Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustabzug durch den Erben
Leitsatz (amtlich)
Das Recht des Betriebsinhabers auf den Verlustabzug gem. § 10 d EStG geht auf den Erben als Gesamtrechtsnachfolger über.
Normenkette
EStG 1955 § 10d
Gründe
Die Bgin. hat nach dem im Jahr 1955 erfolgten Tod ihrer Mutter die Lebensmittelgroßhandlung ihres bereits vor ihrer Mutter verstorbenen Vaters auf Grund dessen Testaments als Nacherbin übernommen.
Das FA hat den Antrag der Bgin., den Verlustabzug der Firma von … DM aus dem Vorjahr 1955 bei ihr als Sonderausgabe abzusetzen, unter Hinweis auf Abschn. 115 Abs. 2 EStR 1956/57 abgelehnt. Der Steuerausschuß hingegen hat der Bgin. den Verlustabzug der Firma aus dem Jahre 1955 zugestanden.
Der vom Vorsteher des FA hiergegen eingelegten Berufung blieb der Erfolg versagt.
Der vom Vorsteher des FA eingelegten Rechtsbeschwerde (Rb.) muß der Erfolg gleichfalls versagt bleiben.
Zu entscheiden ist allein die Frage, ob einem Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Betriebsinhabers, bei dem der abzugsfähige Verlust eingetreten ist, der Verlustabzug gemäß § 10 d EStG 1955 zusteht. Das FA stützt sich bei der die Anerkennung des Verlustabzugs versagenden Auffassung auf Abschn. 115 Abs. 2 EStR 1956/1957. Diese Auffassung ist zunächst in Anlehnung an die Rechtsprechung des RFH überwiegend auch im steuerlichen Schrifttum vertreten worden (so u.a. neuerdings Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Auflage, Anm. 3 zu § 10 d; Lademann-Lenski-Brockhoff, Einkommensteuergesetz, Anm. 2 Nr. 3 b zu § 10 d). Wie die Vorinstanz hierzu mit Recht bemerkt, wird dabei weitgehend übersehen, daß die Rechtsprechung des RFH ein solches Verbot in diesem ausgedehnten Sinne nicht ausgesprochen hat. Das Urteil des RFH VI 433/40 vom 2. Juli 1941 (RStBl 1941 S. 658), auf das sich die EStR berufen, befaßt sich nicht ausdrücklich mit der hier zur Entscheidung stehenden Frage. Der Senat bejaht demgegenüber mit Rücksicht auf § 1922 BGB und § 8 des StAnpG die Vererblichkeit des Verlustabzugs in dem Fall, in dem der Betrieb bzw. der Mitunternehmeranteil auf den Erben – selbst wenn durch Testament eingesetzt – übergegangen ist. Der RFH hat in diesem Zusammenhang in zu geringem Maße dem Umstand Rechnung getragen, daß steuerrechtlich der Gesamtrechtsnachfolger anders als der Einzelrechtsnachfolger zu beurteilen ist. Aus den erbrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts ergibt sich, daß der Nachlaß in allen seinen rechtlichen Beziehungen zum Erben kraft Gesetzes als Ganzes auf den Rechtsnachfolger übergeht. Daß aus diesem Grunde ein Erbe voll in die Rechtsposition seines Rechtsvorgängers einrückt und auch eine öffentlich-rechtliche Vergünstigung, die in der Person des Rechtsvorgängers entstanden ist, mit steuerlicher Wirkung erwerben und in Anspruch nehmen kann, hat der BFH zur Frage der Inanspruchnahme des § 7b EStG durch den Erben ausgesprochen (vgl. Urteil des BFH VI 234/56 U vom 13. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 72, Slg. Bd. 66 S. 182). Zu einer solchen vererblichen Rechtsstellung gehört auch die Befugnis zum Verlustabzug. Nur höchstpersönliche, mit dem Tode des Erblassers erlöschende Rechte sind unvererblich, so z.B. die Vergünstigung des § 34 Abs. 5 EStG 1953 (vgl. Urteil des BFH IV 160/56 U vom 7. November 1957, BStBl 1958 III S. 25, Slg. Bd. 66 S. 60). Der BFH ist der früheren Auffassung, daß auch die verschiedenen in § 10 EStG zusammengefaßten Sonderausgaben ohne weiteres höchstpersönliche Ausgaben seien, in seinem Urteil VI 57/55 U vom 1. März 1957 (BStBl 1957 III S. 135, Slg. Bd. 64 S. 358) entgegengetreten. Das Recht zur Inanspruchnahme des Verlustabzugs ist kein höchstpersönliches. Es ergibt sich vielmehr aus dem Zweck der Vorschrift, der Annäherung an eine mehrjährige Durchschnittsbesteuerung, daß sie in engstem Zusammenhang mit der betrieblichen Gewinnermittlung steht. Wenn Erblasser und Erbe bei der Gewinnermittlung wie ein und dieselbe Person behandelt werden, so ist diese Folgerung auch bei der Anwendung des Verlustabzugs gerechtfertigt. Dies wird besonders bei der Behandlung der stillen Reserven deutlich. Denn der Gesamtrechtsnachfolger, der die Buchwerte weiterführt, muß stille Reserven, die sich bei seinem Rechtsvorgänger gebildet haben, bei der späteren Auflösung versteuern. Dieser Belastung muß die Entlastung durch das Recht zur Vornahme des Verlustabzugs entsprechen. Bei der Einzelrechtsnachfolge entfällt dieses Problem, da der Veräußerer den Betrieb steuerlich völlig abwickelt und der Erwerber mit neuen Buchwerten beginnt. Mithin rechtfertigt sich auch eine unterschiedliche Behandlung des Verlustabzugs des Rechtsnachfolgers im Fall der Gesamtrechtsnachfolge und im Fall der Einzelrechtsnachfolge. Demnach sind objektive Gesichtspunkte für die Entstehung des Verlustabzugs maßgebend und nicht etwa höchstpersönliche Umstände. Dieses Ergebnis, das sich im übrigen auch im Einklang mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise befindet, steht auch nicht im Widerspruch zu dem Urteil des BFH VI 66/59 U vom 17. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 230, Slg. Bd. 72 S. 630). Nach den in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätzen kann ein Erbe, selbst wenn er dem Grunde nach zum Abzug eines in der Person des Erblassers entstandenen Verlustes berechtigt wäre, diesen doch jedenfalls insoweit nicht geltend machen, als er ihn auf Grund der Beschränkung seiner Haftung durch den Nachlaßkonkurs weder rechtlich noch wirtschaftlich trägt. Dieser Entscheidung ist zuzustimmen, da in diesem Fall der betriebliche Verlust nicht vom Erben, sondern von den Gläubigern getragen wird. Im Streitfall ist jedoch von einer derartigen Haftungsbeschränkung nach dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt nicht die Rede.
Nach alledem war die Rb. des Vorstehers des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen