Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur übernahme von Verlusten einer Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft, die in der Zeit zwischen der Begründung der Organschaft und dem Abschluß des Ergebnisabführungsvertrages entstanden sind.
Normenkette
KStG §§ 6, 8b Abs. 7 S. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin - Bfin. - (eGmbH) betreibt ein Elektrizitätswerk. Mit Gesellschaftsvertrag vom 18., 22. Dezember 1951 gründete sie eine Wohnungsbau-GmbH, die den Bau und die Verwaltung von Wohnungs- und Siedlungshäusern für Betriebsangehörige der Bfin. zum Gegenstand hat. Das Stammkapital betrug 20 000 DM, wovon die Bfin. einen Anteil von 16 000 DM und zwei ihr nahestehende natürliche Personen Anteile von je 2000 DM übernahmen. Eingezahlt wurden auf das Stammkapital 5000 DM, und zwar durch die Bfin. auf ihren Geschäftsanteil. Zum 31. Dezember 1953 wurde das Stammkapital um 30 000 DM auf 50 000 DM erhöht. Den neuen Geschäftsanteil übernahm die Bfin., die ihrer Einzahlungsverpflichtung in Höhe von 26 000 DM durch Verrechnung mit inzwischen gewährten Baudarlehen und in Höhe von 4000 DM durch Banküberweisung nachkam. In der Bilanz der Bfin. zum 31. Dezember 1953 erscheint die Beteiligung mit 35 292 DM (ursprüngliche Einzahlung von 5000 DM zuzüglich 292 DM Gründungskosten, 30 000 DM Erhöhung des Stammkapitals zum Bilanzstichtag).
Die GmbH hat im wesentlichen mit unverzinslichen und verzinslichen Baudarlehen der Bfin. bebaute Grundstücke erworben und eine Wohnsiedlung erstellt. Die Baudarlehen erscheinen in den Bilanzen der GmbH auf den 31. Dezember 1951 mit 35 000 DM (unverzinsliches § 7c-Darlehen), auf den 31. Dezember 1952 mit 157 000 DM (42 000 DM unverzinsliches § 7c-Darlehen, 115 000 DM verzinsliche Darlehen) und in der Bilanz zum 31. Dezember 1953 mit 96 000 DM (verzinsliches Darlehen); die bebauten Grundstücke in den Bilanzen auf den 31. Dezember 1952 mit 15 005 DM und auf den 31. Dezember 1953 mit 18 054 DM; die Wohnsiedlung in den Bilanzen auf den 31. Dezember 1952 mit 137 043 DM und auf den 31. Dezember 1953 mit 137 192 DM (Wertberichtigung - erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) - 13 704 DM bzw. 27 424 DM).
Die Bfin. hat mit der GmbH, die in ihren Betrieb nach Art einer Betriebstätte finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist, am 13. November 1953 einen Ergebnisausschlußvertrag abgeschlossen. Die Bfin. übernimmt sämtliche Gewinne und Verluste der GmbH. übernommen werden sollen die nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auszuweisenden Gewinne und Verluste der GmbH einschließlich der Verlustvorträge. Der Vertrag gilt für die Dauer von fünf Jahren und verlängert sich jeweils um weitere fünf Jahre, wenn er nicht vorher mit einer Frist von einem Jahr gekündigt worden ist.
Die GmbH hat Verluste erlitten im Rumpfgeschäftsjahr 1951 von 1200 DM, im Geschäftsjahr 1952 von 19 189 DM und im Geschäftsjahr 1953 von 18 614 DM, zusammen von 39 003 DM. Sie vermerkt diese Verluste, die die Bfin. übernommen habe, in der Vorspalte ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1953 auf der Aktivseite, da die Bilanz infolge des Erlasses von § 7c-Darlehen durch die Bfin. ausgeglichen ist. Die Bfin. weist in ihrer Verlust- und Gewinnrechnung 1953 einen Verlust aus der Beteiligung von 39 003 DM, unter den Erträgen den Rückfluß von § 7c-Darlehen von 42 000 DM aus. In der Bilanz auf den 31. Dezember 1953 der Bfin. erscheint der Vorgang nicht, da die Verlustübernahme und der Erlaß des § 7c-Darlehens miteinander verrechnet worden sind.
