Leitsatz (amtlich)
Anders als bei der Wasserbeschaffung handelt eine Gemeinde bei Durchführung (auch) der Wasserversorgung der Bevölkerung nicht "in Ausübung öffentlicher Gewalt" im Sinne von § 4 KStDV.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6; KStDV §§ 1-2, 4
Tatbestand
Streitig ist, ob die von der Revisionsbeklagten - einer Stadtgemeinde - betriebene öffentliche Wasserversorgung ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Der Revisionskläger (das FA) hat diese Frage bejaht und den Betrieb unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, § 2 KStDV mit vorläufigem Bescheid vom 16. Oktober 1969 zur Steuer herangezogen. Die von der Revisionsbeklagten dagegen unmittelbar zum FG erhobene Klage führte zur Aufhebung des vorläufigen Steuerbescheides. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1972, 38 veröffentlicht.
Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuerpflicht der Revisionsbeklagten in bezug auf den Wasserversorgungsbetrieb zu bejahen. Zur Begründung führt das FA aus:
Das entscheidende Moment für die Abgrenzung der grundsätzlich ebenfalls zu den Betrieben gewerblicher Art zählenden nicht steuerpflichtigen Hoheitsbetriebe von den steuerpflichtigen Betrieben gewerblicher Art sei die unter dem Begriff der Ausübung der öffentlichen Gewalt zutreffend verstandene (alte) polizeiliche Gefahrenabwehr. Ein Betrieb der öffentlichen Hand, der der polizeilichen Gefahrenabwehr diene, sei nicht steuerpflichtig. Demgegenüber seien Wasserversorgungsbetriebe nach § 2 KStDV nicht steuerbefreite, sondern steuerpflichtige Betriebe gewerblicher Art (Urteil des BFH I 212/63 vom 8. Februar 1966, BFH 85, 213, BStBl III 1966, 287 mit weiterer Rechtsprechung). Dieser ihrer steuerrechtlichen Einordnung könne nicht mit dem Hinweis auf hygienische Gründe und ein dieserhalb gegebenes übergeordnetes Allgemeininteresse begegnet werden. Auch der Umstand, daß die Hessische Gemeindeordnung (GemO) die Einrichtungen der Gemeinden zur Wasserversorgang nicht zu den wirtschaftlichen Unternehmen der Gemeinden rechne, reiche für eine andere steuerrechtliche Einordnung nicht aus. Hinzu komme, daß die von der Revisionsbeklagten mit der Wasserversorgung erzielten Einnahmen die Betriebs- und Unterhaltungskosten im Streitjahr (wie auch im Durchschnitt der Vorjahre) nicht unerheblich überschritten hätten, so daß die Revisionsbeklagte - von den Jahren 1964 und 1966 abgesehen - nachhaltig beachtliche Gewinne erzielt habe.
Die Revisionsbeklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie nimmt zur Begründung ihres Antrags auf ihre Ausführungen im Verfahren vor dem FG Bezug. Der Vorentscheidung trete sie in vollem Umfange bei. Die Wasserversorgung sei Erfüllung einer Hoheitsaufgabe. Sie sei auch nach der Hessischen GemO als "Pflichtaufgabe" - im Gegensatz zum Begriff des "wirtschaftlichen Unternehmens" - charakterisiert. Dem FA sei auch bekannt, daß die Einrichtungen zur Wasserversorgung vom Jahre 1967 ab in den Verwaltungsmechanismus eingebaut und Einnahmen und Ausgaben in den Haushaltsplan eingestellt worden seien. Die nach den Grundsätzen der Kameralistik geführte Buchführung weise bei der Haushaltsstelle Wasserversorgung für das Jahr 1967 in Einnahmen 989 501 DM, in Ausgaben 1 007 001 DM aus. Das Haushaltsdefizit habe sich in der tatsächlichen Abwicklung bestätigt und sei durch allgemeine Deckungsmittel ausgeglichen worden. Die von der Revisionsbeklagten erhobenen Wassergebühren richteten sich somit nach der Höhe der Aufwendungen, die bei Erfüllung der Pflichtaufgabe "Wasserversorgung" anfielen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß auch die steuerpflichtigen Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und § 1 KStDV der Wahrnehmung allgemeiner Verwaltungsaufgaben dienen bzw. dienen können und deshalb insoweit von der Steuerpflicht befreit sind, als sie hierbei "überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen", d. h. Hoheitsbetriebe im Sinne von § 4 KStDV sind; allein § 2 KStDV begründet wiederum eine Ausnahme von der Ausnahme.
