Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendige Unterhaltung, insbesondere Instandsetzung eines Baudenkmals Liebhaberei?; Nutzungswert der eigenen Wohnung; Instandsetzungskosten Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand?
Leitsatz (NV)
1. Ob verhältnismäßig hohe Renovierungsaufwendungen an einem unter Denkmalschutz stehenden Wasserschloß, das teils vom Eigentümer bewohnt, teils vermietet ist und im übrigen leer steht, als sogenannte Liebhaberei einkommensteuerrechtlich unerheblich sind, läßt sich erst entscheiden, wenn der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung zutreffend ermittelt ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 29. März 1988 IX R 55/83, BFH/NV 1988, 636).
2. Der Nutzungswert der eigenen Wohnung in einem Baudenkmal kann anhand der Kostenmiete zu ermitteln sein.
3. Bei der für die Prüfung von Liebhaberei anzustellenden Ertragsprognose sind die Kosten einer jahrelangen aufwendigen Instandsetzung des in sanierungsbedürftigem Zustand erworbenen Anwesens nicht ohne weiteres als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand zu berücksichtigen. Vielmehr kann aus verschiedenen Gründen Herstellungsaufwand gegeben sein, der nur mit den AfA-Beträgen anzusetzen ist.
4. Zur Hinzuziehung eines Sachverständigen durch das FG wegen der Frage der Liebhaberei.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, 4, § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1-2; FGO § 82 i. V. m.ZPO § 402
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und je zur ideellen Hälfte Eigentümer eines Mietwohngrundstücks in A. Auf dem Grundstück befinden sich ein Hauptgebäude - sog. kleine Wasserburg -, das bereits vor mehreren Jahrhunderten erbaut wurde und unter Denkmalschutz steht, sowie zwei Nebengebäude. Beim Erwerb des Anwesens im Jahre 1968 waren Gebäude und Außenanlagen in einem sehr schlechten Zustand, so daß der Kläger seit dem Jahre 1975 Sanierungsmaßnahmen durchführen ließ. Dort befanden sich in den Streitjahren 1981 bis 1984 insgesamt 10 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von 843 qm. Eine Wohnung im Obergeschoß des Hauptgebäudes mit einer Wohnfläche von 205 qm nutzten die Kläger selbst als Zweitwohnung; im Erdgeschoß dieses Gebäudes befanden sich nach Darstellung der Kläger vier weitere Wohnungen mit Flächen von 40, 60, 60 und 70 qm.
Während im Zeitraum von 1969 bis 1975 in zwei Veranlagungszeiträumen vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, im übrigen verhältnismäßig geringe Werbungskostenüberschüsse dieser Einkunftsart festgestellt wurden, erhöhten sich letztere seit 1976 bis 1980 auf vom FA anerkannte Gesamtbeträge zwischen 54 314 DM und 163 726 DM. Nachdem die Kläger für die Streitjahre Werbungskostenüberschüsse in Höhe von 216 801 DM bis 289 762 DM geltend gemacht hatten, lehnte das FA mit negativem Feststellungsbescheid 1981 bis 1984 die weitere gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte ab. Das FA wertete die Grundstücksnutzung nunmehr als Liebhaberei. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das FG führte im wesentlichen aus: Eine Vermietertätigkeit falle nur dann unter die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, wenn der Vermieter die Absicht habe, auf die Dauer der Vermögensnutzung einen Totalüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Wenn auch der Beweis des ersten Anscheins für die Einkunftserzielungsabsicht des Grundstücks und die Art seiner Nutzung auf die Dauer gesehen zu keinem Totalgewinn führen könne. Die Schätzung der künftigen Einkünfte durch die Kläger überzeuge nicht. Zum einen gingen die Kläger zu Unrecht von einer vollständigen Vermietung der Wohnungen aus, zum anderen würden die voraussichtlichen Werbungskosten zu gering bemessen. Selbst wenn man aber den Ansätzen der Kläger folge, betrage der jährliche Einnahmenüberschuß lediglich 24 540 DM. Eine wesentliche Erhöhung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung anhand der Kostenmiete sei nicht vertretbar, da es sich im Streitfall nicht um ein besonders aufwendig gestaltetes selbstgenutztes Zweifamilienhaus, sondern um ein mehrere Gebäude umfassendes Mietwohngrundstück handle. Die Kläger müßten daher, um die inzwischen entstandenen