt haben. Maßgeblich waren die mit den Handelsbilanzen identischen Steuerbilanzen der KG, nicht die sog. Gesamtbilanz oder Steuerbilanz zweiter Stufe. Bei der Ermittlung dieser Steuerbilanzgewinne bzw. -verluste waren die von der Klägerin bezogenen Tätigkeitsvergütungen als Aufwand abzusetzen, da sie nach dem Gesellschaftsvertrag der KG als Unkosten zu behandeln waren, insbesondere unabhängig davon geschuldet waren, ob die KG Gewinn erzielt. Dementsprechend ist die KG auch verfahren; dabei ist unerheblich, ob dies bereits im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung oder erst im Rahmen einer als "Ergebnisverteilung" bezeichneten Nebenrechnung geschehen ist. Die neuerlichen Berechnungen der Revision zur Ermittlung des negativen Kapitalkontos der Klägerin liegen somit neben der Sache; demgemäß kann auch auf sich beruhen, ob die der Revisionsbegründung als Anlage beigefügte Entwicklung der Kapitalkonten als neues tatsächliches Vorbringen zu werten ist und demgemäß außer Betracht bleiben müßte.
4. Die im Rahmen der Sonderbilanzen zu erfassenden Tätigkeitsvergütungen wirken sich auf die Ermittlung des Kapitalkontos in der sog. Gesamtbilanz (Summe der Kapitalkonten aus Steuerbilanz und Sonderbilanz) nur insoweit aus, als sie nicht ausbezahlt (entnommen) werden. In diesem Falle begründen sie zivilrechtlich Forderungen des Gesellschafters gegen die KG, die einkommensteuerrechtlich in der Sonderbilanz des Gesellschafters als positives Eigenkapital in Erscheinung treten. Soweit diese zivilrechtlichen Forderungen für den Gesellschafter z.B. wegen eines Konkurses der Gesellschaft verlorengehen, wirkt sich dieser Verlust in gleicher Weise wie über die Kommanditeinlage hinausgehende Einlagen ins Gesellschaftsvermögen für den Gesellschafter spätestens bei Beendigung der Gesellschaft einkommensmindernd (Sonderbetriebsaufwand) aus. Einem etwaigen Gewinn des Gesellschafters aus dem Wegfall eines negativen Kapitalkontos in der Steuerbilanz der Gesellschaft steht dann ein Verlust des Gesellschafters aus der Sonderbilanz (Verlust des in der Sonderbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals) gegenüber.
Im Streitfall hat das FA dieser rechtlichen Betrachtungsweise im Ergebnis dadurch Rechnung getragen, daß es von dem durch Verlustzurechnung entstandenen Verlustsonderkonto (auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesene Wertberichtigung zum passivierten Eigenkapital) nicht nur den Nennwert der Kommanditbeteiligung der Klägerin von 60 000 DM, sondern auch die in der Bilanz zum 31.Dezember 1979 ausgewiesene Darlehensschuld der KG gegenüber der Klägerin in Höhe von 25 108 DM abgezogen hat. Die Tatsache, daß nur in dieser Höhe noch eine Schuld der KG gegenüber der Klägerin bestand, belegt gleichzeitig, daß die von der KG der Klägerin geschuldete Tätigkeitsvergütung von insgesamt 216 000 DM für 1973 bis 1979 auch tatsächlich im wesentlichen in voller Höhe an die Klägerin ausgezahlt worden ist.
Bei der rechtlichen Beurteilung des Streitfalls, so wie diese vorstehend entwickelt ist, werden die Beteiligten im einkommensteuerrechtlichen Ergebnis über die Jahre hinweg im wesentlichen so gestellt, wie sie gestellt gewesen wären, wenn die unter Abzug der Tätigkeitsvergütungen als Aufwand errechneten Verlustanteile von vornherein nicht ihr, sondern der Komplementär-GmbH zugerechnet worden wären, von der sie letztlich auch getragen worden sind. Gerade dies sollte aber durch die vom Großen Senat des BFH für geboten erachtete Nachversteuerung des durch Verlustzurechnung entstandenen negativen Kapitalkontos bei Wegfall erreicht werden.
5. Im Ergebnis unbegründet ist auch der Einwand der Revision, das FG habe das auf die Klägerin übergegangene negative Kapitalkonto der Frau D zu hoch angesetzt. Die Formulierungen des FG sind zwar insofern unrichtig, als das FG von einem (von der Klägerin übernommenen) negativen Kapitalkonto der Frau D in Höhe von 66 030,44 DM spricht, während dies tatsächlich nur der Wertberichtigungsbetrag ist, der auf der Aktivseite der Bilanz dem auf der Passivseite unvermindert mit nominell 50 000 DM ausgewiesenen Kommanditanteil der Frau D gegenübergestellt ist. Dieser Fehler ist jedoch ohne Einfluß auf das Ergebnis geblieben, da das FA bei der Ermittlung des negativen Kapitalkontos der Klägerin den gesamten Nennbetrag ihrer Kommanditbeteiligung, also auch den von Frau D auf die Klägerin übergegangenen Kommanditanteil von nominell 50 000 DM (der Kommanditanteil der Klägerin selbst betrug ursprünglich nur 10 000 DM), berücksichtigt hat. Geht man, wie die Revision will, nur von einem negativen Kapitalkonto der Frau D in Höhe von 16 030 DM aus, könnte folgerichtig der Nominalbetrag des von der Mutter übernommenen Kapitalkontos von 50 000 DM nicht nochmals abgezogen werden; es bliebe bei einer Minderung um den Nennbetrag der ursprünglichen Kommanditbeteiligung der Klägerin von 10 000 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 60699 |
BStBl II 1986, 58 |
BFHE 144, 572 |
BFHE 1986, 572 |
BB 1986, 165-167 (ST) |
DB 1986, 359-361 (ST) |
DStR 1986, 91-91 (ST) |
DStZ, Beihefter zu Nr 7/1986 (S) |
HFR 1986, 53-54 (ST) |