Leitsatz (amtlich)
Die Aufwendungen zur Tilgung von Studiendarlehen gehören nicht zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen für die Berufsausbildung.
Normenkette
EStG 1969 § 10 Abs. 1 Nr. 9, § 11 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der sein Studium zum Teil mit einem Studiendarlehen im Rahmen des Honnefer Modells finanziert hat, mußte das erhaltene Studiendarlehen von 1966 bis 1973 in fünf gleichen Jahresraten von je 551,60 DM zurückzahlen. Im Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1970 machte er die im Jahre 1970 gezahlte Jahresrate als Sonderausgabe im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte den Abzug ab.
Die vom Kläger hiergegen erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das FG ging in seinem in den EFG 1972, 64, veröffentlichten Urteil von dem Grundsatz aus, daß als Sonderausgaben in Betracht kommende Aufwendungen nur in dem Jahr steuerlich berücksichtigt werden können, in dem sie im Sinne von § 11 Abs. 2 EStG abfließen. So etwas wie eine "Rückstellung" oder "aktive Rechnungsabgrenzung" gebe es bei den Sonderausgaben nicht. Daraus folgere die wohl herrschende Meinung im Fachschrifttum, daß die für Studienzwecke aufgewendeten Beträge nur in den Jahren als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig seien, in denen sie tatsächlich für Studienzwecke ausgegeben würden. Der für § 33 EStG geltende Grundsatz, daß mit Kreditmitteln finanzierte außergewöhnliche Belastungen bei der Besteuerung der Jahre zu berücksichtigen seien, in denen der Kredit zurückgezahlt werde, werde für Studienaufwendungen allgemein abgelehnt. Diese Beurteilung führe dazu, daß in vielen Fällen eine steuerliche Entlastung nicht erfolge; denn wer sein Studium ganz oder zum Teil mit Darlehen finanzieren müsse, habe in der Regel keine oder nur unbedeutende Einkünfte, so daß sich ein Sonderausgabenabzug im Jahr der Studienaufwendungen nicht oder nur ganz unbedeutend auswirke. Dieses Ergebnis sei unbefriedigend, weil es Ziel und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht verwirkliche. Die diesem Ergebnis zugrunde liegende Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sei nicht zwingend. Die zutreffende Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG bestehe darin, die Tilgungsbeträge von Studiendarlehen in den Jahren der Rückzahlung, in denen nach der Berufsaufnahme Einkünfte zufließen, als Sonderausgaben zu behandeln. Der Wortlaut des Gesetzes stehe dem nicht entgegen; denn als "Ausgaben für die Berufsausbildung" ließen sich vom Wortlaut her auch Darlehnstilgungen verstehen, wenn das Darlehen zur Finanzierung der Berufsausbildung aufgenommen worden sei. Der Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG fordere diese Auslegung. Der Gesetzgeber habe die Kosten für die eigene Ausbildung bis zu einer bestimmten Höhe abzugsfähig gemacht, um die Schlechterstellung gegenüber den Fortbildungskosten, die bisher bereits als Werbungskosten oder als Betriebsausgaben abzugsfähig gewesen seien, weitgehend zu beseitigen und damit einen Beitrag zur Ausbildungsförderung zu leisten. Dadurch werde auch kein das Verfahren komplizierendes Wahlrecht zugebilligt; denn ein Steurpflichtiger, der bereits während der Studienjahre Einkünfte gehabt habe, von denen der Sonderausgabenabzug hätte vorgenommen werden können, könne die Tilgungsraten von Studiendarlehen nicht in späteren Jahren als Sonderausgaben abziehen. Nur wenn mangels Einkünften in den Studienjahren der Abzug nicht möglich gewesen sei, komme ein Abzug der Tilgungsraten als Sonderausgaben in Betracht.
