Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Hat das Finanzgericht in der Sache selbst entschieden, so ist eine Rechtsbeschwerde, die sich nur gegen die Kostenentscheidung des Finanzgerichts richtet, unzulässig.
Normenkette
AO §§ 232, 231; GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 145/1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist als alleinige Erbin ihres am 12. Oktober 1950 verstorbenen Bruders vom Finanzamt zur Erbschaftsteuer herangezogen worden. Da sie ein Auskunftsersuchen des Finanzamts unbeantwortet gelassen hatte, schätzte das Finanzamt bei der endgültigen Veranlagung der Erbschaftsteuer die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) und setzte die Erbschaftsteuer auf 2.800 DM endgültig fest. Der Einspruch der Stpfl. hatte keinen Erfolg. Vielmehr erhöhte das Finanzamt die festgesetzte Steuer in der Einspruchsentscheidung noch weiterhin auf 4.000 DM. Dagegen gab das Finanzgericht der Berufung der Stpfl. statt und setzte unter änderung der Einspruchsentscheidung und des Erbschaftsteuerbescheides vom 13. Juli 1953 die Erbschaftsteuer endgültig auf 777,60 DM fest. Die Kosten des Einspruchs und der Berufung wurden vom Finanzgericht gemäß § 309 AO dem Lande auferlegt.
Der Vorsteher des Finanzamts hat Rechtsbeschwerde (Rb.) erhoben, die sich allein gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils richtet. Der Beschwerdeführer (Bf.) führt zur Begründung dieser Rb. aus, die gesamten Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens hätten der Stpfl. gemäß § 307 Abs. 3 AO auferlegt werden müssen, weil sie die Tatsachen, die ihr zum Erfolg verholfen hätten, verspätet, nämlich erst in der Berufungsinstanz, vorgebracht habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Anfechtung eines finanzgerichtlichen Urteils allein im Kostenpunkt nicht für zulässig erachtet werden kann.
Obgleich es in der AO an einer dem § 99 der Zivilprozeßordnung entsprechenden Vorschrift fehlt, die die Anfechtung der Entscheidung über den Kostenpunkt bei nicht gleichzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung in der Hauptsache ausdrücklich für unzulässig erklären würde, hat doch der Reichsfinanzhof schon in seinen frühesten Entscheidungen den gleichen Grundsatz auch für das Rechtsmittelverfahren in Abgabesachen aus der Bestimmung des § 232 AO ableiten zu können geglaubt. Da nach dieser Vorschrift eine "Beschwer" nur dann gegeben ist, wenn sich das Rechtsmittel gegen die Höhe der festgesetzten Steuer oder gegen die Bejahung der Steuerpflicht als solcher richtet, so kann danach eine selbständige Anfechtbarkeit der Kostenentscheidungen nur in solchen Fällen in Betracht kommen, in denen sich nach Erledigung der Hauptsache die Entscheidung auf den Kostenpunkt beschränkt, diese Entscheidung aber auch eine rechtliche Nachprüfung in der Sache selbst erforderlich macht. Diese Auffassung hat der Reichsfinanzhof in ständiger Rechtsprechung vertreten (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs II A 92/20 vom 21. Mai 1920 - Slg. Bd. 3 S. 38 -, I A 38/24 vom 23. Mai 1924 - Slg. Bd. 14 S. 58, 67 - und IV 228/37 vom 27. Januar 1938 - Steuer und Wirtschaft 1938 II Nr. 112 -).
Der Bundesfinanzhof hat sie in der Entscheidung des VI. Senats VI 112/55 U vom 1. Februar 1957 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 90, Slg. Bd. 64 S. 237) übernommen und deshalb eine Rb., die nur gegen die Kostenentscheidung gerichtet war, ohne zugleich die Sachentscheidung des Finanzgerichts anzugreifen, als unzulässig verworfen. Dieser Auffassung schließt sich für den Bereich der Kostenentscheidungen grundsätzlich auch der erkennende Senat an, wobei er den Ausführungen des VI. Senats insbesondere darin beipflichtet, daß die Zulässigkeit der selbständigen Anfechtbarkeit gerichtlicher Kostenentscheidungen nicht aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) hergeleitet werden kann, weil die Kostenentscheidung in einem finanzgerichtlichen Urteil einen Akt der Rechtsprechung darstellt und deshalb nach herrschender Ansicht nicht unter den Begriff der "Ausübung öffentlicher Gewalt" im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG fällt (vgl. hierzu Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Anm. II 4e a zu Art. 19 GG; v. Mangoldt-Klein "Das Bonner Grundgesetz", Anm. VII 2 c zu Art. 19 GG). Da im übrigen der Grundsatz, daß gerichtliche Kostenentscheidungen regelmäßig nicht selbständig und unabhängig von der Entscheidung in der Hauptsache angefochten werden können, auch auf anderen Gebieten des Verfahrensrechts aufrechterhalten worden ist, insbesondere die Rechtsgültigkeit des § 99 der Zivilprozeßordnung auch nach Erlaß des GG nicht in Zweifel gezogen wird, so sieht der Senat keinen Grund, in dieser Frage von der bisherigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs abzuweichen. Veranlassung zu einer solchen Abweichung besteht schon deshalb um so weniger, als bedeutsame sachliche Erwägungen auch weiterhin für die Aufrechterhaltung dieses Verfahrensgrundsatzes sprechen. Vor allem kann nicht übersehen werden, daß die Entscheidung in der Kostenfrage in so engem Zusammenhang mit der Entscheidung in der Hauptsache steht, daß sie sich eigentlich mehr oder weniger als selbstverständliche Folge unmittelbar aus dieser ergibt. Bleibt daher die Entscheidung in der Hauptsache unangefochten, so erscheint es schon deshalb nicht angängig, durch Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung die Nachprüfung einer übergeordneten Instanz herbeizuführen, weil deren Rechtsausführungen sonst möglicherweise im Gegensatz zu der bereits rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache stehen könnten. (Vgl. hierzu Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 6. Aufl. 1954 S. 349).
Fundstellen
Haufe-Index 409279 |
BStBl III 1959, 119 |
BFHE 1959, 305 |
BFHE 68, 305 |