Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert einer Untätigkeitsklage ist regelmäßig auf 10 v. H. des streitigen Steuerbetrags zu bemessen.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 46; AO § 320; FGO § 140/3
Tatbestand
Das Finanzamt zog den Bf. durch Bescheid vom 26. Februar 1952 für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 zur Einkommen- und Gewerbesteuer heran. Hiergegen erhob der Bf. am 5. und 25. März 1952 Einspruch, mit dem er bemängelte, daß das Finanzamt seine Sonderausgaben nicht in der beantragten Höhe berücksichtigt habe und daß ihm für ein Darlehen die Steuervergünstigung nach § 7 c EStG versagt worden sei.
Da das Finanzamt bis Anfang 1957 die angefochtenen Steuerbescheide nicht geändert und auch keine Einspruchsentscheidung herbeigeführt hatte, forderte der Bf. das Finanzamt mit Schreiben vom 14. Januar 1957 auf, bis zum 31. Januar 1957 entweder die Steuerbescheide zu ändern oder eine Einspruchsentscheidung zu erlassen; andernfalls betrachte er seine Einsprüche als abgelehnt und werde das Finanzgericht anrufen. Da das Finanzamt dem Antrag des Bf. nicht nachkam, legte der Bf. am 9. Februar 1957 mit den Anträgen Berufung ein, das Finanzamt anzuweisen, über die Einsprüche zu entscheiden, und in der Sache selbst die angefochtenen Steuerbescheide entsprechend abzuändern.
Nach Einlegung der Berufung entschied das Finanzamt am 4. September 1958 über die vom Bf. eingelegten Einsprüche. Gegen diese Einsprüche legte der Bf. gesondert Berufung ein.
Mit der Rb. vertritt der Bf. die Auffassung, daß sein die Anweisung des Finanzamts enthaltender Berufungsantrag durch die nachträglich ergangene Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 4. September 1958 zur Hauptsache erledigt gewesen sei. Es hätte zu diesem Antrag über die Kosten entschieden werden müssen. Diese müßten dem Land auferlegt werden, da durch die Einspruchsentscheidung insoweit seinem Berufungsantrag stattgegeben worden sei. Sein weiterer Berufungsantrag auf Sachentscheidung habe lediglich darauf abgezielt, die beim Finanzgericht schwebende Berufungssache mit dem anhängigen Verfahren zu verbinden.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt das Folgende:
Die Frage, ob im steuergerichtlichen Verfahren nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) eine Klage zulässig ist, wenn das Finanzamt die Entscheidung über einen Einspruch ungebührlich verzögert, wird im Urteil des Bundesfinanzhofs I 76/57 S vom 3. März 1959 (BStBl 1959 III S. 251, Slg. Bd. 68 S. 661) bejaht. Da das Finanzamt im Streitfall nach Einlegung der Berufung die Einspruchsentscheidung erlassen hat, ist die Untätigkeitsklage in der Hauptsache erledigt. Das Finanzgericht hätte daher über die Kosten dieses Verfahrens entscheiden müssen. Für die Entscheidung dieser Frage reichen die bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts im Hinblick auf das insoweit widersprechende Vorbringen der Beteiligten nicht aus, wenn auch die Verzögerung der Einspruchsentscheidung über einen Zeitraum von über sechs Jahren für sich allein betrachtet kaum vertretbar erscheint.
Die Vorentscheidung wird wegen unrichtiger Anwendung von Art. 19 Abs. 4 GG aufgehoben. Die in der Hauptsache erledigte Streitsache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nach weiterer Sachaufklärung über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hat.
Zur Feststellung des Werts des Streitgegenstandes weist der Senat im Einvernehmen mit dem I. Senat auf folgendes hin: Die Untätigkeitsklage ist ein besonderes nach Art. 19 Abs. 4 GG zulässiges Rechtsmittel. Die Erledigung der Hauptsache erstreckt sich lediglich auf das mit der Untätigkeitsklage erstrebte Tätigwerden der Verwaltungsbehörden. Hierin liegt das Streitinteresse des Bf. Ein in der Begründung zur Untätigkeitsklage enthaltener Antrag auf Sachentscheidung ist nur als Hilfsantrag zu würdigen. Diese überlegungen lassen es gerechtfertigt erscheinen, den Streitwert abweichend von den im Urteil des Bundesfinanzhofs I 76/57 S vom 3. März 1959 (a. a. O.) aufgestellten Rechtsgrundsätzen nicht in Höhe des streitigen Steuerbetrages, sondern nur in Höhe eines Bruchteils hiervon festzustellen. Der Senat würde es für angemessen und ausreichend erachten, wenn der Streitwert in Anlehnung an die Regelung bei Stundungsfällen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 163/55 S vom 17. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 121, Slg. Bd. 66 S. 314) im allgemeinen in Höhe von 10 v. H. des streitigen Steuerbetrags schätzungsweise festgestellt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 410652 |
BStBl III 1963, 270 |
BFHE 1963, 741 |
BFHE 76, 741 |