Leitsatz (amtlich)
1. Die Durchführungsbestimmung über die erweiterte Versendungslieferung im Ausland (§ 5 Abs. 3 UStDB) liegt im Rahmen der durch das UStG an die Bundesregierung erteilten Ermächtigung und ist deshalb gültig.
2. Der in dieser Bestimmung geregelte Nachweis durch die Einfuhrbescheinigung eines steuerlich zugelassenen inländischen Beauftragten ist eine sachlich rechtliche Voraussetzung für den Anspruch, einen Inlandsumsatz bereits eingeführter Ware noch als Auslandslieferung gelten zu lassen.
Normenkette
UStG a.F. § 18 Abs. 1 Ziff. 3; UStDB § 5 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Versendungsgeschäft im Ausland nach § 5 Abs. 3 UStDB bewirkt ist, wenn der ausländische Ablader für die Importware lediglich ein Orderkonnossement ausgestellt, das Wertpapier oder den Umschlag hierzu aber mit der Adresse des vom Einfuhrhändler beauftragten Empfangsspediteurs versehen und die Ware an einen vom Einfuhrhändler bestellten Verfrachter übergeben hat.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige -- Stpfl. --) importierte im April und Mai 1959 dreimal polnischen Kristallzucker. Die Ware wurde vertragsgemäß im polnischen Hafen G von der Seehafenspeditionsfirma H (Ablader) zur Beförderung in den deutschen Hafen L übernommen. Mit dem Transport beauftragte die Stpfl. eine Reederei. Die Ladepapiere (Konnossemente) stellte der Ablader jeweils "an Order" aus. Bevor die Ware in L ankam, beauftragte die Stpfl. die Spediton C in L mit der Entgegennahme. Zugleich gab sie ihr zur Weiterversendung die Adressen der inländischen Abnehmer auf. In einem Falle war das blankoindossierte Konnossement dem Schiffskapitän in einem an den Empfangsspediteur gerichteten Briefumschlag übergeben worden; in den beiden anderen Fällen hatten die auf dem Bankweg an die Stpfl. übersandten Ladepapiere die Speditionsfirma in L als Notizadresse enthalten. Ein steuerliche Zulassung zur Ausstellung von Einfuhrbescheinigungen im Sinne des § 5 Abs. 3 UStDB besaß diese Speditionsfirma in keinem der drei Fälle. Durch Verfügung vom 28. September 1959 hatte die Oberfinanzdirektion (OFD) dieser Firma sogar ausdrücklich untersagt, derartige Einfuhrbescheinigungen für die Stpfl. auszustellen. Die Beschwerde der Stpfl. gegen diese Verfügung war erfolglos.
Das Finanzamt (FA) behandelte nunmehr die im Auftrag der Stpfl. durch die Empfangsspedition ausgeführten Zuckerlieferungen an inländische Abnehmer im Umsatzsteuerbescheid 1959 als inländische und deshalb steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen. Die Besteuerung rechtfertigte es mit folgenden Erwägungen: Die Stpfl. habe die Ware nicht an die Empfangsspedition, sondern an den ausländischen Ablader befördern lassen. Diese Feststellung ergebe sich nach § 667 Abs. 1 Satz 2 HGB aus den lediglich "an Order" und deshalb auf den Ablader lautenden Konnossementen.
Die Berufung (nunmehr Klage) der Stpfl. blieb erfolglos. Zur Begründung des angefochtenen Urteils führt das Finanzgericht (FG) aus: § 5 UStDB sei ungültig und daher nicht anwendbar. Die Ermächtigung zum Erlaß dieser Vorschrift sei aus § 18 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) a. F. (§ 28 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 UStG n. F.) hergeleitet. Sie überschreite aber den Rahmen dieser -- verfassungsrechtlich unbedenklichen -- Ermächtigungsnormen. Die Ziff. 1 gestatte dem Verordnungsgeber -- soweit hier einschlägig -- die im UStG verwendeten Begriffe näher zu bestimmen. § 5 Abs. 3 UStDB enthalte aber keine Begriffsbestimmung. Vielmehr werde der Begriff der Lieferung des § 3 Abs. 1 UStG vorausgesetzt, dazu die Fiktion einer Lieferung aufgestellt und so ein neuer, nicht voraussehbarer Vergünstigungstatbestand geschaffen. Auch § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UStG lasse eine solche Änderung oder Korrektur gesetzlich genau abgegrenzter Tatbestände nicht zu. Dem Urteil des BFH V 215/57 U vom 20. Dezember 1957 (BFH 66, 236, BStBl III 1958, 90), das von der Gültigkeit der Norm ausgehe, vermöge sich das FG nicht anzuschließen. Der angefochtene Steuerbescheid sei deshalb im Ergebnis richtig. Auch auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes könne sich die Stpfl. nicht berufen, weil sonst das FG keine Gelegenheit hätte, die Verwaltung in ihre Schranken zu weisen.