Das FA rügt mit seiner Revision unrichtige Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969. Nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift könnten nur Aufwendungen für die Berufsausbildung, nicht aber Aufwendungen für die Tilgung von Ausbildungsdarlehen als Sonderausgaben berücksichtigt werden. § 11 Abs. 2 EStG stehe dem begehrten Abzug entgegen. Die Auffassung des FG sei auch nicht mit Erwägungen über eine Unbilligkeit bei der Versagung des Abzugs zu begründen; denn die Auslegung des FG führe zu anderen Unbilligkeiten. Dann würden nämlich alle Steuerpflichtigen benachteiligt, die ihre Studienkosten aus eigenen Mitteln aufgebracht hätten, sie aber im Jahr der Verausgabung nicht oder nicht mit voller steuerlicher Wirkung als Sonderausgaben hätten geltend machen können. Aus diesem Grund sei in Abschn. 36a Abs. 2 der LStR bestimmt worden, daß Aufwendungen für die Berufsausbildung in dem Kalenderjahr abzuziehen seien, in dem sie geleistet wurden, und zwar auch dann, wenn sie aus Darlehnsmitteln stammten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid des FA wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision ist begründet.
Durch das Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 20. Februar 1969 - StÄndG 1968 - (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) wurde § 10 Abs. 1 Nr. 9 in das EStG eingefügt, und zwar mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1969. Entsprechend wurde § 20a Abs. 2 der LStDV ergänzt. Aufwendungen der Steuerpflichtigen für ihre Berufsausbildung oder für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf sind danach unter den im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen seit dem Jahr 1969 als Sonderausgaben abzugsfähig.
Der Kläger, der im Streitjahr 1970 als Regierungsrat tätig war, hatte in diesem Jahr seine Berufsausbildung bereits seit langem abgeschlossen. Das FG ist gleichwohl der Auffassung, daß die Rückzahlungen auf die während seines Studiums erhaltenen Studiendarlehen Sonderausgaben sind. Der Senat folgt dieser Beurteilung nicht.
Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG verhältnismäßig eingehend umschrieben, wann begünstigte Kosten der Berufsausbildung oder der Weiterbildung anzunehmen sind. Die Rückzahlung von Studiendarlehen ist dabei nicht aufgeführt. Die Rückzahlung von Studiendarlehen ist nicht ohne weiteres den Aufwendungen für die Berufsausbildung gleichzusetzen. Bei der Rückzahlung eines Studiendarlehens handelt es sich allenfalls nur mittelbar um Aufwendungen für eine Berufsausbildung. Sie sind daher dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht ohne weiteres einzuordnen. Der Senat hält es nicht für angängig, diese Vorschrift dahin auszulegen, daß auch die Tilgung von Studiendarlehen als Sonderausgaben angesehen wird. Da während der Berufsausbildung, insbesondere während eines Studiums, der in der Berufsausbildung Stehende im allgemeinen keine Einkünfte oder doch nur solche von geringer Höhe hat, kann sich allerdings der Abzug der während dieser Zeit für die Berufsausbildung aufgewendeten Beträge in der Regel nicht oder nur unwesentlich auswirken. Es hätte daher nahegelegen, die Rückzahlung von Studiendarlehen bei den als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen ausdrücklich im Gesetz aufzuführen, wenn die Einbeziehung der Tilgungsbeträge in den Sonderausgabenabzug gewollt gewesen wäre. Es wäre dann aber wohl erforderlich gewesen zu regeln, ob ein Wahlrecht zwischen dem Abzug in der Zeit der Berufsausbildung oder in den Veranlagungszeiträumen der Rückzahlung der Studiendarlehen besteht. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers zu diesen naheliegenden Fragen ist zu schließen, daß die Tilgung der während der Ausbildungszeit aufgenommenen Darlehen in späteren Jahren, insbesondere nach Abschluß der Berufsausbildung, nicht in den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG einbezogen werden sollte.