Werbungskostenüberschüsse auszugleichen, das Grundstück noch weitere 80 Jahre nutzen. Entgegen der Auffassung der Kläger sei im Streitfall die Grundstücksnutzung nicht mit mindestens 100 Jahren zu bemessen. Im Bereich der langfristigen Immobiliennutzung sei es gerechtfertigt, in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) von einer voraussichtlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren auszugehen, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten. Nach den eigenen Berechnungen der Kläger sei innerhalb dieses Zeitraums, der mit dem Jahre 1969 beginne, kein Gesamtüberschuß zu erwarten. Zudem seien für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude von vornherein besondere Erhaltungsmaßnahmen erforderlich. Der Kläger habe auch - mit dem Antrag auf Grundsteuervergünstigung - gegenüber dem FA A geäußert, daß er aus dem Grundstück nie Überschüsse erzielen werde. Das FA habe andererseits für die Jahre 1981 bis 1985 denkmalpflegerische Aufwendungen in Höhe von 625 181 DM als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt. Außerdem sei zu beachten, daß sich die Kläger weit überwiegend in . . . aufhielten, so daß die Nutzung der Zweitwohnung keineswegs der Befriedigung eines unabweisbaren Lebensbedürfnisses diene. Die Kläger könnten die Berücksichtigung der geltend gemachten negativen Einkünfte auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben erreichen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts und mangelnde Sachaufklärung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG ist zwar im Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) und das Senatsurteil vom 31. März 1987 IX R 111/86 (BFHE 150, 7, BStBl II 1987, 668) zutreffend davon ausgegangen, daß der Steuerpflichtige auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Absicht haben muß, innerhalb der voraussichtlichen Dauer der Vermögensnutzung ein positives steuerliches Gesamtergebnis (Totalüberschuß) zu erreichen. Das FG hat auch rechtsfehlerfrei darauf hingewiesen, daß der für die Einkünfteerzielungsabsicht sprechende Beweis des ersten Anscheins entkräftet werden kann, und hierfür eine Reihe auch nach Ansicht des erkennenden Senats gewichtiger Anhaltspunkte angführt. Dabei hat es jedoch seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft bisherige Werbungskostenüberschüsse von rd. . . . DM zugrunde gelegt, obwohl dabei möglicherweise zu geringe Einnahmen und zu hohe sofort abziehbare Werbungskosten berücksichtigt wurden.
Wie der erkennende Senat in dem zu einem ähnlichen Fall ergangenen Urteil in BFH/NV 1988, 636 ausgesprochen und näher ausgeführt hat, läßt sich das Vorliegen sog. Liebhaberei wegen verhältnismäßig hoher Renovierungsaufwendungen an einem teils selbstgenutzten, teils vermieteten Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, erst entscheiden, wenn der Nutzungswert der selbstbewohnten Räume zutreffend ermittelt ist. Zur Schätzung des Mietwerts dieser Wohnräume kann die für im selben Anwesen vermieteten Wohnungen erzielte oder erzielbare Miete nur dann herangezogen werden, wenn sich diese Wohnungen im wesentlichen mit der selbstgenutzten Wohnung vergleichen lassen. Außerdem muß die für die selbstgenutzte Wohnung erzielbare Miete deren besonderen Wohnwert angemessen widerspiegeln. Andernfalls ist deren Mietwert anhand der Kostenmiete zu ermitteln. Im einzelnen wird auf das Urteil, an dem der Senat festhält, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Die dort ausgeführten Rechtsgrundsätze sind entgegen der Ansicht des FA auch auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Aus der Bewertung des Anwesens der Kläger als Mietwohngrundstück ergibt sich nichts anderes; denn die Einheitswertfeststellung ist insoweit einkommensteuerrechtlich weder für die Einkunftsart noch für die Höhe der Einkünfte maßgeblich.
Das FG hat abweichend von dem bezeichneten Senatsurteil den Maßstab der Kostenmiete mit unzutreffender Begründung abgelehnt und den Mietwert der Wohnung der Kläger lediglich anhand der für die - jedenfalls zum Teil weit kleineren - Mietwohnungen erzielten Mieteinnahmen bemessen, ohne zur Vergleichbarkeit dieser Wohnungen in Größe, Einrichtung und Ausstattung Feststellungen getroffen zu haben.
