Leitsatz (amtlich)
Dem Ersterwerber einer Eigentumswohnung stehen die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 3 EStG in der bis 1976 geltenden Fassung zu, wenn die Eigentumswohnung als solche fertiggestellt worden ist (BFH-Urtell vom 8. November 1977 VIII R 110/76, BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82). Das trifft auch dann noch zu, wenn die nach dem Wohnungseigentumsgesetz erforderlichen Teilungserklärungen nach der Fertigstellung des Gebäudes abgegeben werden, soweit ein enger zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Errichtung des Gebäudes und der Abgabe der Teilungserklärungen besteht.
Normenkette
EStG (1971) § 7b Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) schlossen am 30. Juni 1971 einen Vorvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung, die sie am 1. September 1971 bezogen. Der Beklagte und Revisionspeklagte (das Finanzamt -- FA --) gewährte den zusammenveranlagten Klägern bei den Einkommensteuerveranlagungen für 1971 und 1972 antragsgemäß die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 1. Dezember 1971 (EStG). Anläßlich einer Betriebsprüfung bei dem Bauträger dieser Wohnung wurde festgestellt, daß das Haus als Mietwohnhaus errichtet worden war und die Wohnungen erst durch notarielle Teilungserklärung vom 26. Januar 1972 in Eigentumswohnungen umgewandelt worden waren. Aufgrund einer dem FA am 5. April 1978 zugegangenen Kontrollmitteilung änderte das FA die angefochtenen Einkommensteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), indem es nunmehr die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 3 EStG versagte.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Die von den Klägern vorgelegten Unterlagen hätten eindeutig den Eindruck hervorgerufen, daß es sich um eine Eigentumswohnung gehandelt habe. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, daß die Teilungserklärung noch nicht abgegeben worden sei. Der Abschluß eines Vorvertrages habe auch nicht grundsätzlich gegen das Vorliegen einer Eigentumswohnung gesprochen.
Das FA habe auch zutreffend die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG versagt. Die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aufgestellten Grundsätze für das Vorliegen einer Eigentumswohnung (Urteil vom 8. November 1977 VIII R 110/76, BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82) seien nicht gegeben, da bei Bezugsfertigkeit bzw. bei Fertigstellung weder eine Eigentumswohnung bestanden habe noch zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche geschaffen gewesen seien.
Mit der durch Beschluß des erkennenden Senats vom 27. Januar 1981 VIII B 32/80 zugelassenen Revision tragen die Kläger vor: Das FG habe zu Unrecht das Vorliegen von neuen Tatsachen i. S. von § 173 AO 1977 angenommen. Es bestünden auch Bedenken gegen eine Anwendung des Urteils in BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82. Bei wirtschaftlicher Betrachtung habe es sich um eine Eigentumswohnung gehandelt.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer 1971 und 1972 unter Berücksichtigung der erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 3 EStG herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA trägt vor: Die Voraussetzungen einer geänderten Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 hätten vorgelegen. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht sei nicht gegeben. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen hätten keine ersichtlichen Unklarheiten bestanden.
Das FG habe auch unter Anwendung der Grundsätze des Urteils in BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82 die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 3 EStG zutreffend. versagt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet.
1. Entgegen der Ansicht der Kläger verletzt die Vorentscheidung jedoch nicht § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß neue Tatsachen bekanntgeworden sind. Bei der erstmaligen Veranlagung zur Einkommensteuer 1971 und 1972 konnte das FA aufgrund der von den Klägern vorgelegten Unterlagen ohne weitergehende Ermittlungen davon ausgehen, daß die Voraussetzungen des § 7 b Abs. 3 EStG vorlagen, da nach der Rechtsprechung des BFH auch der wirtschaftliche Eigentümer (§ 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes -- StAnpG --) als anspruchsberechtigt angesehen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1973 VIII R 90/70, BFHE 109, 254, BStBl II 1973, 591). Die durch die Betriebsprüfung bei dem Bauträger getroffenen Feststellungen, daß zunächst Mietwohnungen errichtet und durch Teilungserklärung vom 26. Januar 1972 in Eigentumswohnungen umgewandelt worden seien, waren dem FA bei der Veranlagung nicht bekannt und daher neu. Unerheblich hierbei ist für die Annahme einer neuen Tatsache i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, ob die materiellrechtliche Würdigung des FA zutreffend ist. Diese unterliegt einer gesonderten Überprüfung und führt im vorliegenden Fall zum Erfolg der Revision.