Demgemäß hat der BFH in seinem Beschluß V B 53/68 vom 17. April 1969 (BFH 95, 357, BStBl II 1969, 415) ausgeführt, daß im öffentlichen Recht allgemein anerkannt sei, daß alle derartigen - der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme sowie dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienenden - Betriebe, soweit sie nicht in Rechtsformen des privaten Rechts tätig würden, öffentliche Gewalt ausübten und zur sogenannten "schlichten Hoheitsverwaltung" gehörten. Da indes § 2 KStDV als die speziellere Norm dem § 4 KStDV vorgehe, stehe fest, daß das Körperschaftsteuerrecht und damit auch das diesem angeglichene Umsatzsteuerrecht den Begriff der Ausübung der öffentlichen Gewalt in einem gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsrecht eingeschränkten Sinne verstehe und deshalb auch nicht jeden der Ausübung der öffentlichen Gewalt im allgemeinen Sinne dienenden Betrieb von Körperschaften des öffentlichen Rechts als Hoheitsbetrieb behandele.
2. Das FG ist dem BFH in dieser Frage bewußt nicht gefolgt; es hat dabei jedoch das Verhältnis der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und der Bestimmungen der §§ 1 bis 4 KStDV zueinander und untereinander verkannt.
a) Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unbeschränkt steuerpflichtig. Daß die Revisionsbeklagte als Stadtgemeinde eine solche Körperschaft des öffentlichen Rechts im hier verstandenen Sinne ist, ist nicht streitig. Daß sich die von ihr betriebene Wasserversorgung innerhalb ihrer Gesamtbetätigung wirtschaftlich heraushebt, ist ebenfalls nicht in Abrede gestellt worden. Die Wasserversorgung stellt sich danach als eine Einrichtung dar, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen dient; die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist dazu nicht erforderlich (§ 1 KStDV).
Soweit § 2 KStDV ausspricht, daß zu den Betrieben gewerblicher Art auch solche Betriebe gehören, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen, enthält diese Bestimmung lediglich eine Klarstellung.
b) Bereits § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG 1934 unterwarf - entsprechend dem mit der Neufassung dieser Vorschrift verfolgten Zweck - alle diejenigen Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts als selbständige Steuersubjekte der unbeschränkten Steuerpflicht, die das äußere Bild eines Gewerbebetriebs boten (vgl. Mirre-Dreutter, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz 1934, Anm. 22 zu § 1). Die bis dahin gegebene Freistellung der Versorgungsbetriebe (durch § 2 Nr. 3 Buchst. b, § 7 Abs. 1 KStG 1925) entfiel, was in § 2 der Ersten KStDVO vom 6. Februar 1935 (RStBl 1935, 217) ausdrücklich klargestellt wurde; der Begriff des Versorgungsbetriebs verlor damit (insoweit) seine steuerrechtliche Bedeutung.
Ausgenommen von der Steuerpflicht blieben jedoch nach wie vor diejenigen dieser Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienten (Hoheitsbetriebe; § 4 der Ersten KStDVO). Nach dem Urteil des RFH I A 391/36 vom 22. Juni 1937 (RStBl 1937, 982), das den Fall einer Marktveranstaltung betraf, kam es danach für die Frage nach der persönlichen Steuerpflicht darauf an, ob die entfaltete Tätigkeit sich nach ihrem Inhalt unter den gegebenen Verhältnissen überwiegend, d. h. in der Hauptsache als eine privatgeschäftliche Verkehrshandlung oder als bewußte Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe darstellte.
c) Diese im KStG 1934 getroffene Regelung ist in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und in den Bestimmungen der §§ 2 und 4 KStDV, sämtlich in ihrer für den Veranlagungszeitraum 1967 geltenden Fassung, unverändert beibehalten worden. Dient danach ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt, verbleibt es bei seiner persönlichen Steuerpflicht.
Der hier verwendete Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt ist weder im Gesetz noch in seiner Durchführungsverordnung näher bestimmt. Träger öffentlicher Gewalt wie öffentlicher Verwaltung sind neben anderen Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts die Gemeinden. Ihr Handeln ist danach als Verwaltungshandeln Ausübung öffentlicher Gewalt, und zwar selbst dann, wenn es sich - so bei der Teilhabe an den Funktionen des Soziallebens (wie der Verteilung von Verkehrsgütern) - in den es verselbständigenden Formen des Handelsrechts abspielt (so Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl., S. 68 ff.). So ist es auch nur verständlich, wenn - nach § 4 KStDV - ein Handeln in Ausübung öffentlicher Gewalt insbesondere dann anzunehmen ist, "wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist".
