Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht von Wirtschaftsprüfern.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Steuerpflichtige (Stpfl.) für die Jahre 1946 und 1947 zur Gewerbesteuer heranzuziehen ist.
Der Stpfl. ist Wirtschaftsprüfer. Ende 1947 wurde er nach der Entnazifizierung auch wieder als Steuerberater zugelassen. Seine Honorar-Einnahmen betrugen im Jahre 1946 rund 77 600 RM und im Jahr 1947 rund 71 700 RM. Der Gewinn wurde für 1946 auf 18 154 RM und für 1947 auf 22 322 RM festgesetzt. Der Stpfl. hat im Jahr 1946 insgesamt 45 Firmen und im Jahr 1947 47 Firmen betreut. Buchführungsarbeiten wurden nicht erledigt. Unter dem Gesichtspunkt der Honorareinnahmen ergibt sich folgende Gruppierung:
1946 1947
Honorar bis zu 1 000 RM 21 Firmen 31 Firmen
Honorar von 1 000--5 000 RM 20 Firmen 15 Firmen
Honorar über 5 000 RM 4 Firmen 1 Firma
In der Praxis des Stpfl. waren außer zwei Schreibkräften im Jahr 1946 drei bis vier Revisoren und im Jahr 1947 zwei bis drei Revisoren tätig.
Die Gehaltsbezüge der Revisoren bewegten sich zwischen 500 und 620 RM monatlich.
Der Prüfer A. erklärte als Auskunftsperson vor dem Finanzgericht u. a. : In den Jahren 1946 und 1947 habe er Jahresabschlußprüfungen bei mittleren und größeren Betrieben im wesentlichen selbständig durchgeführt und darüber einen Bericht angefertigt. Schlußbesprechungen hätten sich teilweise erübrigt, weil die von ihm angefertigten Prüfungsberichte dem Stpfl. zur Kritik vorgelegt worden seien. Beratungen im Rahmen der Prüfung habe er vorgenommen. Bei besonderen Fällen sei der Stpfl. zugezogen worden. Die ihm von den Firmen vorgelegten Bilanzen habe er selbständig geprüft. In anderen Fällen habe er die Bilanzen an Hand der Hauptabschlußübersicht aufgestellt. Die Inventuren seien in jedem Falle von den Firmen aufgestellt worden. Die Erfolgsrechnungen und Kalkulationen habe er selbständig gefertigt. Sämtliche Ausgänge habe der Stpfl. gezeichnet. Die Berichte seien von ihm im Konzept dem Stpfl. zur Durcharbeitung übergeben worden. Besondere Änderungen seien nur in seltenen Fällen erfolgt.
Der Prüfer B. gab an, daß er zu Beginn nur nach Anweisung und eingehender Beratung mit dem Stpfl. die Prüfungen habe durchführen können, weil ihm infolge seiner mehrjährigen Abwesenheit aus dem Beruf gründliche steuerliche Kenntnisse gefehlt hätten. Im Laufe der Zeit habe er sich aber wieder eingearbeitet und sei in der Lage gewesen, die ihm übertragenen Prüfungen selbständig durchzuführen, jedoch mit der Maßgabe, daß er über den jeweiligen Stand der Prüfung und bei besonderen Zweifelsfragen mit dem Stpfl. gesprochen habe. Er habe regelmäßig am Ende der Woche das Ergebnis seiner Arbeit mit dem Stpfl. durchgesprochen und von ihm Anregungen und Wünsche hinsichtlich der Prüfungstätigkeit und der Ausgestaltung des Berichts bekommen. Seine Prüfungstätigkeit habe er überwiegend allein durchgeführt. Die dem Stpfl. im Entwurf vorgelegten Prüfungsberichte seien nach Korrektur den Auftraggebern zugeleitet worden. Eine selbständige Beratung habe sich zum Teil zwangsläufig bei der Vornahme der Jahresprüfungen ergeben. Bei schwierigen Fällen seien Auskünfte nur nach Rücksprache mit dem Stpfl. erteilt worden. Buchhaltungsarbeiten habe weder er noch sein Prüfungsassistent ausgeführt. Bilanzen, Erfolgsrechnungen und Kalkulationen habe er selbständig angefertigt. Steuererklärungen seien von ihm im Entwurf angefertigt und dann zur Durchsicht und Ausfertigung dem Büro des Stpfl. übergeben worden.
Die Auskunftspersonen bekunden übereinstimmend, daß der gesamte Schriftwechsel dem Stpfl. vorgelegt wurde und daß er von ihm unterzeichnet worden ist.
