Leitsatz (amtlich)

1. Benutzt ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst seinen Kraftwagen auf Dienstgängen, so sind die Kosten in gleichem Umfang Werbungskosten wie bei Dienstreisen.

2. Verwendet ein Stpfl., der zugleich angestellter und selbständig tätiger Arzt ist, seinen Wagen in seiner freiberuflichen Tätigkeit und bei Dienstgängen als Angestellter, so sind die nachgewiesenen Gesamtkosten des Wagens schätzungsweise auf die verchiedenen Einkunftsarten zu verteilen.

 

Normenkette

EStG 1961 § 9; LStDV 1962 § 20 Abs. 2; LStR 1963 Abschn. 21 Abs. 6, 10

 

Tatbestand

Der Stpfl. ist angestellter Chefarzt eines städtischen Krankenhauses und außerdem freiberuflicher Arzt.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1963 machte er seine Kraftwagenkosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) und selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG) geltend. Das FA erkannte 23 v. H. der Kraftwagenkosten, die insgesamt 7 763 DM betrugen, also 1 785 DM als Betriebsausgaben und (22 km x 264 Tage x 0,50 =) 2 904 DM für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten an. Die folgenden Kosten, die der Stpfl. als zusätzliche Werbungskosten geltend gemacht hatte, erkannte es nicht an:

a) tägliche Fahrten auf dem Klinikgelände

(314 Tage x 5 km) = 1 560 km x 0,25 DM 390 DM

b) Fahrten zur Sektion im Pathlologischen Institut

(260 Tage x 3 km) = 780 km x 9,25 DM 195 DM

c) Fahrten zu Sitzungen im Rathaus

(45 Tage x 20 km) = 900 km x 0,25 DM 225 DM

810 DM

Der ärztliche Direktor des städtischen Krankenhauses hat bescheinigt, daß der Stpfl. seinen Pkw benötige, um auf dem etwa 320 000 qm großen Klinikgelände seinen Dienst in vier weit auseinanderliegenden Gebäuden bewältigen zu können und um mit seinen Mitarbeitern an den Sektionen gestorbener Patienten in dem etwa 3 km entfernten Pathologischen Institut teilzunehmen. Für die dadurch entstehenden Kraftwagenkosten hat der Stpfl. von der Stadtverwaltung keinen Ersatz begehrt und erhalten. Eine Kostenerstattung in Form von Dienstfahrscheinen für öffentliche Verkehrsmittel wäre für den Stpfl. wertlos gewesen, da er zu 80 % beschädigt ist und deshalb die öffentlichen Verkehrsmittel ohnehin kostenlos hätte benutzen können.

Der Steuerausschuß erhöhte die Werbungskosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf (22 km x 314 Tage x 0,50 DM =) 3 454 DM; im übrigen wies er den Einspruch zurück.

Das FG wies die Klage ab, da Angehörige des öffentlichen Dienstes Fahrtkosten für Dienstfahrten steuerlich nicht als Werbungskosten geltend machen könnten; die dienstlich veranlaßten Kosten würden solchen Personen nach den Vorschriften des öffentlichen Reisekostenrechtes ersetzt. Das FG ließ die Revision besonders zu, weil es die Frage, ob die Kosten von 390 DM für die täglichen Fahrten auf dem Klinikgelände Werbungskosten seien, für grundsätzlich bedeutsam hielt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision, mit der der Stpfl. unrichtige Anwendung von Bundesrecht rügt, ist begründet.

Das Urteil des FG entspricht der bisherigen Rechtsprechung des RFH und des BFH, nach der Angehörige des öffentlichen Dienstes die Kosten für die Benutzung eigener Kraftwagen auf Dienstreisen nicht als Werbungskosten geltend machen konnten. Der Senat hat in der Grundsatzentscheidung VI 33/65 vom 15. Dezember 1967 (BFH 90, 493, BStBl II 1968, 150) wegen der inzwischen eingetretenen Änderung der Verhältnisse die Rechtsprechung geändert und läßt nunmehr zu, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes die auf Dienstreisen entstandenen Fahrtauslagen für eigene Kraftfahrzeuge als Werbungskosten absetzen können, sofern der Dienstvorgesetzte die Dienstreise angeordnet und dem Bediensteten die Benutzung seines Kraftwagens nicht untersagt hat.

