Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur einkommensteuerlichen Behandlung von Nachzahlungen auf Grund von Vergleichen im Rückerstattungsverfahren.
Normenkette
EStG § 6 Ziff. 1, § 6/1/1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) hat im Jahre 1936 das der Firma A. gehörende Hausgrundstück im Wege der Zwangsversteigerung erworben. Zur Abwendung des von dem jetzigen Inhaber der Firma A. im März 1948 geltend gemachten Anspruchs auf Rückerstattung des Grundstücks verpflichtete sich die Stpfl. durch notariellen Vertrag vom 11. Oktober 1949, an A. insgesamt 74.500 DM in Teilbeträgen von 15.000 DM bis zum 29. Oktober 1949, 16.000 DM bis zum 10. Januar 1950, 20.000 DM bis zum 10. Januar 1951 und 23.500 DM bis zum 10. Januar 1952 zu zahlen. Bei der Gewinnermittlung für 1949 hat die Stpfl. den in diesem Jahre gezahlten Betrag von 15.000 DM als Betriebsausgabe abgesetzt. Das Finanzamt behandelte dagegen den Gesamtbetrag von 74.500 DM bei der Veranlagung als nachträgliche Anschaffungskosten und verteilte diese mit 1/3 auf den Grund und Boden sowie mit 2/3 auf das Gebäude. Für den auf das Gebäude entfallenden Anteil von 49.670 DM ließ es für die Zeit von 1935 bis 1949 eine Absetzung für Abnutzung von jährlich 2 v. H. insgesamt mithin 13.910 DM zu. Hiergegen richtete sich die Berufung. Die 74.500 DM stellten keinen zusätzlichen Kaufpreis, sondern die Ablösungssumme dar, mit der sich die Stpfl. von der drohenden Rückerstattung freigekauft habe. Beim Erwerb des Grundstücks sei ein angemessener Kaufpreis gezahlt worden. Die vereinbarten Teilbeträge seien daher in den Jahren der Auszahlung als Betriebsausgaben abzuziehen.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Zunächst stellte es tatbestandsmäßig fest, daß dem mit Schreiben vom 24. März 1948 geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung durch eine Rückstellung in der DM-Eröffnungsbilanz nicht Rechnung zu tragen sei, da nach Lage der Verhältnisse die Stpfl. mit einer Verwirklichung des Anspruch nicht zu rechnen brauchte. Die Stpfl. habe seinerzeit einen angemessenen Kaufpreis bezahlt. Diese Feststellung des Finanzgerichts ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bestritten.
Des weiteren führte das Finanzgericht folgendes aus: Habe demnach keine Verpflichtung bestanden, in der DM- Eröffnungsbilanz eine Rückstellung vorzunehmen, so hätten die im Vergleich übernommenen 74.500 DM eine das Jahr 1949 belastende betriebliche Verbindlichkeit dargestellt. Unter Berücksichtigung des von der Stpfl. am 20. Oktober 1949 entrichteten und als Betriebsausgabe behandelten Betrags von 15.000 DM sei daher in der Bilanz zum 31. Dezember 1949 in Höhe des Restbetrags von 59.500 DM ein Schuldposten einzusetzen, da die Verbindlichkeit am Bilanzstichtag bereits in vollem Umfang festgestanden habe. Dem Antrag der Stpfl., die 74.500 DM entsprechend den vereinbarten Ratenzahlungen auf die Jahre 1949 bis 1952 zu verteilen, sei daher nicht stattzugeben. Ebensowenig sei der Auffassung des Finanzamts zu folgen, die Aufwendungen der Stpfl. seien auf dem Grundstückskonto zu aktivieren und gemäß § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entsprechend der Nutzungsdauer des Grundstücks abzuschreiben. Hierbei gehe das Finanzamt entsprechend den Erlassen des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 17. Dezember 1949 (Steuerblatt Nordrhein-Westfalen 1950 S. 8) und vom 3. Juli 1950 (Steuerblatt Nordrhein-Westfalen 1950 S. 312) davon aus, daß der von der Stpfl. gezahlte Betrag als nachträgliche Erhöhung des Erwerbspreises anzusehen sei. Davon könne jedoch keine Rede sein, da die Stpfl. für den Erwerb des Grundstücks Aufwendungen habe machen müssen, die über den damaligen Verkehrswert von 156.000 RM hinausgegangen und somit als verloren anzusehen seien. Kosten, die ein den Gewinn nach den §§ 4 und 5 EStG ermittelnder Kaufmann zur Abwehr eines Rückerstattungsanspruch zahle und die im Interesse des Betriebs aufgewendet würden, stellten den Gewinn mindernde Betriebsausgaben dar.