Das Finanzamt hat die übernahme des Verlustes der GmbH 1953 anerkannt, nicht aber die übernahme der GmbH-Verluste 1951 und 1952 mit zusammen 20 389 DM, da es sich um Verluste aus der Zeit vor Abschluß des Ergebnisabführungsvertrages handle. Das Finanzgericht ist der Rechtsauffassung des Finanzamts beigetreten und stützte sich hierbei auch auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 73/54 U vom 8. März 1955 und I 73/55 U vom 14. Februar 1956 (Slg. Bd. 60 S. 489 bzw. Slg. Bd. 62 S. 407, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 187 - bzw. BStBl 1956 III S. 151). Die von Flume in "Der Betrieb" 1956 S. 455 ff. Abschn. I vertretene Ansicht, die übernahme des Geschäftsergebnisses setze lediglich Organschaft, nicht aber eine besondere zivilrechtliche Vereinbarung als Verpflichtungsgrund voraus, lehnte das Finanzgericht ab.
Die Rechtsbeschwerde wendet sich gegen die Vorentscheidung mit der Begründung, daß die Verluste aus Zeiten stammten, für die unbestritten ein Organverhältnis vorgelegen habe. Daß der Ergebnisabführungsvertrag erst im Jahre 1953 abgeschlossen worden sei, stehe dem Abzug nicht entgegen. Der Bundesfinanzhof habe in den vom Finanzgericht zitierten Entscheidungen lediglich Fälle behandelt, bei denen die Schaffung des Organverhältnisses zeitlich mit dem Ergebnisabführungsvertrag zusammengefallen sei. Das Finanzgericht habe sich deshalb zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gestützt. Im übrigen verweist sie auch auf die oben mitgeteilten Ausführungen von Flume und behauptet, schon vor dem schriftlichen Vertrag sei die Ergebnisabführung bereits stillschweigend gewollt gewesen. Des weiteren wendet sie dagegen, daß das Finanzgericht eine Teilwertabschreibung auf die Anteile an der GmbH abgelehnt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der der Bundesfinanzhof in den vom Finanzgericht mitgeteilten Entscheidungen gefolgt ist, macht die steuerliche Anerkennung der Ergebnisabführung des Organs für die Körperschaftsteuer von dem Abschluß eines besonderen Ergebnisabführungsvertrags abhängig. So führt die Entscheidung I 216/43 vom 21. März 1944 (Slg. Bd. 54 S. 94, Reichssteuerblatt - RStBl - 1944 S. 396) aus: "Nach der ständigen Rechtsprechung wird die persönliche Körperschaftsteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft nicht dadurch berührt, daß die Gesellschaft einem anderen Betrieb organisch eingegliedert ist. Ein Gewinn- und Verlustausgleich mit der Obergesellschaft wird der Organgesellschaft nur dann gestattet, wenn der Erfolg wegen einer übernommenen dauernden Gewinnabführungsverpflichtung bilanzmäßig nicht als Gewinn (Verlust), sondern als Schuldposten (Forderung) zu buchen ist". Sie fordert somit, daß ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag vorliegt, der bilanzmäßig zu behandeln ist. Sie lehnt damit die übertragung der Vorschriften des Gewerbesteuerrechts (Betriebstättentheorie) auf das Körperschaftsteuerrecht ab, bejaht die subjektive Steuerpflicht des Organs und beschränkt die steuerlich anzuerkennende Ergebnisabführung auf den bürgerlich-rechtlichen Vertrag, für den sie buchmäßige Behandlung in gleicher Weise wie für andere Geschäftsvorfälle fordert. Schon hierin kommt die Grundauffassung des Reichsfinanzhofs über die Tragweite der Organtheorie im Körperschaftsteuerrecht, der grundsätzliche Unterschied zum Gewerbesteuerrecht deutlich zum Ausdruck. Die Regelung des Gewerbesteuerrechts (Betriebstättentheorie) wird bilanzmäßig nicht behandelt. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs hat der Bundesfinanzhof in der Entscheidung I 163/56 U vom 5. November 1957 (BStBl 1958 III S. 24) die Zulässigkeit von Rückstellungen auf Grund von Verpflichtungen der Muttergesellschaft gegenüber einer Tochtergesellschaft (Verlustübernahme) in der Bilanz anerkannt.
