Leitsatz (amtlich)
1. Zuführungen des Arbeitgebers an eine Versorgungseinrichtung (Zukunftssicherungsleistungen) können auch dann gegenwärtig zufließender Arbeitslohn der Arbeitnehmer sein, wenn die Versorgungseinrichtung keine eigene Rechtspersönlichkeit (z. B. als Stiftung oder sonstige juristische Person) besitzt, sondern durch einen Fonds (Versorgungsfonds, Pensionsfonds) des Arbeitgebers gebildet wird. Voraussetzung ist, daß das Fondsvermögen als Sondervermögen aus dem sonstigen Betriebsvermögen des Arbeitgebers ausgeschieden und seiner freien Verfügung entzogen ist, so daß eine dauernde Verwendung für die Versorgungszwecke gesichert ist.
2. Solche Zuführungen können auch im Umlagewege erfolgen und vom Arbeitgeber allein (ohne Beteiligung des Arbeitnehmers) erbracht werden. Ist der Arbeitgeber zu den Zuführungen nach der Satzung verpflichtet, so kommt es nicht darauf an, ob die Zuführungen für die künftigen satzungsmäßigen Leistungen erforderlich sind.
2. Werden die Zuführungen nach dem Arbeitslohn der versicherten Arbeitnehmer berechnet, so liegen keine sog. Pauschalzuweisungen vor (die nicht als Arbeitslohn angesehen werden könnten).
Normenkette
EStG 1965, 1967, 1969 § 19 Abs. 1; LStDV 1965, 1968, 1970 § 2 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Die Stadt X, Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), hat sich in einem Tarifvertrag verpflichtet, ihre tarifgebundenen Angestellten und Arbeiter zum Zwecke der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsversorgung bei einer kommunalen Zusatzversorgungseinrichtung zu versichern. In Erfüllung dieser Verpflichtung hat die Klägerin eine eigene Zusatzversorgungskasse (ZVK) errichtet. Die ZVK ist eine rechtlich unselbständige Einrichtung der Stadt X (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Als Deckungsmassen für die Leistungen der Kasse und ihre Verwaltungskosten bestehen bei der Kasse ein Deckungsvermögen und ein Umlagevermögen (§ 69 Abs. 1 der Satzung). Das Deckungsvermögen und das Umlagevermögen bilden als Kassenvermögen gegenüber dem sonstigen Vermögen des Rechtsträgers der Kasse ein Sondervermögen, das nur für die im Bereich der Kasse entstehenden Verbindlichkeiten des Rechtsträgers haftet (§ 69 Abs. 4 der Satzung). Im Falle der Auflösung der Kasse ist das Vermögen in erster Linie für die Leistungsempfänger und ihre Angehörigen, danach für die Zwecke der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der vorhandenen Versicherten zu verwenden (§ 9 Abs. 2 der Satzung). Das Deckungsvermögen wird aus dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung vorhandenen Vermögen der ZVK, aus den Pflichtbeiträgen und den Beiträgen zur freiwilligen Weiterversicherung gebildet. Das Umlagevermögen wird aus den Umlage- und den Ausgleichsbeträgen gebildet (§ 69 Abs. 2 und 3 der Satzung). Die aus dem Deckungsvermögen zu zahlenden Leistungen der ZVK sind in § 70 Abs. 1 der Satzung im einzelnen aufgezählt. Alle übrigen Leistungen der Kasse und die Verwaltungskosten sind nach Abs. 2 dieser Vorschrift aus dem Umlagevermögen aufzubringen. Als übrige Leistungen kommen in Betracht:
Versorgungsrenten nach § 31 Abs. 1 der Satzung und die entsprechenden Abfindungsbeträge; Kinderzuschläge; Härteausgleich; außerdem andere freiwillige Leistungen (Weihnachtszuwendungen an Rentenempfänger und Beihilfen in Krankheits- und Todesfällen) nach Beschlußfassung durch den Gemeinderat außerhalb der ZVK-Satzung.
Der Pflichtbeitrag setzt sich aus einem Arbeitgeberanteil und einem Arbeitnehmeranteil zusammen. Die Umlagen werden vom Arbeitgeber allein getragen (§ 63 der Satzung). Nach § 71 der Satzung ist der Umlagesatz jeweils für einen Deckungsabschnitt von zehn Jahren durch die ZVK nach versicherungsmathematischen Grundsätzen auf der Grundlage der beitragspflichtigen Arbeitsentgelte so festzusetzen, daß die für den Dekkungsabschnitt zu entrichtenden Umlagen zusammen mit dem Umlagevermögen voraussichtlich ausreichen, die Ausgaben für den Deckungsabschnitt und zwei weitere Jahre zu decken. Die Verwaltungskosten sind für die Bemessung des Umlagesatzes in Höhe von 0,15 v. H. der Arbeitsentgelte der Pflichtversicherten anzusetzen. Der erste Deckungsabschnitt, für den ein Umlagesatz von 3 v. H. festgesetzt war, begann am 1. Januar 1967.
Die Klägerin behielt in den Streitjahren 1967 bis 1970 Lohnsteuer nur für die Pflichtbeiträge, nicht aber für die Umlagen ein. Mit Haftungsbescheid forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) u. a. Lohnsteuer für die Umlagen sowie darauf entfallende evangelische und römisch-katholische Kirchenlohnsteuer nach. Die Lohnsteuer hat das FA mit 8 v. H. der Umlage, die Kirchenlohnsteuer bis zum 31. Dezember 1969 mit 9 v. H. und vom 1. Januar 1970 an mit 7 v. H. der Lohnsteuer angesetzt.
Während des nach erfolglosem Einspruch eingeleiteten Klageverfahrens setzte das FA mit berichtigtem Haftungsbescheid den Gesamthaftungsbetrag herab. Die Änderungen betrafen nicht die Versteuerung der Umlage. Die Klägerin erklärte gemäß § 68 FGO den berichtigten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens vor dem FG ...
Das FG wies die Klage ab. Es führte u. a. aus: Auch die Umlagebeträge seien den Arbeitnehmern als Arbeitslohn, nämlich als Ausgaben der Klägerin für ihre Zukunftsicherung zugeflossen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV), da sich die Sache wirtschaftlich so darstelle, als ob die Klägerin ihnen einen Betrag zur Verfügung gestellt habe, den sie selbst als ihnen zugeflossenes Einkommen zum Erwerb einer Zukunftsicherung verwendet hätten. Die Arbeitnehmer hätten auf die Leistungen aus der ZVK klare Rechtsansprüche gehabt. Die ZVK sei zwar kein rechtsfähiges Gebilde, sondern nur eine rechtlich unselbständige Einrichtung der Klägerin. Ihre Verfassung entspreche aber derjenigen rechtsfähiger Pensionskassen ...
Die Annahme des Zuflusses werde nicht dadurch beeinflußt, daß nur Pflichtbeiträge und Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung bei Nichtinanspruchnahme von Versorgungsleistungen erstattet würden und daß beim Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber nur diese Beiträge auf eine andere Zusatzversorgungseinrichtung übergeleitet würden (Urteil des RFH vom 10. Februar 1939 IV 153/37, RStBl 1939, 741). Auch die Tatsache, daß die Versorgungsrente von einer Mindestdauer monatlicher Beitragszahlungen abhängig sei, beeinflusse nicht die Lohnsteuerpflicht der Umlagezuführungen. Denn die Gesamtversorgung könne auf die Dauer nicht allein aus dem Deckungsvermögen finanziert werden.
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Mit der Revision rügt die Klägerin Verfahrensmängel und Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Sie trägt u. a. vor: Zuführungen an rechtlich unselbständige Versorgungseinrichtungen könnten nicht wie Zuführungen an selbständige Pensionskassen beurteilt werden. Nach der maßgebenden Gemeindeordnung könne nur der Gemeinderat der Stadt X über das Kassenvermögen der ZVK verfügen. Satzungsänderungen stünden ausschließlich dem Gemeinderat zu. Die vorgesehene Anhörung des Verwaltungsrates schränke die alleinige Entscheidungsbefugnis des Gemeinderates nicht ein. Hinzu komme, daß die Stadt X unmittelbar für die den versorgungsberechtigten Arbeitnehmern zustehenden Leistungen hafte. Bei rechtlich selbständigen Zusatzversorgungskassen (insbesondere bei den sogenannten Gebietskassen) bestehe eine solche Haftung nicht oder nur insoweit, als eine Nachschußpflicht der einzelnen beteiligten Arbeitgeber festgelegt sei. Bei rechtlich selbständigen Versorgungskassen hätten die kommunalen Arbeitgeber mit den ordnungsgemäßen Zahlungen der Versicherungsbeiträge sowie Umlagen ihre tarifvertragliche Versorgungspflicht abschließend erfüllt; bei rechtlich unselbständigen Zusatzversorgungskassen könne dies nur insoweit der Fall sein, als den Versorgungsberechtigten die zustehenden Kassenleistungen tatsächlich zuflössen...
Bis zum 31. Dezember 1973 seien solche Versorgungskassen nach dem hier maßgebenden Gemeindewirtschaftsrecht in die allgemeine städtische Haushalts- und Vermögensrechnung eingegliedert gewesen. Erst ab 1. Januar 1974 sehe die Neufassung der Gemeindeordnung vor, daß rechtlich unselbständige Versorgungs- und Versicherungseinrichtungen für Bedienstete der Gemeinden ein Sondervermögen seien, für das ein besonderer Haushaltsplan aufzustellen und eine Sonderrechnung zu führen sei. Die gegenteiligen Feststellungen in den Entscheidungsgründen des FG müßten als das Ergebnis einer unzureichenden Beweiserhebung und fehlerhaften Beweiswürdigung angesehen werden.
Es entspreche nicht wirtschaftlicher Betrachtungsweise, wenn das FG davon ausgehe, daß allein schon die den Bediensteten garantierte Anwartschaft auf eine bestimmte Zukunftsicherung ausreiche, um alle dazu bereitgestellten Deckungsmittel und Rücklagen als gegenwärtig zugeflossenen Arbeitslohn zu bewerten. Die bisherigen Umlagezuführungen seien nicht erforderlich gewesen, weil die garantierte Zukunftsicherung schon durch die Beiträge, das schon vor Inkrafttreten des geltenden Versorgungstarifvertrages angesammelte und übergeleitete alte Beitragsvermögen sowie aus den laufenden Zinserträgen dieser Vermögensanlagen ausreichend gewährleistet sei. Eine entsprechende Angleichung oder vollständige Einstellung der Umlagezuführungen sei zunächst deshalb unterblieben, weil die Klägerin über das angesammelte Vermögen ihrer unselbständigen Kasse in eigener Zuständigkeit verfüge. Weder FA noch FG hätten dargelegt und nachgewiesen, welche bestimmten Ansprüche durch die Umlagezuführungen bewirkt würden. Nach dem Tarifvertrag bestehe entgegen der Darstellung des FG keine Verpflichtung, neben dem Pflichtbeitrag eine Zulage von 3 v. H. aufzubringen. Nach dem Tarifvertrag habe die Stadt lediglich im Wege der Umlagezuführungen sicherzustellen, daß für alle fälligen Versorgungsleistungen einschließlich der von Fall zu Fall beschlossenen freiwilligen Leistungen und für den Verwaltungsaufwand ausreichende Dekkungsmittel zur Verfügung stünden. Die Zuführungen der Stadt müßten deshalb als Rücklagen des Arbeitgebers zur Deckung eines künftigen Versorgungsaufwandes angesehen werden....
Es handele sich deshalb um Aufwendungen des Arbeitgebers an eine Rückdeckungsversicherung.
Im Urteil vom 28. März 1958 VI 233/56 S (BFHE 66, 701, BStBl III 1958, 268) habe der BFH entschieden, daß Pauschalzuweisungen eines Arbeitgebers an eine angegliederte selbständige Unterstützungs- oder Versorgungskasse kein Arbeitslohn seien. Auch im Streitfall seien die Umlagezuführungen Pauschalzuweisungen. Als solche seien (u. a. auch nach dem BFH-Urteil vom 7. Juli 1972 VI R 116/69, BFHE 107, 11, BStBl II 1972, 890) Geldzuführungen anzusehen, die keine Rechtsansprüche auf bestimmte spätere Versorgungsleistungen bewirkten. ...
Die bisherige Regelung der Umlagezuführungen könne dadurch geändert werden, daß das Nachdeckungsverfahren eingeführt werde. Ab 1974 werde sie, die Stadt, dementsprechend nur noch die tatsächlich entstandenen, nicht beitragsbezogenen Aufwendungen der ZVK durch nachfolgende Umlagezuführungen decken. Ein dazu erforderlicher Beschluß über die Änderung der Satzung bedürfe nicht der Mitwirkung und Zustimmung der Tarifpartner. Bei Einführung eines solchen Nachdeckungsverfahrens werde das gesamte bei der ZVK bisher angesammelte Umlagevermögen nicht mehr benötigt. Sie sei also nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, das angesammelte Umlagevermögen aufzulösen und für andere Zwecke außerhalb der ZVK zu verwenden.
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Die vom FA vorgenommene Pauschalbesteuerung sei mit den Vorschriften des § 42 a EStG und des § 35 b LStDV nicht vereinbar. Aus den bisherigen Leistungen der ZVK, die mit den Umlagezuführungen zu decken waren, hätte sich bei den einzelnen Leistungsempfängern (Rentnern) nach § 32 LStDV in nahezu allen Fällen kein Lohnsteuerabzug ergeben. Indem das FA für die Umlagezuführungen eine Pauschalbesteuerung vornehme, während die Beiträge der einzelnen Arbeitnehmer zur ZVK als Bestandteile des Bruttoarbeitslohnes dem Lohnsteuerabzug unterworfen würden, erkenne das FA selbst an, daß beide Leistungen steuerlich unterschiedlich zu beurteilen seien.
Fundstellen
Haufe-Index 72442 |
BStBl II 1977, 761 |
BFHE 1978, 37 |