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts macht hiergegen geltend, es habe sich um Anschaffungskosten für das im Jahre 1936 im Wege der Zwangsversteigerung erworbene Hausgrundstück gehandelt. Die Vergleichszahlung von 74.500 DM könne nur in einem Kausalzusammenhang mit dem von der Rückerstattung bedrohten Grundbesitz gesehen werden. Sie beantragt Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung. Die Rb. der Pflichtigen wendet sich dagegen, daß das Finanzgericht den Betrag von 74.500 DM zu Lasten des Jahres II/1948 und des Jahres 1949 verbucht habe. Der Gesamtbetrag sei Aufwand der Jahre, in denen die Teilbeträge von der Stpfl. gezahlt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes: Die 74.500 DM stellen, wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, Betriebsausgaben dar. Aber damit ist noch nicht entschieden, für welche Wirtschaftsperioden sie als gewinnmindernder Aufwand abgesetzt werden können. Bei den Betriebsausgaben muß stets geprüft werden, ob und wieweit durch sie ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut gewonnen worden ist. Nur soweit die Betriebsausgaben im Jahre ihrer Verausgabung sich verbrauchen, oder, wirtschaftlich betrachtet, zu keinen Gegenwerten führen, wie dies z. B. bei Prozeßkosten der Fall sein kann (siehe Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 936/31 vom 8. Juli 1931, Slg. Bd. 29 S. 125; VI 749/38 vom 21. Dezember 1938, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1939 S. 260), mindern sie das Jahresergebnis der Verausgabung. Im Streitfalle stehen die Beträge in unmittelbarem Zusammenhang mit dem im Jahre 1936 erworbenen Hausgrundstück. Sie sind Ausgaben für dieses Hausgrundstück. Man kann sie nicht den laufenden Ausgaben zurechnen; wirtschaftlich betrachtet stellen sie zusätzliche Erwerbskosten dar. Ihre Bezeichnung als Schadensersatzleistung steht dem nicht entgegen. Die Stpfl. hat an den früheren Besitzer des Grundstücks zusätzliche Leistungen getätigt. Die Gesamtleistungen an den Vorbesitzer sind als Kosten für die Beschaffung des Hauses anzusehen. Im vorliegenden Fall erhöht sich der in der DM-Eröffnungsbilanz eingesetzte Betrag um diesen Aufwand. Es ist nicht umstritten, daß eine Aktivierung der Beträge auf andere Wirtschaftsgüter nicht in Frage kommt. Schon mit Rücksicht auf die Höhe der Beträge kann man in ihnen keine Zahlungen sehen, die im Rahmen des allgemeinen Risikos lagen, das regelmäßig mit der Führung eines gewerblichen Unternehmens verbunden ist, wie dies der Reichsfinanzhof im Rahmen einer Tatsachenwürdigung in der Entscheidung VI A 1840/31 vom 24. Februar 1931, Slg. Bd. 30 S. 267, angenommen hat.
Für die Gewerkschaft besteht die Möglichkeit der Teilwertabschreibung. Das Finanzamt hat für die Streitjahre bereits eine Abschreibung von 13.910 DM anerkannt. Es kam im Einspruchsverfahren zu der Auffassung, daß der Teilwert nicht unter dem Bilanzansatz liege, wie er sich auf Grund der oben dargestellten Rechtsauffassung ergebe. Im vorliegenden Falle ist zwischen den Beteiligten lediglich der Unterschiedsbetrag von 15.000 DM zu 13.910 DM = 1.090 DM strittig. Unter diesen Verhältnissen kann von weiteren Erhebungen abgesehen werden. Die Stpfl. hat auch keine Unterlagen für einen geringeren Teilwert vorgelegt. Es bleibt ihr überlassen, ggf. in späteren Jahren eine Teilwertabschreibung zu beantragen.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist somit begründet, die Anschlußbeschwerde der Gewerkschaft unbegründet.
Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408129 |
BStBl III 1955, 111 |
BFHE 1955, 289 |
BFHE 60, 289 |