Handelt somit eine Gemeinde auch dann in Ausübung öffentlicher Gewalt, wenn sie dem Bürger ihre Leistung in der Gestalt einer juristischen Person des Handelsrechts darbringt, die ihrerseits zwar nicht mit Annahmezwang ausgestattet ist, wohl aber eine Monopolstellung besitzt, so zeigt sich, daß es einer weiteren Bestimmung - des § 2 KStDV - bedurfte, wenn das Tätigwerden der Gemeinde bei der Verteilung von Verkehrsgütern einer einheitlichen steuerrechtlichen Regelung unterworfen werden sollte. Es konnte nicht - bei gleichem Inhalt - allein von der Form abhängen, ob die dargebrachte Leistung der Gemeinde mit ihrem Ertrag der Steuer unterlag oder nicht.
Dies vorausgeschickt wird auch verständlich, daß in der Rechtsprechung des BFH der in der Regel für die Ausübung öffentlicher Gewalt sprechende Annahmezwang als ein zwar bedeutsames, indes kein den Betrieb allein bereits als Hoheitsbetrieb ausweisendes Merkmal bezeichnet wird (BFH-Urteil I 95/51 S vom 12. Dezember 1951, BFH 56, 100, BStBl III 1952, 41, einen Bullenhaltungszweckverband betreffend). Entscheidend ist deshalb vielmehr, ob die in Frage stehende, sich als Ausübung öffentlicher Gewalt präsentierende Tätigkeit der Körperschaft des öffentlichen Rechts als Trägerin der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist, wobei der Begriff "Hoheitsbetrieb" eher enger als weiter auszulegen ist (vgl. Gutachten des OFH I D 4/49 S vom 30. Juli 1949, StuW 1950 II Nr. 6). Die gleichen Grundsätze - Ableitung der jeweiligen Leistungen des Betriebes aus der Staatsgewalt; Hoheitsaufgaben, wenn sie der Körperschaft des öffentlichen Rechts durch Gesetz oder Verordnung ausdrücklich zugewiesen oder ihr eigentümlich und, wenn auch nicht ausschließlich, so doch in ganz erheblichem Umfang oder im Regelfalle vorbehalten sind - sind auch für das BFH-Urteil V 76/64 vom 6. Juli 1967 (BFH 89, 164, BStBl III 1967, 582) bestimmend gewesen.
3. Was danach die von der Revisionsbeklagten betriebene Wasserversorgung betrifft, läßt sich nicht sagen, daß sie der Gemeinde als Trägerin der öffentlichen Gewalt eigentümlich oder vorbehalten sei. Genau so wie die Straßenreinigung und die Müllabfuhr kann auch die Wasserversorgung als Aufgabe eines wenn nicht gewerblichen Unternehmens in privater Hand so doch rechtlich verselbständigten Unternehmens der Gemeinde - sei es in der Form einer Gesellschaft des Handelsrechts, sei es als Regiebetrieb - verstanden werden. Der BFH hat demgemäß die Wasserversorgung - im Gegensatz zur Wasserbeschaffung - stets als eine gewerbliche Tätigkeit angesehen (BFH-Urteile I 277/62 vom 16. März 1965, HFR 1965, 423, StRK, Körperschaftsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 56; I R 92/70 vom 20. Januar 1972, nicht veröffentlicht, einen Wasserversorgungs- und einen Wasserbeschaffungsverband betreffend).
Dem Umstand, daß die Hessische GemO die Einrichtungen der Gemeinden zur Wasserversorgung nicht den "wirtschaftlichen Unternehmen" der Gemeinden zuordnet, in ihrer Unterhaltung vielmehr eine "Pflichtaufgabe" der Gemeinden sieht, kommt für die steuerrechtliche Beurteilung demgegenüber keine Bedeutung zu. § 2 Nr. 5 des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandgesetz) vom 10. Februar 1937 (RGBl I 1937, 188) und § 2 Nr. 5 der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände vom 3. September 1937 (Erste Wasserverbandverordnung; RGBl I 1937, 933) bezeichnen es als eine mögliche öffentlich-rechtliche Aufgabe der Wasser- und Bodenverbände, "Trink- und Brauchwasser zu beschaffen". Damit ist auch im Hinblick auf die verschiedenen GemO der Länder der den Gemeinden als den Trägern der öffentlichen Gewalt eigentümliche und vorbehaltene Aufgabenkreis in diesem Zusammenhang allenfalls auf die Wasserbeschaffung beschränkt. Die Wasserversorgung wird von ihm nicht umfaßt.
Fundstellen
Haufe-Index 413186 |
BStBl II 1972, 500 |
BFHE 1972, 27 |