Des weiteren hat der Reichsfinanzhof für den Ergebnisabführungsvertrag in der Entscheidung I 15/44 vom 9. Mai 1944 (Slg. Bd. 54 S. 102, RStBl 1944 S. 539) klare Rechtsgestaltung gefordert. Nach Ansicht der Entscheidung ist in der Regel diese Forderung nur bei schriftlichem Abschluß des Vertrages erfüllt. Auf die Notwendigkeit klarer Rechtsgestaltung haben bereits die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 143/33 vom 15. September 1933 (RStBl 1933 S. 1119) und I A 194/36 vom 25. Mai 1937 (RStBl 1937 S. 684) hingewiesen. Auch in der Entscheidung I 15/44 kommt im übrigen zum Ausdruck, daß die Ergebnisabführung nicht vom Zeitpunkt der Begründung einer Organschaft, sondern erst vom Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages steuerlich anerkannt werden kann. Der Senat tritt den Grundsätzen dieser Entscheidung zur Notwendigkeit klarer rechtlicher Gestaltung bei. Er hat gleichartige Auffassungen hinsichtlich des Verhältnisses von Kapitalgesellschaft und Gesellschafter in der Entscheidung I 4, 5/55 U vom 31. Juli 1956 (Slg. Bd. 63 S. 237, BStBl 1956 III S. 288) ausgesprochen. Desgleichen hat er insbesondere dort, wo enge Beziehungen zwischen Vertragsparteien bestehen, die Rückwirkung vertraglicher Vereinbarungen abgelehnt, so für die Mitunternehmerschaft und für Arbeitsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen in den Entscheidungen I 193/55 U vom 6. Dezember 1955 (Slg. Bd. 62 S. 43, BStBl 1936 III S. 17), I 26/55 U vom 29. Mai 1956 (Slg. Bd. 63 S. 126, BStBl 1956 III S. 246) und I 105/57 U vom 10. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 70), sowie für die Rückwirkung vertraglicher Vereinbarungen mit Gesellschafter-Geschäftsführern in den Entscheidungen I 47/55 U vom 11. Oktober 1955 (Slg. Bd. 61 S. 515, BStBl 1955 III S.397) und I 4, 5/55 U.
Zwischen einer Organobergesellschaft und einer Organuntergesellschaft können rückwirkende Vereinbarungen hinsichtlich der Ergebnisabführung steuerlich nicht anerkannt werden. Die Bfin. behauptet, bereits vor Abschluß des schriftlichen Vertrages stillschweigend mit der Tochtergesellschaft eine entsprechende Abmachung getroffen zu haben. Die Bfin. hat den Nachweis für eine mündliche Vereinbarung nicht zu erbringen vermocht. Es spricht die Vermutung dafür, daß der Zeitpunkt des schriftlichen Vertrages sich mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Gestaltung deckt. Siehe auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 94/56 U vom 25. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 379, BStBl 1956 III S. 341). Im übrigen widerspricht dem Vorbringen der Bfin., daß die Verluste 1951 und 1952 bilanzmäßig erst 1953 zusammen mit dem Verlust 1953 (also auf Grund des am 13. November 1953 abgeschlossenen schriftlichen Vertrages) behandelt worden sind. Sie kann somit mit diesem Einwand nicht zum Erfolg kommen.
Die Bfin. macht weiterhin einen niedrigeren Teilwert der GmbH-Anteile geltend. Diese Frage liegt auf tatsächlichem Gebiet. Das Finanzgericht hat bei seiner Würdigung dem Gesichtspunkt wesentliche Bedeutung zugemessen, daß die Verluste in erheblichem Umfang auf die erhöhten Abschreibungen nach § 7b EStG zurückgingen, sachlich also keine echten Verluste darstellten. Das Finanzgericht konnte hinsichtlich des Teilwertes zu seiner Auffassung kommen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 409074 |
BStBl III 1958, 299 |
BFHE 1959, 70 |
BFHE 67, 70 |
BB 1958, 619 |
DB 1958, 644 |