Außerdem läßt sich anhand der Vorentscheidung nicht überprüfen, ob und inwieweit die von den Klägern geltend gemachten verhältnismäßig hohen Instandsetzungsaufwendungen sofort abziehbare Werbungskosten bilden. Das FG hat sich insbesondere - wie offenbar auch das FA für die Veranlagungszeiträume vor den Streitjahren - nicht mit der Frage befaßt, ob die Kosten der jahrelangen aufwendigen Instandsetzung des unstreitig sanierungsbedürftigen Anwesens als Herstellungsaufwand gewertet werden könnten, so daß insoweit nur Absetzungen für Abnutzung (AfA) für den Gesamtzeitraum, in dem Einkünfte erzielt werden, bei den Werbungskosten zu berücksichtigen wären. Eine einheitliche Beurteilung als Herstellungsaufwand ist nach ständiger Rechtsprechung schon dann geboten, wenn die einzelnen baulichen Maßnahmen, die für sich betrachtet teilweise Herstellungsaufwand, teilweise Erhaltungsaufwand sind, in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Urteile vom 2. August 1983 VIII R 104/79, BFHE 139, 175, BStBl II 1983, 728, Ziff. 2 der Gründe, und vom 16. September 1986 IX R 126/84, BFH/NV 1987, 149, Ziff. 3 der Gründe). Im übrigen könnte Herstellungsaufwand vorliegen, wenn das betroffene Gebäude durch Baumaßnahmen in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder - von der üblichen Modernisierung abgesehen - über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wurde (Senatsurteil vom 5. November 1985 IX R 42/81, BFH/NV 1986, 157, m. w. N.). Bereits nach dem zu dem sog. anschaffungsnahen Aufwand ergangenen Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66 (BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) ist regelmäßig Herstellungsaufwand anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige ein Gebäude, das im Zeitpunkt des Erwerbs stark heruntergewirtschaftet war und für das er einen entsprechend niedrigen Kaufpreis gezahlt hat, durch hohe Aufwendungen wieder vollkommen instandsetzt. Allerdings hat der Große Senat dabei auch dem zeitlichen Abstand der Aufwendungen vom Erwerb Bedeutung beigemessen, der in ständiger Praxis (vgl. Abschn. 157 Abs. 5 Satz 9 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -) auf im allgemeinen drei Jahre begrenzt wird. Der Senat hat aber Ausnahmen von diesem Dreijahreszeitraum bereits für möglich erachtet, wenn die Instandsetzung über einen längeren Zeitraum gleichsam in Raten vorgenommen wird (vgl. Beschluß vom 23. Juni 1988 IX B 178/87, BFH/NV 1989, 165). Ähnliches könnte im vorliegenden Fall des verbilligten Erwerbs einer jahrhundertealten sanierungsbedürftigen Wasserburg gelten. Zudem ist Herstellungsaufwand auch bei einer Generalüberholung des Anwesens zu erwägen (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Juni 1990 IV B 99/89, BFH/NV 1991, 154), wie dies auch die FG wiederholt für unter Denkmalschutz stehende Gebäude bejaht haben (FG Hamburg, Urteil vom 10. Dezember 1981 VI 190/78, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 340 - nur Leitsatz -, Betriebs-Berater - BB - 1982, 1771 - mit Gründen -, und FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Januar 1985 I K 71/84, EFG 1985, 442; and. Ans. Niedersächsisches FG, Urteil vom 3. Oktober 1985 VI 12/82, EFG 1986, 276). Selbst wenn die einzelnen aufwendigen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen an sich im wesentlichen Erhaltungsaufwand darstellen würden, läßt sich nach Auffassung des erkennenden Senats nicht ausschließen, daß auch in einer ungewöhnlichen Massierung von Erhaltungsaufwand ausnahmsweise Herstellungsaufwand gesehen werden könnte.
Die Vorentscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um seine Bestätigung des vom FA erlassenen negativen Feststellungsbescheids zu tragen. Der Senat verkennt nicht, daß die bisherigen Feststellungen überwiegend für die Annahme von Liebhaberei sprechen, vermag aber andererseits nicht auszuschließen, daß die weiteren Erhebungen des FG zu einem abweichenden Ergebnis hinsichtlich der erzielten Überschüsse sowie der innerhalb eines überschaubaren Zeitraums erzielbaren Überschüsse führen könnten. Die Sache geht daher gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurück.
Zur Vorbereitung seiner erneuten Entscheidung wird das FG zweckmäßigerweise einen Sachverständigen hinzuziehen zur Begutachtung der Ertragsaussichten des Anwesens anhand dessen Beschaffenheit, Vermietbarkeit dem Grunde und der Höhe nach - unter Berücksichtigung ggf. der Kostenmiete für die selbstgenutzte Wohnung - sowie der bereits vorgenommenen und der noch anstehenden und langfristig zu erwartenden Reparaturen. Die aus einem solchen Gutachten zu entnehmende Ertragsprognose müßte sich der aufgrund seiner früheren Berufstätigkeit ebenfalls sachkundige Kläger zurechnen lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 417549 |
BFH/NV 1991, 533 |