Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Feststellende Bescheide können, auch wenn sie eine für den Betroffenen günstige Wirkung haben, ohne die Einschränkungen des § 96 AO nach § 94 Abs. 1 Ziff. 1 i. V. mit § 235 Ziff. 5 AO zurückgenommen werden.
Bei der auf der Rücknahme solcher Bescheide beruhenden Rückforderung eines erstatteten Betrages sind die Grundsätze von Treu und Glauben zu beachten.
Zur Frage, wann Produktion und Absatz eines Zigarrenherstellungsbetriebes überwiegend auf der wirtschaftlichen Grundlage eines unter Gewährung von zusätzlicher Steuererleichterung stillgelegten Betriebes beruhen.
Normenkette
AO §§ 94, 96; TabStG § 81 Abs. 4
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist seit dem 1. Dezember 1955 durch Kauf des kleinen Zigarrenherstellungsbetriebes K. Zigarrenhersteller. Das Hauptzollamt verteilte dem Bf. auf seinen Antrag, ihm wie seinem Rechtsvorgänger Steuererleichterung nach § 81 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) zu gewähren, am 8. März 1956 hierüber Zusagebescheid.
Streitig ist, ob der Bf. auch noch nach dem 31. März 1957 die Steuererleichterung beanspruchen kann. Mit Festsetzungsbescheid vom 9. Juli 1957 setzte das Zollamt zunächst die dem Bf. für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1957 zu gewährende Steuererleichterung auf 4.158 DM fest und zahlte diesen Betrag an den Bf. Durch Schreiben vom 16. August 1957 erklärte das Hauptzollamt seinen Zusagebescheid auf Grund veränderter Rechtslage für gegenstandslos. Mit Bescheid vom 23. August 1957 nahm sodann das Zollamt auf Weisung des Hauptzollamts den Festsetzungsbescheid zurück und forderte mit dem gleichen Bescheid von dem Bf. die Rückzahlung des bereits ausgezahlten Betrages. Diese Maßnahmen wurden damit begründet, daß nach den Feststellungen einer Buch- und Betriebsprüfung Produktion und Absatz des Herstellungsbetriebes des Bf. überwiegend auf der wirtschaftlichen Grundlage des Betriebes seines Schwiegervaters beruhten, der unter Gewährung der zusätzlichen Steuererleichterung stillgelegt worden sei. Der Bf. könne daher gemäß § 81 Abs. 4 TabStG bis zum 31. Dezember 1964 keine Steuererleichterung erhalten.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) trägt der Bf., wie auch schon im Vorverfahren vor, daß der Widerruf der Steuererleichterung nach § 96 der Reichsabgabenordnung (AO) unzulässig sei. Im übrigen könne für die Beurteilung der Frage, wann der Betrieb seines Schwiegervaters stillgelegt worden sei, nur der Zeitpunkt der Abmeldung in Betracht kommen. Dies sei aber erst am 25. Februar 1957 geschehen. Der Betrieb des Bf. habe aber schon zu dieser Zeit, als noch der Betrieb seines Schwiegervaters bestanden habe, seine Ausweitung erfahren. Der Bf. beanstandet auch, daß das Finanzgericht ihm nicht wenigstens das Recht von solchen Herstellern zugebilligt habe, die nach Ablauf von zwei Jahren Steuererleichterung erhalten.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten, ohne sich zur Rb. zu äußern.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
Zu Unrecht ist der Bf. der Auffassung, daß nach § 96 AO der Widerruf der zugesagten Steuererleichterung und die Rückforderung des ausgezahlten Betrages unzulässig seien. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht auf die Steuererleichterung, falls die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen - anders als z. B. bei der Kakaozollvergütung - ein Rechtsanspruch. Dieser Anspruch ist unmittelbar gesetzlich begründet, er entsteht nicht erst durch behördliche Verfügung. Es sind daher Zusagebescheid und Feststellungsbescheid keine Vergünstigungen im Sinne des § 96 AO, die nur unter den dort genannten Voraussetzungen zurückgenommen werden könnten. Beide Bescheide sind vielmehr deklaratorischer Natur. Solche Bescheide können aber, auch wenn sie eine für den Betroffenen günstige Wirkung haben, ohne die Einschränkung des § 96 AO nach § 94 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit § 235 Ziff. 5 AO zurückgenommen werden (vgl. Bescheid des Reichsfinanzhofs V z 79/38 vom 30. Juni 1939, Urteil vom 13. Oktober 1939, Slg. Bd. 47 S. 294).