Gegen die vom FG vertretene Auffassung spricht aber vor allem die Überlegung, daß bei dem Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG nur hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG aufgeführten Versicherungsbeiträge und Bausparkassenbeiträge ein Abzug nicht in Betracht kommt, wenn sie mit Kreditmitteln geleistet werden. Für die Kosten der Berufsausbildung gilt die Einschränkung in § 10 Abs. 1 (am Ende) EStG nicht. In Abschn. 103 Abs. 2 letzter Satz EStR 1969 und gleichlautend in Abschn. 36a Abs. 2 LStR 1970 wurde daher zutreffend bestimmt, daß Aufwendungen für die Berufsausbildung gem. § 11 Abs. 2 EStG jeweils in dem Kalenderjahr als Sonderausgaben abzugsfähig sind, "in dem sie geleistet worden sind, und zwar auch dann, wenn sie mit Darlehnsmitteln bestritten worden sind". Wäre - wie das FG annimmt - auch die Rückzahlung von Studiendarlehen zu den als Sonderausgaben abzugsfähigen Kosten der Berufsausbildung zu rechnen, könnten sich bei Steuerpflichtigen, die während ihrer Ausbildung bereits einkommensteuer- oder lohnsteuerpflichtig waren, nicht unerhebliche Schwierigkeiten bei der Entscheidung über die Abzugsfähigkeit der Darlehnsrückzahlungen ergeben, da wahrscheinlich kaum noch feststellbar wäre, ob nicht die in u. U. weit zurückliegenden Jahren aufgewendeten Beträge für die Berufsausbildung mit Hilfe eines Darlehens bereits bei der Einkommensteuer dieser früheren Jahre berücksichtigt worden sind.
Der Auffassung von Blümich-Falk (Einkommensteuergesetz, § 10 Anm. 11), ebenso wie bei der Steuerermäßigung wegen einer außergewöhnlichen Belastung sei im Fall einer Darlehnsaufnahme die Rückzahlung von Studiendarlehen steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Aufwendungen, die mit Hilfe des Darlehens bestritten wurden, im Fall der Verwendung eigener Mittel zu einer Steuerermäßigung geführt hätten, vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Auffassung, die für die steuerliche Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen berechtigt ist, beruht nicht zuletzt auf den dem § 33 EStG zugrunde liegenden Billigkeitserwägungen. Sie kann auf den auf anderen Überlegungen aufbauenden Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG nicht übertragen werden. Für die Rückzahlung der Studiendarlehen folgt der Senat vielmehr der im Schrifttum wohl herrschenden Auffassung, daß die Rückzahlungsbeträge nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sind (so z. B. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., 1972, § 10 Rdnr. 130 f; Hartz-Over-Meeßen, ABC-Führer Lohnsteuer unter Ausbildungskosten; Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 20a LStDV Anm. 12, Bl. 10, 4).
Im Streitfall kann schließlich auch nicht unbeachtet bleiben, daß der Kläger sein Studium bereits vor dem Jahr 1969, also vor Einführung der Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten, beendet hatte. Würde man den Abzug der Tilgungsraten für Studiendarlehen als Sonderausgaben zugestehen, wo wäre der Kläger gegenüber den Steuerpflichtigen bevorzugt, die ihre Ausbildung vor dem Jahr 1969 mit eigenen Mitteln bestritten haben und im Fall einer Heranziehung zur Einkommensteuer oder Lohnsteuer damals keine Möglichkeit hatten, ihre Ausbildungskosten bei der Besteuerung geltend zu machen und denen dies auch später nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG i. V. m. § 11 Abs. 2 EStG nicht möglich ist.
Das angefochtene Urteil des FG steht in Widerspruch zu der vorstehenden Beurteilung. Es war daher aufzuheben. Die Streitsache ist entscheidungsreif. Da die Entscheidung des FA im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1970 den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, war die dagegen erhobene Sprungklage nach Aufhebung des Urteils des FG als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70929 |
BStBl II 1974, 513 |
BFHE 1974, 262 |