2. Die Vorentscheidung verletzt § 7b EStG (1971).
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82 die Auffassung vertreten, daß § 7b Abs. 3 EStG 1965 nur dann eingreift, wenn die erworbene Eigentumswohnung "als solche" fertiggestellt worden ist. Aus diesem Grunde hat er die Gewährung der erhöhten Absetzung nach § 7b Abs. 3 EStG für eine durch Teilung aus einem Mietwohngrundstück hervorgegangene Eigentumswohnung abgelehnt. Mitentscheidend für diese Ansicht war der Umstand, daß in diesem Fall der neben der Vermögensbildung verfolgte Gesetzeszweck der Schaffung neuen Wohnraums nicht gegeben sei.
Die seinerzeit im Rahmen der Auslegung des § 7b Abs. 3 EStG zu beurteilende Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen erforderte keine Aussage im entscheidungserheblichen Sinn darüber, wann und wie eine Eigentumswohnung "als solche" fertiggestellt worden ist. Der erkennende Senat ließ damals unentschieden, ob die Voraussetzungen für die erworbene Eigentumswohnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bei der Fertigstellung oder der Bezugsfertigkeit bestehen müssen oder ob es genügt, daß hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen bzw. eingeleitet worden waren oder ob möglicherweise auch andere Kriterien maßgeblich sind.
In dieser Entscheidung hat der erkennende Senat des weiteren ausgeführt, daß Steuerbegünstigungsvorschriften nicht buchstäblich eng, sondern unter sinnvoller Würdigung des mit ihnen verfolgten Zwekkes auszulegen sind; es dürfe jedoch kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden. Das hat, wie oben dargelegt, zu einer Nichtanwendung des § 7b Abs. 3 EStG von durch Umwandlung von Mietwohnungen entstandener Eigentumswohnungen geführt, weil hierdurch kein neuer Wohnraum geschaffen worden war. Andererseits hat der Senat es nach dem Gesetzeszweck für nicht erforderlich gehalten, daß bereits der Bauantrag auf die Errichtung von Eigentumswohnungen gerichtet sein müsse. Der Senat ist der Ansicht, daß es zur Erfüllung des Zweckes des Gesetzes in seiner für das Streitjahr geltenden Fassung, neuen Wohnraum zu schaffen, genügt, daß die für die Schaffung von Eigentumswohnungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (§§ 3 und 8) erforderlichen Erklärungen noch in einem engen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Fertigstellung (Bezugsfertigkeit) des Gebäudes stehen. Diesen Zusammenhang sieht der Senat im vorliegenden Fall, bei dem für die am 1. September 1971 bezogene Wohnung die notarielle Teilungserklärung am 16. Januar 1972 abgegeben wurde, noch als gegeben an. Eine vorübergehende anderweitige Nutzung, etwa durch Vermietung der neu erstellten Wohnungen, hält der Senat für unschädlich. Denn in diesem Fall ändert sich an dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck, neuen Wohnraum zu schaffen, nichts.
Danach ist die Vorentscheidung, die von anderen Rechtserwägungen ausgegangen ist, aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berichtigungsbescheide für 1971 und 1972 sind aufzuheben. Damit lebt der jeweilige Erstbescheid, in dem die begehrte erhöhte Absetzung gewährt worden war, wieder auf (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231).
Fundstellen
Haufe-Index 74533 |
BStBl II 1983, 194 |
BFHE 1982, 243 |