Entscheidungsgründe
Gegen dieses Urteil hat die Stpfl. Rb. eingelegt. Das Rechtsmittel, das seit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln und zu bezeichnen ist, kann aber im Ergebnis keinen Erfolg haben, wenngleich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils das bestehende Recht verletzten (§ 126 Abs. 4 FGO).
1. Das FG hätte die Rechtsgültigkeit des § 5 Abs. 3 UStDB nicht zu prüfen brauchen, da der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt ohnehin nicht alle Tatbestandsmerkmale dieser Rechtsverordnung erfüllt. § 5 Abs. 3 UStDB kann nämlich nur angewendet werden, wenn der Unternehmer die Einfuhrwaren spätestens am Tage der Einfuhr durch die Hand eines steuerlich zugelassenen inländischen Spediteurs an seine Abnehmer geleitet und durch die Einfuhrbescheinigung dieses Beauftragten den Tag der Einfuhr und den Tag der Benennung der Abnehmer nachgewiesen hat. Hier hat die Bescheinigung der steuerlich zugelassenen inländischen Beauftragten nicht, wie etwa in § 25 Abs. 2 Ziff. 2 UStDB, die Natur eines Nachweises fakultativer Art (vgl. BFH-Urteil V 77/64 vom 16. Dezember 1966, BFH 87, 375; BStBl III 1967, 145). Vielmehr ist hier der Anspruch, den Inlandsumsatz bereits eingeführter Ware steuerrechtlich noch als Auslandslieferung gelten zu lassen, ausschließlich an diese Bescheinigung geknüpft (" ... sind durch eine Einfuhrbescheinigung des ... nachzuweisen.") Die Bescheinigung ist daher eine sachlich-rechtliche Voraussetzung des Anspruchs. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hat die Stpfl. durch ihren Vertreter, den Prokuristen B, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG selbst erklärt, daß der von ihr beauftragte Empfangsspediteur zu keiner Zeit im Sinne des § 5 Abs. 3 UStDB zugelassen war. Wie oben schon ausgeführt, ist aus dem für das angefochtene Urteil verwerteten Akt des FA ersichtlich, daß die Zulassung abgelehnt wurde und daß diese Verfügung der OFD unanfechtbar geworden ist. Diese aktenkundigen Tatsachen kann der BFH in entsprechender Anwendung der zivilprozessualen Regelung. (§ 155 FGO, § 561 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung) zur Begründung seiner Entscheidung heranziehen. Die Frage, ob die Versagung der von der Speditionsfirma beantragten Zulassung rechtmäßig war, kann in diesem Verfahren nicht nachgeprüft werden. Die Versendungslieferung des Zuckers an die Abnehmer der Stpfl. ist somit als inländischer Umsatz zu behandeln, da die Ware dem mit der Versendung beauftragten, nicht nach § 5 Abs. 3 UStDB zugelassenen Spediteur erst im Inland übergeben wurde (§§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 2 UStDB). Die Anfechtung des Steuerbescheids ist daher nicht begründet und die klageabweisende Entscheidung des FG ist im Ergebnis zu bestätigen. Auf die zwischen den Parteien für die Anwendung des § 5 Abs. 3 UStDB strittige Rechtsfrage über die Bedeutung der dem Verfrachter abweichend vom Inhalt des Orderkonnossements erteilten Weisungen kommt es unter diesen Umständen nicht an.
2. Im übrigen ist die Rechtsauffassung des FG, es handle sich bei § 5 Abs. 3 UStDB um eine ungültige Rechtsverordnung, nicht begründet. Der Senat sieht sich aus Gründen der Rechtsklarheit veranlaßt, auch insoweit auf die angefochtene Entscheidung (EFG 1964, 194) einzugehen, zumal die Vorschrift auch den Ausgangspunkt der Revisionsentscheidung bildet.