Im Buchprüfungsbericht des Finanzamts ist festgestellt, daß der Stpfl. seinen Auftraggebern für die Tätigkeit der Prüfer -- neben dem Ersatz der Fahrtkosten und neben Aufenthaltskosten -- 60 RM pro Tag berechnet hat.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, daß die vom Stpfl. beschäftigten Revisoren Arbeiten verrichteten, die der Tätigkeit des Stpfl. gleichartig seien. Durch die Tätigkeit dieser Mitarbeiter sei die Arbeitskraft des Stpfl. mindestens teilweise ersetzt und vervielfacht worden. Die Einkünfte des Stpfl. seien danach als gewerbliche Einkünfte und nicht als Einkünfte aus freier Berufstätigkeit anzusehen. Das Finanzamt setzte für 1946 und 1947 die Gewerbesteuermeßbeträge fest.
Das Finanzgericht verneinte eine Gewerbesteuerpflicht. Es führt aus, daß durch die Beschäftigung der vorgenannten Prüfungsgehilfen die Grenzen der freiberuflichen Tätigkeit nicht überschritten worden seien. Nach dem Gesamtbild des Falles sei zu verneinen, daß durch die Tätigkeit der in der Praxis des Stpfl. beschäftigten Revisoren die Arbeitskraft des Stpfl. teilweise ersetzt und vervielfacht worden sei. Sämtliche Prüfungsgehilfen hätten mehr oder weniger unselbständig gearbeitet, der Stpfl. habe sich in jedem Falle die Berichtskritik vorbehalten, er sei außerdem fast in jeder Sache in dem geprüften Betrieb vorübergehend anwesend gewesen und habe sich, soweit es erforderlich war, an den zu führenden Besprechungen beteiligt, wobei er über die jeweils zu vertretende Auffassung die letzte Entscheidung gefällt habe. Es bestehe kein Zweifel, daß der Stpfl. damit eine besonders große Arbeitsleistung vollbracht habe. Auch der Umstand, daß der als Revisor tätige Dr. B. nur bis Ende 1946 als Angestellter und von da ab im freien Mitarbeiterverhältnis tätig war, ändere an der Beurteilung nichts. Er habe ausdrücklich seine Prüfertätigkeit, wie er sie als Angestellter besorgt hatte, unverändert fortgeführt. Im übrigen müsse unabhängig von der besonderen Lage des Falles allgemein gesagt werden, daß ein Wirtschaftsprüfer, der einen Mitarbeiterstab von 3 bis 4 qualifizierten Prüfungsgehilfen beschäftige, die volle Verantwortung als eigentlicher Berufsträger grundsätzlich voll übernehmen könne und sich nicht bloß auf überwachende Funktion zu beschränken brauche. Es sei zudem anzuerkennen, daß für die Prüfung großer Wirtschaftsunternehmungen ein solcher Mitarbeiterstab geradezu erforderlich sei, um die Prüfung überhaupt sachgemäß und in angemessener Zeit durchführen zu können. Diesem Umstand trage der Beschluß der Hauptkammer für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen dadurch Rechnung, daß er die Zahl der in der Beratung tätigen Mitarbeiter und Berichtskritiker auf fünf Personen begrenze. Solange bei einem Wirtschaftsprüfer die Zahl der Prüfungsgehilfen diese Grenze nicht überschreite, werde man daher nicht ohne weiteres annehmen können, daß es sich um eine gewerbliche Tätigkeit handle.
Mit der Rechtbeschwerde (Rb.) beantragt der Vorsteher des Finanzamts Aufhebung der Vorentscheidung und Wiederherstellung der finanzamtlichen Veranlagung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof haben in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, daß die äußere Zugehörigkeit zu einem der Berufe; die im § 18 Abs. 1 Ziff. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgeführt sind, nicht unter allen Umständen die Freistellung von der Gewerbesteuer begründet und daß unter einer freien Berufstätigkeit lediglich eine Tätigkeit zu verstehen ist, bei der ein Steuerpflichtiger in eigener Person seine Aufgaben gegenüber den Auftraggebern erfüllt. Die Gewerbesteuerpflicht ist bejaht worden, wenn die Arbeitskraft des Berufsträgers zur Bewältigung der anfallenden Arbeiten nicht ausreicht und wenn der Berufsträger Angestellte beschäftigt, durch die seine Arbeitskraft wenigstens teilweise ersetzt oder vervielfacht wird. Auf die Ausführungen in den Urteilen IV 410/51 U vom 24. Januar 1952 (Bundessteuerblatt -- BStBl. -- III S. 64), I 65/51 U vom 29. Januar 1952 (BStBl. III S. 99) und IV 474/51 U vom 2. Oktober 1952 (BStBl. III S. 287) wird Bezug genommen.
Der Auffassung des Finanzgerichts, daß im vorliegenden Falle durch die Beschäftigung von Revisoren die Grenze der freiberuflichen Tätigkeit nicht überschritten sei, kann der Senat nicht folgen. Zu den wesentlichen Aufgaben eines Wirtschaftsprüfers gehört die Prüfung der Jahresabschlüsse von buchführenden Unternehmen. Sowohl der Prüfer A., als auch der Prüfer Dr. B. haben bekundet, daß sie Jahresschlußprüfungen bei mittleren und größeren Betrieben selbständig durchgeführt haben und sie darüber Berichte angefertigt haben, die dem Stpfl. zur Kritik vorgelegt wurden. Die beiden Prüfer haben ferner erklärt, daß sie bei den Firmen, die die Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen bereits aufgestellt hatten, diese nachprüften und daß sie bei Firmen, bei denen der Jahresabschluß noch nicht durchgeführt war, die Bilanzen und die Erfolgsrechnungen erstellt haben. Die Abschlußarbeiten nach Ablauf eines Geschäftsjahres und die Aufstellung der Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen sind -- neben der Inventuraufnahme -- die wichtigsten Teile einer ordnungsmäßigen Buchführung. Die Erledigung der Abschlußarbeiten ist keine routinemäßige oder mechanische Tätigkeit, sondern eine Tätigkeit, die der Arbeit eines Wirtschaftsprüfers gleichartig ist. Ohne die Mitwirkung von qualifizierten Fachkräften wäre es dem Stpfl. -- auch unter der Annahme, daß er über eine außerordentlich große persönliche Arbeitskraft verfügt -- nicht möglich gewesen, im Jahr 1946 45 Firmen und im Jahr 1947 47 Firmen zu prüfen. Daß die Arbeitskräfte, die der Stpfl. im Prüfungsdienst beschäftigte, nach ihrer Vorbildung, Ausbildung und Tätigkeit geeignet waren, den Prüfungsauftrag ganz oder zum mindesten in wesentlichen Teilen selbständig auszuführen, ergibt sich auch daraus, daß für die Tätigkeit dieser Prüfer den Auftraggebern des Stpfl. die gleiche Zeitgebühr in Rechnung gestellt wurde, wie sie dem Wirtschaftsprüfer selbst zusteht (60 RM täglich). Auch wenn man davon ausgeht, daß die Arbeiten des Prüfers E. nicht alle Merkmale der Selbständigkeit aufgewiesen haben und daß darüber hinaus die Beschäftigung eines weiteren qualifizierten Mitarbeiters als steuerunschädlich anzusehen ist, so ist doch durch die Tätigkeit eines dritten und vierten Prüfers die Arbeitskraft des Stpfl. wenigstens teilweise ersetzt oder vervielfältigt worden. Mit Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß die Prüfung eines Unternehmens durch einen angestellten Prüfer nicht als Leistung des Berufsträgers anzusehen ist, wenn dieser für die Prüfungstätigkeit und für die Aufstellung des Prüfungsberichts Anleitungen erteilt, die Prüfung überwacht, sich die Entscheidungen vorbehält und den Bericht nach Fertigstellung überarbeitet. In diesen Fällen hat den wesentlichen Anteil am Prüfungsgeschäft der Prüfer, der die Prüfung an Ort und Stelle vornimmt. Er hat durch seine Tätigkeit die Arbeitskraft des Berufsträgers mindestens teilweise ersetzt oder vervielfältigt.
Der Hinweis des Stpfl., daß nach einem Beschluß der Hauptkammer für das Wirtschafts- und Treuhandwesen eine Beschäftigung von bis zu fünf mitarbeitenden Prüfern den technischen Notwendigkeiten der Prüfung entspreche und nicht die Grenze überschreite, innerhalb der der Wirtschaftsprüfer selbst die volle Verantwortung für die Prüfer übernehmen könne, ist nicht durchschlagend. Für die steuerliche Beurteilung ist es nicht entscheidend, für wieviele Prüfer der Berufsträger die volle Verantwortung übernehmen kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob durch die Tätigkeit der qualifizierten Mitarbeiter die Arbeitskraft des Berufsträgers teilweise ersetzt oder vervielfältigt wurde oder nicht. Das Urteil des Finanzgerichts ist wegen unrichtiger Anwendung des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG, § 2 des Gewerbesteuergesetzes aufzuheben. Die Einspruchsentscheidung des Finanzamts ist wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 407779 |
BStBl III 1953, 361 |
BFHE 1954, 180 |