Die Rückforderung des erstatteten Betrages stehen im Streitfall auch nicht Treu und Glauben entgegen. Hierauf könnte sich der Bf. nur dann berufen, wenn er besondere Umstände für sich geltend machen könnte, die die Rückforderung des als Steuererleichterung erstatteten Betrages als nicht vertretbar erscheinen lassen würden. Solche Umstände sind aber hier nicht zu erkennen. Zwar hat der Bf. für die Monate November und Dezember 1956 und für das erste Vierteljahr 1957 Steuererleichterung erhalten. Es mag daher sein, daß er sich, wie er behauptet, wirtschaftlich darauf eingerichtet hat. Der Bf. durfte sich aber nicht darauf verlassen, auch für die Zeit ab 1. April 1957 Steuererleichterung zu erhalten, auch wenn ihm das Zollamt durch den Bescheid vom 9. Juli 1957 eine solche zunächst gewährte und ausbezahlte. Vom 31. März 1957 an sind nämlich die Bestimmungen über die Steuererleichterung durch das Vierte Gesetz zur änderung des Tabaksteuergesetzes vom 30. März 1957 (Bundesgesetzblatt I S. 310, Bundeszollblatt S. 182) dadurch geändert worden, daß durch Art. 1 Nr. 22 c dieses Gesetz nach § 81 Abs. 3 TabStG ein neuer Absatz 4 eingefügt wurde. Nach dieser neu eingefügten Bestimmung erhalten Hersteller, deren Produktion und Absatz überwiegend auf der wirtschaftlichen Grundlage von Betrieben beruhen, die auf Grund der Verordnung über einmalige zusätzliche Steuererleichterungen zur Bereinigung der Tabakindustrie vom 4. Juni 1956 (Bundesanzeiger Nr. 108 vom 7. Juni 1956) stillgelegt worden sind, bis zum 31. Dezember 1964 keine Steuererleichterung. Von dieser Gesetzesänderung sind die interessierten Kreise unmittelbar vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen eingehend in der Fachpresse unterrichtet worden (vgl. Die Tabakzeitung Nr. 13 vom 29. März 1957), so daß auch der Bf. von dieser änderung Kenntnis erhalten haben mußte. Im Hinblick auf das besondere Verhältnis seines Betriebes zu dem stillgelegten Betrieb seines Schwiegervaters (übernahme von Betriebsvermögen und Belieferung der Kundschaft) mußte der Bf. bei einiger ihm zumutbarer überlegung zumindest Zweifel bekommen, ob er nach der Gesetzesänderung noch Steuererleichterung erhalten würde. Er durfte nicht ohne weiteres damit rechnen, daß ihm die Steuererleichterung auch künftig noch zustehe. Jedenfalls konnte der Bf. nach der Gesetzesänderung die Steuererleichterung so lange nicht ohne weiteres seiner betrieblichen Kalkulation zugrunde legen, als er nicht selbst durch eine Nachfrage bei der Zollverwaltung sich darüber Klarheit verschafft oder die Zollverwaltung auf Grund einer Prüfung ihm dies bestätigt hatte. Dies war aber nicht der Fall. Auch der Bescheid vom 9. Juli 1957 konnte den Bf. nicht in den Glauben versetzen, daß er die Steuererleichterung weiter erhalten werde. Dem stehen nicht nur die oben angeführten Umstände entgegen, sondern auch die Tatsache, daß der Zollverwaltung, wie der Bf. wohl erkennen konnte, die nach der neu eingefügten gesetzlichen Bestimmung maßgeblichen Tatsachen nicht bekannt waren. Unter diesen Umständen verstößt daher die Rückforderung des erstatteten Betrages nicht gegen Treu und Glauben.