Nach diesen Grundsätzen müssen auch die streitigen Kosten des Stpfl. als Werbungskosten anerkannt werden. Soweit der Stpfl. zu Sitzungen ins Rathaus gefahren ist, handelt es sich steuerrechtlich um "Dienstreisen", da der Stpfl. zwar innerhalb der Grenzen der Gemeinde seiner regelmäßigen Arbeitsstätte, aber mehr als 5 km von dieser Arbeitsstätte entfernt dienstlich tätig geworden ist (Abschn. 21 Abs. 2 Satz 1 LStR 1963). Die Fahrten innerhalb des Klinikgeländes und zu dem nur 3 km entfernten Pathologischen Institut sind zwar keine "Dienstreisen" im beamtenrechtlichen und steuerrechtlichen Sinn, sondern "Dienstgänge" nach Nr. 34 der Ausführungsbestimmungen vom 16. Dezember 1933 zum Reisekostengesetz vom 15. Dezember 1933 (Reichshaushalts- und Besoldungsblatt 1933, 192 = Ambrosius, Das Reisekostenrecht, 9. Aufl. S. 223). § 2 Abs. 3 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) vom 20. März 1965 (BGBl I 1965, 133) bezeichnet als Dienstgänge "die Gänge oder Fahrten am Dienst- oder Wohnort zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststelle, die von der zuständigen Behörde angeordnet oder genehmigt sind, es sei denn, daß eine Anordnung oder Genehmigung nach dem Amt des Dienstreisenden oder dem Wesen des Dienstgeschäfts nicht in Betracht kommt". Die Kraftwagenkosten auf "Dienstgängen" hat die Rechtsprechung des BFH ebenso behandelt wie Kraftwagenkosten auf Dienstreisen, z. B. in den Urteilen IV 215/53 U vom 17. Dezember 1953 (BFH 58, 428, BStBl III 1954, 76), VI 24/58 U vom 18. April 1958 (BFH 67, 73, BStBl III 1958, 300), VI 9/59 U vom 29.Januar 1960 (BFH 70, 435, BStBl III 1960, 163), VI 264/62 S vom 22. November 1963 (BFH 78, 364, BStBl III 1964, 141). An dieser Gleichstellung ist auch bei der Anwendung der Grundsätze der neuen Rechtsprechung festzuhalten. Solche Aufwendungen werden wie die Kosten auf Dienstreisen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 LStDV 1962 durch die Ausübung des Dienstes veranlaßt. Sie können auch nicht etwa deshalb der privaten Lebensführung zugerechnet werden, weil "Dienstgänge" nur in einem Umkreis von 5 km von der regelmäßigen Arbeitsstätte vorkommen können; denn die Benutzung von Kraftwagen ist auch auf solchen kürzeren Strecken bei Arbeitnehmern und selbständigen Unternehmern üblich geworden. Aufwendungen für die Benutzung eigener Kraftwagen auf Dienstgängen sind somit unter den gleichen Voraussetzungen Werbungskosten wie Kosten für die Benutzung eigener Kraftwagen auf Dienstreisen. Die Anordnung des Dienstganges braucht der Stpfl. allerdings nicht nachzuweisen, wenn sie nach den reisekostenrechtlichen Bestimmungen "nach dem Amt des Dienstreisenden oder dem Wesen des Dienstgeschäftes nicht in Betracht kommt". Die steuerliche Geltendmachung solcher Werbungskosten wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Dienstherr den Ersatz von Fahrtkosten ablehnt oder daß der Bedienstete einen etwaigen Ersatzanspruch nicht geltend gemacht hat. Das hat der Senat in der Entscheidung VI R 172/66 vom 30. Mai 1967 (BFH 89, 187, BStBl III 1967, 570) für private Arbeitnehmer bereits ausgesprochen. Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst kann nichts anderes gelten.

Das angefochtene Urteil, das die neuen Grundsätze des Senats noch nicht anwenden konnte, war aufzuheben. Das FG muß erneut prüfen, in welchem Umfang der Stpfl. seine Kraftwagenkosten absetzen kann. Es muß dabei beachten, daß der Satz von 0,25 DM je Kilometer (Abschnitt 21 Abs. 6 und 10 LStR 1963) nur anzuwenden ist, wenn dies im Einzelfall nicht zu einer offenbar unzutreffenden Besteuerung führt. Der Richtsatz soll die Stpfl. nicht sachlich begünstigen, sondern nur der Arbeitsvereinfachung für die Finanzverwaltung und die Stpfl. in typischen Fällen dienen. Kein typischer Fall ist es aber, wenn ein Stpfl. seinen Kraftwagen zugleich als selbständiger Unternehmer (Freiberufler) und als Arbeitnehmer (angestellter Chefarzt) benutzt. Würde man in solchen Fällen für Dienstfahrten und Dienstgänge den Kilometersatz von 0,25 DM anwenden, so würde das zu einer doppelten Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen führen. Vor allem werden mit dem Pauschsatz auch die fixen Kosten abgegolten, die darum nicht im Wege des Einzelnachweises noch einmal abgesetzt werden können. Eine zutreffende Besteuerung ist in solchen Fällen nur möglich, wenn die gesamten nachgewiesenen Kraftwagenkosten schätzungsweise auf die verschiedenen Einkünfte und auf den privaten Nutzungsanteil verteilt werden (Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Werbungskosten" I 2 Abs. 3; Hartz in Der Betrieb 1967, 1297). Eine solche schätzungsweise Aufteilung der Gesamtkosten bereitet auch im Streitfall keine Schwierigkeiten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412905

BStBl II 1968, 375

BFHE 1968, 464

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