Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerveranlagung nach bestandskräftigem Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Bezeichung der angefochtenen Entscheidung.

2. Die Bestandskraft eines nach § 42 EStG ergangenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids steht einer Einkommensteuerveranlagung desselben Steuerpflichtigen für dasselbe Kalenderjahr nicht entgegen, auch wenn das FA nach Eintritt der Bestandskraft den gleichgebliebenen Sachverhalt nunmehr rechtlich anders würdigt und aufgrund dieser Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Veranlagungsgrenzen des § 46 Abs. 1 EStG überschritten sind (Anschluß an BFH-Beschluß vom 21. 10. 1985 GrS 2/84, BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207).

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1, § 42; FGO § 120 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) reichten beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ein mit dem Datum vom 18. März 1976 ausgefülltes Formular für den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1975 ein, in dem sie einen Bruttoarbeitslohn von 25 250 DM angegeben hatten. Die auf das Vorhandensein ,,anderer Enkünfte und Bezüge" abzielende Frage zu Punkt F des Antragsformulars bejahten sie durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens. Bei den im Vordruck vorgesehenen Angaben zu den verschiedenen Einkunftsarten trugen sie unter ,,Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" einen Betrag von 15 650 DM ein.

Am 17. Mai 1976 erteilte das FA einen Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1975. Ausgehend von einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 23 438 DM und einem zu versteuernden Einkommen von 18 611 DM wurde ein Erstattungsbetrag von 229,12 DM festgesetzt.

Aufgrund einer finanzamtsinternen Einkommensteuer-Hinweismitteilung vom 10. November 1978 führte die Veranlagungsdienststelle für das Jahr 1975 eine Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer durch. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1975 vom 12. Dezember 1978 wurden zusätzliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 13 771 DM berücksichtigt, die zu der Festsetzung einer verbleibenden Einkommensteuerschuld von 3 048 DM führten.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Einkommensteuerbescheid 1975 vom 12. Dezember 1978 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Mai 1979 auf. Es führte aus: Dem Erlaß des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 1975 vom 12. Dezember 1978 habe die Bestandskraft des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids 1975 vom 17. Mai 1976 entgegengestanden.

Das FG ließ die Revision gegen seine Entscheidung zu.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das einen Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 i. V. m. § 42 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügte.

Das FA beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Revision ist zulässig, obwohl das FA ein falsches Datum der FG-Entscheidung angegeben hat.

Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben (§ 120 Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, daß in der Revisionsschrift erkennbar ist, wogegen sich der Revisionsführer wendet und daß in bezug auf dieses Begehen Irrtümer ausgeschlossen sind. Das angefochtene Urteil wird in diesem Sinne angegeben durch die Bezeichnung des FG, welches die Entscheidung gefällt hat, durch die Angabe des Tages, an dem die Entscheidung gefällt worden ist, durch die Bezeichnung der Sache, in der die Entscheidung ergangen ist - das sind der Gegner des Rechtsstreits und der Gegenstand der Streitsache - und durch die Angabe des Akten- (Geschäfts-) zeichens des finanzgerichtlichen Rechtsstreits (vgl. dazu Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 120 FGO, Tz. 5). Nach Hübschmann/Hepp/ Spitaler (Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 FGO Anm. 9) gehört zur irrtumsfreien Bezeichnung des Urteils auch das Zustellungsdatum (zum Erfordernis der Bezeichnung der Streitsache vgl. auch Kühn / Kutter / Hofmann, Abgabenordnung / Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 120 FGO, Bemerkung 2).

Es kann dahingestellt bleiben, welche Angaben im Einzelfall ausreichen, damit ein Urteil so genau bezeichnet ist, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall genügt der Revisionsschriftsatz aufgrund der Würdigung durch den Senat diesen Anforderungen. Die Kläger, ihr Prozeßbevollmächtigter, das FA selbst und der Streitgegenstand, die Steuernummer der Kläger, das entscheidende FG und dessen Aktenzeichen sowie das Zustellungsdatum des FG-Urteils sind eindeutig und unmißverständlich bezeichnet. Vom Kläger und FA ist zur weiteren Bezeichnung des Urteils das Absendedatum der Ausfertigung des Urteils durch die Geschäftsstelle des FG statt des Datums genannt worden, an dem die mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Ein Irrtum über das angefochtene Urteil ist unter diesen Umständen ausgeschlossen.

Die Revision ist auch begründet.

Die Bestandskraft eines nach § 42 EStG ergangenen Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheids steht einer Einkommensteuerveranlagung desselben Steuerpflichtigen für dasselbe Kalenderjahr nicht entgegen, auch wenn das FA nach Eintritt der Bestandskraft den gleichgebliebenen Sachverhalt nunmehr rechtlich anders würdigt und aufgrund dieser Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Veranlagungsgrenzen des § 46 Abs. 1 EStG überschritten sind.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Ausführungen im Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 21. Oktober 1985 GrS 2/84 (BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207) unter C III. Entgegen der Auffassung des FG kann nach bestandskräftig durchgeführtem Lohnsteuer-Jahresausgleich für dasselbe Kalenderjahr ein Einkommensteuerveranlagungsbescheid ergehen, selbst wenn - wie hier - der Veranlagungsbescheid ebenso wie der Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid nur Einkünfte enthält, die im Antragsformular für den Lohnsteuer-Jahresausgleich bereits angegeben waren.

Zwar hat das FA rechtsfehlerhaft zunächst einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt. Die Kläger sind dadurch günstiger gestellt worden, als dies objektiv zutreffend ist; sie haben Steuerbeträge zu Unrecht erstattet erhalten. Daraus können sie aber nicht ableiten, diese Beträge weiterhin behalten zu dürfen, obwohl eine Einkommensteuerveranlagung grundsätzlich zulässig und damit geboten ist.

Der Senat vermag jedoch nicht in der Sache zu erkennen, denn es fehlen - vom Standpunkt des FG aus zu Recht - tatsächliche Feststellungen zu den Grundlagen der Einkommensteuerfestsetzung 1975.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414505

BFH/NV 1986, 609

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge