Leitsatz (amtlich)
Lumpen sind textile Rohstoffe im Sinne des § 72 Ziff. 7 UStDB 1951.
Normenkette
UStG § 16 Abs. 1; UStDB 1951 § 70 Abs. 2 Ziff. 2, § 72 Ziff. 7
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.), die unter anderem eine Lumpensortieranstalt betreibt, nimmt für Ausfuhrlieferungen von ihr sortierter Lumpen Ausfuhrhändlervergütung nach § 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch. Nach § 70 Abs. 2 Ziff. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 ist unter anderem Voraussetzung für die Gewährung der Ausfuhrhändlervergütung, daß der ausgeführte Gegenstand vom Antragsteller im Inland nicht bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Die im § 72 UStDB besonders zugelassenen Bearbeitungen schließen die Ausfuhrhändlervergütung nicht aus, wenn sie im Inland vorgenommen worden sind. Nach § 72 Ziff. 7 a. a. O. ist die Veredelung (unter anderem auch das Sortieren) textiler Rohstoffe, Halberzeugnisse oder Fertigerzeugnisse besonders zugelassen. Streit besteht nur noch darüber, ob Lumpen textile Rohstoffe im Sinne dieser Vorschrift sind.
Das Finanzamt hat seinen ablehnenden Standpunkt im wesentlichen damit begründel, daß eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zwar für die Rohstoffeigenschaft von Lumpen spreche; für die Zurechnung zu den "textilen" Rohstoffen im Sinne des § 72 Ziff. 7 UStDB sei aber entsprechend dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift der Verwendungszweck, nicht die Herkunft maßgebend. Lumpen würden nicht ausschließlich zu Texlilien verarbeitet, sie dienten auch zur Herstellung von Papier; ferner fielen bei dem Sortierprozeß auch Putzlumpen, also Fertigerzeugnisse, an. Schließlich spreche die auch für das Umsatzsteuerrecht maßgebliche zolltarifrechtliche Abgrenzung gegen die Eigenschaft von Lumpen als textile Rohstoffe.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Stpfl. hatte Erfolg. Die gegen die Zubilligung der Ausfuhrhändlervergütung gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Zutreffend geht die Vorentscheidung unter Berufung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 23/43 vom 10. Dezember 1943 (Slg.Bd. 54 S. 41, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1944 S. 627) davon aus, daß die Anwendung zolltariflicher Bestimmungen nur dort in Betracht kommt, wo sich eine Auslegungsmöglichkeit ergibt. Der Zolltarif und die zu seiner Handhabung erlassenen Vorschriften müssen zu einer vergleichsweisen Heranziehung geeignete Begriffsbestimmungen enthalten. Eine Prüfung in dieser Hinsicht ergibt aber, daß der hier noch anzuwendende Zolltarif von 1902 nebst dem hierzu ergangenen Warenverzeichnis -- nicht anders übrigens der ab 1. Oktober 1951 anzuwendende Zolltarif von 1951 -- einen Begriff oder einen Abschnitt "textile Rohstoffe" nicht kennt, sondern unter der Überschrift "Spinnstoffe und Waren daraus" dem Produktionsgange folgend eine Einteilung in Kapitel nach dem Rohstoff (z. B. Wolle, Baumwolle, Kunstseide) aufweist, so daß Lumpen, die in der Regel sowohl Wolle, Zellwolle oder Baumwolle enthalten, schon deswegen nicht in diesen Kapiteln aufgeführt werden konnten. Der Zolltarif kennt aber auch Kapitel, in denen Textilgüter ohne Rücksicht auf den Rohstoff, aus dem sie hergestellt sind, aufgeführt sind (vgl. zum Zolltarif von 1902 Abschnitt 5, Unterabschnitt A--L. darun ter auch Lumpen, Zolltarif-Nr. 543; im Zolltarif 1951 vgl. Abschnitt XI Kapitel 50--57, andererseits aber z. B. Kapitel 58 und 60, Lumpen unter Kapitel 63 des gleichen Abschnitts). Aus der Tatsache, daß Lumpen in einem besonderen Kapitel, aber innerhalb des Abschnitts "Spinnstoffe und Waren daraus" genannt sind, lassen sich hiernach jedenfalls nicht Schlüsse gegen die Eigenschaft der Lumpen als textile Rohstoffe ziehen.
