Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Witwenrente, die auf einem Gesellschaftsvertrage beruht, der eine freiberufliche Tätigkeit zum Gegenstande hatte, fällt nicht unter die begünstigende Regelung der Renten aus einem früheren Arbeits- oder Dienstverhältnis. Ihr Kapitalwert gehört zum sonstigen Vermögen.

 

Normenkette

VStG § 4; BewG §§ 16, 17/3, § 67 Abs. 1 Ziff. 4, § 68 Ziff. 3, §§ 14, 15/3, § 110/1/4, § 111/1; GG Art. 3

 

Tatbestand

Streitig ist vermögensteuerlich die Bewertung einer Witwenrente auf Grund eines Gesellschaftsvertrages, den der verstorbene Ehemann der Bgin. als Angehöriger eines freien Berufes mit seinen damaligen Mitgesellschaftern abgeschlossen hatte.

Der Ehemann war Dispacheur (gerichtlich vereidigter Sachverständiger) und übte seine freiberufliche Tätigkeit zusammen mit zwei Kollegen im Gesellschaftsverhältnis aus. Nach seinem Tode erhielt die Bgin. eine vertraglich bestimmte Rente in Höhe von 10 v. H. des Nettogeschäftsertrages, höchstens im Betrag der Pension der Witwe des Schuldirektors.

Das Finanzamt rechnete bei den Vermögensteuern 1952 bis 1954 den Kapitalwert der Rente als Recht auf wiederkehrende Leistungen zum sonstigen Vermögen im Sinne des § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG. Die Auffassung der Bgin., die Rente gehöre gemäß § 68 Ziff. 3 BewG nicht zum sonstigen Vermögen, lehnte es ab, weil die Bezüge nicht mit Rücksicht auf ein früheres Arbeits- oder Dienstverhältnis gewährt würden, sondern auf dem Gesellschaftsvertrage beruhten. Die Bgin. trug demgegenüber vor, auch die freie berufliche Tätigkeit eines Mitunternehmers sei ein Arbeitsverhältnis. Das Vorliegen eines früheren Arbeitnehmerverhältnisses sei keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 68 Ziff. 3 BewG.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung hob das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung auf und stellte die kapitalisierte Rente nach § 68 Ziff. 3 BewG von der Vermögensteuer frei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., die in der vom Vorsteher des Finanzamts vorgetragenen Frage des Begriffes des sonstigen Vermögens begründet ist, führt zur Zurückverweisung an das Finanzamt, da die Berechnung des Kapitalwertes der Rente durch das Finanzamt unrichtig vorgenommen wurde.

Maßgebend ist das BewG in der für den 1. Januar 1952, 1953 und 1954 gültigen Fassung. Demnach gehört die Rente der Bgin. nicht zu den Ansprüchen, die nach § 68 Ziff. 3 BewG (alter Fassung) nicht zum sonstigen Vermögen gehören. Die Auffassung der Bgin., unter "Arbeitsverhältnis" sei auch ein freiberufliches Verhältnis zwischen Gesellschaftern zu verstehen, ist unzutreffend. Die Rente stellt sich als eine Beteiligung der Bgin. an dem stets wechselnden Gewinne der Gesellschaft, deren Mitgesellschafter der Ehemann war, dar und ist als Recht auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen im Sinne des § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG zu bewerten (Urteil des Bundesfinanzhofs III 38/55 S vom 4. November 1955, BStBl 1955 III S. 371, Slg. Bd. 61 S. 447). In dem gleichen Sinne ist bereits in dem Urteil des Reichsfinanzhofs III 17/40 vom 19. September 1940 (RStBl 1940 S. 1062) ausgeführt, das Gewinnbezugsrecht der Witwe eines verstorbenen Teilhabers gehöre als Recht auf wiederkehrende Leistungen nach § 67 Ziff. 4 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) mit seinem Kapitalwert zum sonstigen Vermögen; es greife keine der nach § 68 RBewG vorgesehenen Ausnahmen Platz. Es wird desgleichen auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs III A 52/32 vom 27. April 1933 (RStBl 1933 S. 857) verwiesen, wonach Renten und Ansprüche aus der Ausübung einer freien Tätigkeit nicht mit Rücksicht auf ein früheres Arbeits- oder Dienstverhältnis gewährt werden. "Von einem solchen Verhältnis kann bei Angehörigen eines freien Berufes, die sich zur gemeinsamen Ausübung dieses Berufes vereinigt haben, keine Rede sein" (Urteil des Reichsfinanzhofs III A 93/37 vom 8. Juni 1937, RStBl 1937 S. 931). Für die Anwendbarkeit des § 68 Ziff. 3 BewG (alter Fassung) und des gleichlautenden § 68 Ziff. 1 BewG (neuer Fassung) ist vielmehr Voraussetzung, daß die Bezüge auf ein früheres Arbeits- oder Dienstverhältnis als Arbeitnehmer zurückzuführen sind. Diese Auffassung hält der Senat aufrecht. Sie entspricht der Wortfassung der Gesetzesbestimmung, in der der zusammenfassende Ausdruck "Dienstverhältnis" enthalten ist. Des weiteren deckt sich alsdann der steuerliche Begriff eines "Arbeits- oder Dienstverhältnisses" im Sinne des Bewertungsrechtes insoweit mit der Begriffsbestimmung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG.

In der vorstehenden Auslegung liegt kein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Die Bezüge aus einem Gesellschaftsvertrage haben steuerrechtlich einen anderen Charakter als Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis, so daß in der verschiedenen steuerlichen Behandlung keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt. Es ist zulässig, Ungleiches ungleich zu behandeln.

Trotz dieser eindeutigen Rechtslage ist die Sache nicht spruchreif; der Kapitalwert der Rente ist vom Finanzamt unzutreffend berechnet worden. Da die Zahlungen in ihrem Betrage schwanken, ist nach §§ 16 und 17 Abs. 3 BewG der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre nach der Kenntnis der Verhältnisse vom Stichtage voraussichtlich erzielt werden wird. Das Finanzamt hat statt dessen von Jahr zu Jahr den Kapitalwert aus der jeweils vorangegangenen Rente errechnet, was den gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410329

BStBl III 1962, 171

BFHE 1962, 457

BFHE 74, 457

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