Nach dem 3. Absatz des § 5 UStDB, der durch die 8. Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1959 (BGBl I, 6, BStBl I 1959, 131) eingeführt wurde, gilt im Falle der Einfuhr eine Lieferung mit der Übergabe des Gegenstands der Lieferung an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter im Ausland als ausgeführt, wenn der Lieferer den Gegenstand an seinen steuerlich zugelassenen Beauftragten befördern läßt und ihm seinen Abnehmer spätestens am Tage der Einfuhr benennt. Der Senat hat bereits in dem vom FG angeführten Urteil V 215/57 U vom 20. Dezember 1957 (a. a. O.) -- allerdings ohne nähere Begründung -- ausgesprochen, daß die Bestimmung im Rahmen der durch § 18 UStG erteilten Ermächtigung ergangen sei. Dieser Rechtsstandpunkt wird durch folgende Überlegungen gerechtfertigt:
Durch § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UStG in der beim Erlaß der 8. Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1959 (a. a. O.) gültigen Fassung war die Bundesregierung u. a. ermächtigt, "zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung und zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen, und zwar insbesondere über die Abgrenzung der Steuerpflicht ... Bestimmungen zu treffen". Diese Vorschrift, die in der erwähnten Verordnung neben anderen Ermächtigungsbestimmungen angegeben ist (Art. 80 GG) und gegen deren Verfassungsmäßigkeit der Senat keine Bedenken hat, bildete die ausreichende Grundlage zum Erlaß des § 5 Abs. 3 UStDB. Denn nach dem bis dahin gültigen Umsatzsteuerrecht hinsichtlich der Versendungslieferungen aus dem Ausland bestand in einem engen Bezirk eine den Erfordernissen der Praxis zuwiderlaufende Unklarheit, die zu Ungleichmäßigkeiten und Unbilligkeiten in der Besteuerung führen mußte: Nach § 3 Abs. 1 UStG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 UStDB konnte nämlich der inländische Abnehmer einer Einfuhrware zweifelsfrei an einen inländischen Dritten eine nicht steuerbare Auslandslieferung bewirken, wenn er schon vor der Absendung der Ware im Ausland dem damit beauftragten Spediteur etc. die Zusendung der Ware an den Dritten aufgab. Fraglich war mit Rücksicht auf den Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 UStDB jedoch, ob der Abnehmer eine solche Lieferung durch Benennung des Dritten während des Transports noch bewirken konnte oder ob der ausländische Lieferer einem Inländer die Verfügungsgewalt im Ausland verschaffte, wenn er während des Transports durch das Ausland mit ihm einen Kaufvertrag abschloß und ihm seinen Herausgabeanspruch an die Eisenbahn abtrat. Im Gegensatz zu der vom FG vertretenen Meinung war also kein genau abgegrenzter gesetzlicher Tatbestand gegeben. Zur Vermeidung dieser Unsicherheiten, ferner in den Fällen, in denen der Einfuhrhändler den Weg der Reihenlieferung vom ausländischen Abnahmeort her nicht wählen wollte, um dem ausländischen Lieferer seinen Abnehmer nicht benennen zu müssen, mußte die Ware -- damit dennoch eine Auslandslieferung an den inländischen Abnehmer bewirkt werden konnte -- im Grenzbahnhof "umkartiert" werden. Diese Maßnahme, bei der der inländische Abnehmer die Ware von seinem Grenzspediteur übernehmen und sie dann an die Bahn zur Versendung an einen Dritten im Inland wieder aufgeben läßt, erschwert die Einfuhr und gefährdet insbesondere leicht verderbliche Ware. Unter diesen Verhältnissen konnte es nicht ausbleiben, daß wirtschaftlich gleichartige Versendungsgeschäfte von Einfuhrhändlern an inländische Dritte bald als nicht steuerbare Auslandslieferungen, bald aber auch -- infolge rechtlicher Unklarheiten, zeitlicher Schwierigkeiten, infolge Verderblichkeit der Ware und anderer zufälliger Umstände -- als steuerbare Inlandslieferungen behandelt werden mußten (vgl. dazu: Plückebaum-Malitzky, UStG, 9. Auflage, Tz. 1063--1066, 1725).
Es war deshalb nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Rahmen der Einfuhrgeschäfte in Frage gestellt und eine allgemeine Lage gegeben, die Härtefälle mit Unbilligkeiten hervorrufen mußte. Die Voraussetzungen, unter denen der Verordnungsgeber gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 3 UStG ordnend eingreifen konnte, waren somit gegeben. Gegen die Gültigkeit des § 5 Abs. 3 UStDB bestehen also keine Bedenken.
Aus diesem Grunde kann es dahingestellt bleiben, ob § 5 Abs. 3 UStDB entsprechend den Darlegungen des FA auch als eine "nähere Bestimmung" des Begriffs der Lieferung verstanden werden kann und deshalb auch auf § 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG als Ermächtigungsgrundlage gestützt ist. Es braucht daher auch nicht auf die Bedenken eingegangen zu werden, die sich aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 1964 -- 2 BvL 23/62 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 18 S. 52) gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Ermächtigung zur näheren Bestimmung gesetzlicher Begriffe ergeben.
3. Die Kosten des Revisionsverfahrens treffen die Stpfl. nach § 135 Abs. 2 FGO. Der Streitwert wurde gemäß § 140 Abs. 3 FGO bestimmt.
Fundstellen
BStBl III 1967, 376 |
BFHE 1967, 300 |