Wenn sich deshalb nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift eine eindeutige Abgrenzung herleiten läßt, werden Sprachgebrauch und Verkehrsauffassung maßgeblich sein. Die Rb. ist der Meinung, daß nach Sinn und Zweck des § 72 Ziff. 7 UStDB auf die Verwendung, nicht auf die Herkunft der Rohstoffe abgestellt sei. Daran ist sicherlich soviel richtig, daß eine besonders zugelassene Veredlung von textilen Rohstoffen naturgemäß textile Erzeugnisse zum Ziel haben muß. Unstreitig trifft dies bei den Lumpen im Streitfalle auch in ganz überwiegendem Umfange zu. Daß der Rohstoff aber ausschließlich zur Verarbeitung zu Textilien bestimmt und geeignet sein müsse, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Zutreffend hat die Beschwerdegegnerin darauf hingewiesen, daß andere textile Rohstoffe, deren Eigenschaft als solche unbestritten sei, wie z. B. Linters, Hanf, Jute und Flachs, gleichsfalls in der Papierindustrie Verwendung finden. Andererseits wird vom Fachverband der Hadernsortierbetriebe vorgetragen, daß laut Textilstatistik für das Jahr 1951 Lumpen in einem Umfange Verwendung gefunden haben, der noch die Verwendung des Rohstoffs Wolle übertraf, während die Lumpen in der Papierindustrie in einem weit geringeren Umfange und nur zur Verarbeitung weniger besonderer Papiersorten verwendet werden. Nach alledem aber werden Lumpen nach Sprachgebrauch und Verkehrsauffassung, wie auch von der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft, Fachliche Gruppe Textilwirtschaft, bestätigt worden ist, zu den Textilrohstoffen zu rechnen sein. Lumpen, die ihrerseits textile Erzeugnisse sind und durch Bearbeitungsvorgänge der Textilindustrie zu Textilerzeugnissen verarbeitet werden können und in der Regel auch verarbeitet werden, müssen daher zwangsläufig als textile Rohstoffe gelten.
Daß Lumpen auch als Abfälle von Gespinstwaren bezeichnet werden können und, wie die Rb. selbst vorträgt, einen Ausgangsstoff u. a. für Reißspinnstoffe oder Watte, die ihrerseits ein Textilerzeugnis ist, bilden, schließt nicht aus, daß sie unter den Begriff "textile Rohstoffe" fallen. Wenn sich die Rb. darauf beruft, daß in § 29 Abs. 2 Ziff. 1, 9a, 12, 13d und 14 UStDB 1951 jeweils ausdrücklich vermerkt sei, daß sich die Vergünstigung nicht nur auf den Stoff, sondern auch auf die Abfälle hiervon erstrecken soll, und daß deshalb in § 72 Ziff. 7 a. a. O. die Fassung "und Abfälle davon" und gegebenenfalls zusätzlich "einschließlich Lumpen" erforderlich gewesen wäre, um Lumpen unter diese Vorschrift rechnen zu können, so greift dieser Einwand nicht durch. Einmal ist es nicht angängig, die unter einer ganz anderen wirtschaftlichen Zielsetzung stehende Vorschrift des § 29 UStDB hier zum Vergleich heranzuziehen; denn § 29 begünstigt nur einen Teil der textilen Rohstoffe, nicht z. B. Flachs, Jute, Hanf u. a. , zum andern handelt es sich bei den textilen Abfällen des § 29 Ziff. 1, 9a und 14 a. a. O. um solche, die beim Verarbeitungs- und Gewinnungsprozeß anfallen, so daß z. B. Wollabfälle nur aus Wolle bestehen, während es sich bei Lumpen neben Neustoffabfällen auch um Altmaterial handelt, das aus unbrauchbar gewordenen textilen Fertigerzeugnissen und in der Regel aus einem Gemisch von Wolle und Zellwolle bzw. Baumwolle und Zellbaumwolle besteht. Schießlich wird von der Rb. für ihre Auffassung noch angeführt, daß Lumpen nur Ausgangsstoffe für die Herstellung textiler Rohstoffe seien; diese entstünden erst nach weiterer Verarbeiung wie Reißen usw. Dem aber ist entgegenzuhalten, daß auch der Rohoder Ausgangsstoff Wolle oder Baumwolle verschiedener Bearbeitungen bedarf, ehe er zum spinnfertigen Gut wird, ohne daß deshalb der Rohbaumwolle oder Rohwolle im Zustand ihrer Gewinnung die Eigenschaft als textiler Rohstoff abgesprochen wird.
Nach alledem war der von der Stpfl. gegebenen, mit Sprachgebrauch und Verkehrsauffassung übereinstimmenden und den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechenden Abgrenzung des Begriffs "textile Rohstoffe" der Vorzug zu geben.
Die Rb. war deshalb mit der Kostenfolge des § 309 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407976 |
BStBl III 1954, 292 |
BFHE 1955, 217 |