Die Vorinstanz hat im übrigen ohne Rechtsverstoß angenommen, daß Produktion und Absatz des Herstellers überwiegend auf der wirtschaftlichen Grundlage des Betriebes seines Schwiegervaters beruhen, der auf Grund der Verordnung über einmalige zusätzliche Steuererleichterungen zur Bereinigung der Tabakindustrie stillgelegt worden war. Die Vorinstanz hat ausgeführt, daß die wirtschaftlichen Grundlagen eines Zigarrenherstellungsbetriebs - neben den Betriebsräumen und Geräten - in erster Linie eine gut eingeführte Zigarrenmarke mit gutem Kundenkreis, eine gute Absatzorganisation und bei dem herrschenden Mangel an Facharbeitern ein Stamm von Zigarrenarbeitern seien. Gegen diese Auffassung bestehen rechtlich keine Bedenken. Maßgebend ist das Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse beim stillgelegten und bei dem zu beurteilenden Betrieb (vgl. Schröter, Die Tabakzeitung 1957 Nr. 13 vom 29. März 1957). Die Vorinstanz hat ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und gegen den Akteninhalt und somit für den Senat bindend festgestellt, daß der Bf. unter Benutzung des Warenzeichens, unter dem der stillgelegte Betrieb seines Schwiegervaters seine Zigarren vertrieben hatte, im ersten und zweiten Vierteljahr 1957 53,25 % seiner insgesamt abgesetzten Zigarren vertrieben hat; wertmäßig waren es sogar 63,17 %. Daneben hat der Bf. auch die freien Zigarrenmarken des stillgelegten Betriebes als Marken für die von ihm hergestellten Erzeugnisse verwendet. Schließlich hat der Bf. die von dem stillgelegten Betrieb belieferten Großhändler mit den von ihm hergestellten Zigarren beliefert. Der Bf. hat sich auch im wesentlichen der gleichen Vertreter wie der stillgelegte Betrieb bedient. Die Vorinstanz hat weiter festgestellt, daß der Bf. insgesamt 17 Beschäftigte des Betriebes seines Schwiegervaters, darunter den Betriebsleiter in seinen Betrieb übernommen hat. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Bf. auch erhebliches Betriebsinventar des stillgelegten Betriebes gekauft.
Auf Grund dieser Feststellungen ist die Vorinstanz zutreffend zu der Annahme gekommen, daß Produktion und Absatz des Bf. überwiegend auf der wirtschaftlichen Grundlage des stillgelegten Betriebes seines Schwiegervaters beruhen. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, daß dieser Betrieb erst am 25. Februar 1957 stillgelegt worden sei, die Ausweitung des Betriebes des Bf. aber schon zu der Zeit geschehen sei, zu der beide Betriebe noch bestanden hätten. Es ist zwar im allgemeinen davon auszugehen, daß ein Betrieb tabaksteuerrechtlich solange als Herstellungsbetrieb von Tabakwaren anzusehen ist, als er als solcher zollamtlich angemeldet ist. Es ist ferner richtig, daß der Betrieb des Bf. schon im ersten Vierteljahr 1957 die entscheidende Vergrößerung erfahren hat. Dies konnte aber nur geschehen, weil der Betrieb seines Schwiegervaters zu dieser Zeit tatsächlich keine Zigarren mehr hergestellt hat, wie aus der Benutzung des Markenzeichens ab 1. Januar 1957 und dem Kauf fast des gesamten Anlagevermögens am 1. Dezember 1956 und 6. Januar 1957 durch den Bf. deutlich wird. Nach dem Sinngehalt des § 81 Abs. 4 TabStG, wie er sich bei der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ergibt, kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Betrieb des Schwiegervaters des Bf. förmlich als Herstellungsbetrieb abgemeldet worden ist, sondern darauf, wann er, tatsächlich und wirtschaftlich gesehen, aufgehört hat, Zigarren herzustellen. Das ist aber mit der Aufgabe des Markenzeichens und dem Verkauf fast des gesamten Anlagevermögens zu Beginn des ersten Vierteljahres 1957 und nicht erst mit der förmlichen Abmeldung des Betriebes am 25. Februar 1957 geschehen.
Mit Recht hat die Vorinstanz auch angenommen, daß der Bf. nicht als Hersteller angesehen werden könne, dem nach Ablauf von zwei Jahren von Beginn der Herstellung an gemäß § 81 Abs. 3 TabStG die Steuererleichterung zustehe. Gegenüber § 81 Abs. 3 TabStG stellt § 81 Abs. 4 TabStG eine Sonderregelung dar, nach der bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen bis zum 31. Dezember 1964 keine Steuererleichterung gewährt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 409202 |
BStBl III 1959, 18 |
BFHE 1959, 49 |
BFHE 68, 49 |