Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält daran fest, daß Gymnasiallehrer an einer privaten Ersatzschule einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft, die im Angestelltenverhältnis stehen, nicht Kirchendiener i. S. des § 4 Nr. 5 c GrStG 1951 sind (Anschluß an Urteil vom 16. Mai 1975 III R 54/74, BFHE 116, 176, BStBl II 1975, 746).
Normenkette
GrStG 1951 i.d.F. vom 24. August 1965 § 4 Nr. 5c
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer bebauter Grundstücke, auf denen 1966 und 1967 Wohngebäude errichtet wurden, die Gymnasiallehrern der staatlich anerkannten Ersatzschule des Klägers als Dienstwohnungen zugewiesen sind. Der Kläger beansprucht für diese Wohnungen Grundsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 5 c des Grundsteuergesetzes (GrStG) 1951 mit der Begründung, es handle sich hierbei um Dienstwohnungen von Kirchendienern, die nach dem vor dem 1. April 1938 geltenden Landesrecht von der Grundsteuer hätten freigestellt werden müssen.
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) setzte die Grundsteuermeßbeträge unter Berücksichtigung der Grundsteuervergünstigung nach dem II. Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) für neugeschaffene Wohnungen fest. Die Einsprüche gegen die Grundsteuermeßbescheide waren erfolglos.
Auf die Klagen hat das Finanzgericht (FG) die Grundsteuermeßbeträge ersatzlos aufgehoben. Es hat die Revision zugelassen.
Die Revision des FA rügt, das FG sei von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Danach seien Lehrer an kirchlichen Privatschulen nur dann als kirchendiener anzusehen, wenn sie zum Kirchenbeamten ernannt worden seien. Eine beamtenähnliche Stellung reiche nicht aus.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision ist die Vorentscheidung aufzuheben.
1. Nach § 4 Nr. 5 c GrStG in der für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 24. August 1965 (BGBl I 1965, 905, BStBl I 1965, 407) sind u. a. Dienstwohnungen der Kirchendiener öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften in dem Umfang von der Grundsteuer befreit, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesrechtlichen Vorschriften befreit waren (vgl. BFH-Entscheidung vom 9. Juli 1971 III R 19/69, BFHE 103, 85 [87], BStBl II 1971, 781 zur Auslegung der Neufassung dieser Vorschrift). An den maßgebenden Zeitpunkten für die Veranlagung der Grundsteuermeßbeträge 1967 und 1968 war die Grundsteuerbefreiung nicht abgelöst, so daß dieser Befreiungstatbestand anzuwenden war.
2. Der Grundbesitz, für den der Kläger die Grundsteuerbefreiung beansprucht, liegt im Bereich des ehemaligen preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 - KAG - (Preußische Gesetzessammlung 1893 S. 152). Nach § 24 Abs. 1 Buchst. k KAG sind die Dienstwohnungen der Kirchendiener von der Grundsteuer freigestellt, soweit ihnen bisher Steuerfreiheit zugestanden hat. Das FG hat festgestellt, daß die Wohnungen der streitigen Grundstücke an die darin wohnenden Lehrer unter Anrechnung auf ihre Diensteinkommen zur Nutzung überlassen sind. Diese Wohnungen erfüllen damit die Voraussetzungen, die an eine Dienstwohnung zu stellen sind. Die Wohnungsinhaber sind jedoch entgegen der Auffassung des FG keine Kirchendiener i. S. des § 24 Abs. 1 Buchst. k KAG und damit des § 4 Nr. 5 c GrStG.
3. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 16. Mai 1975 III R 54/74 (BFHE 116, 176, BStBl II 1975, 746) anhand der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts - OVG - im einzelnen begründet, daß als Kirchendiener i. S. des § 24 Abs. 1 Buchst. k KAG nur Personen angesehen werden können, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Kirche stehen (BFHE 116, 179). Er hat in dieser Entscheidung weiter dargelegt, daß sich das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zur Kirche entweder, ungeachtet des Anstellungsverhältnisses, aus der Tätigkeit des Bediensteten als Kirchenorgan ergeben könne oder daraus, daß der Bedienstete ungeachtet seiner Tätigkeit aufgrund seines Anstellungsverhältnisses als Beamter anzusehen ist (BFHE 116, 181).
a) Die Lehrer an dem Gymnasium des Klägers sind nicht Kirchenorgane in dem Sinn, daß sie durch ihre Tätigkeit Kirchenhoheit entsprechend dem öffentlich-rechtlichen Status der Kirche ausüben würden. Denn soweit die Kirche Ersatzschulen unterhält, - das sind Schulen, die staatliche oder kommunale Schulen objektiv zu ersetzen geeignet sind - kommt den Kirchen keine öffentlich-rechtliche Sonderstellung zu. Sie werden in diesem Bereich wie alle übrigen Träger privater Ersatzschulen tätig, nämlich in einem Bereich, der außerhalb ihres öffentlich-rechtlichen Status liegt (BFHE 116, 182). An dieser Wertung der Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Kirchen ändert sich auch dadurch nichts, daß die Übernahme der Schulträgerschaft, oder anders ausgedrückt, das Motiv zur Errichtung einer privaten Ersatzschule aus der Sicht der Kirche eine eigene öffentliche Aufgabe ist (so Maunz in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band II S. 552 - HdbStKirchR II, 552 -). Denn für die Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe der Kirche stellt der Staat als der alleinige Träger öffentlicher Schulen ganz allgemein nur die Form der Errichtung einer Privatschule zur Verfügung. Die Kirchen können nur in dieser Form auf dem Gebiet des Schulwesens die ihnen eigenen Aufgaben erfüllen. Diese Schranken des für alle geltenden Gesetzes binden auch die Kirchen (Art. 140 des Grundgesetzes - GG - i. V. m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung - WRV -). Der Lehrer an einer kirchlichen Schule kann deshalb nicht aufgrund seiner Tätigkeit als Kirchendiener i. S. des § 24 Abs. 1 Buchst. k KAG und damit § 4 Nr. 5 c GrStG angesehen werden. Seine Qualifikation als Kirchendiener käme allenfalls aufgrund seines Anstellungsverhältnisses in Betracht. Dies würde aber erfordern, wie ebenfalls in der Entscheidung III R 54/74 im einzelnen dargelegt und an Hand der Rechtsprechung des OVG begründet wurde, daß er als Kirchenbeamter anzusehen ist.
b) Die Lehrer des Klägers sind nicht Kirchenbeamte. Der Senat stimmt dem FG durchaus zu, daß die Formalisierung der Beamtenernennung durch Aushändigung einer Urkunde über die Berufung in das Beamtenverhältnis unmittelbar nur das staatliche Beamtenrecht betroffen hat. Dies hat der Senat in seiner Entscheidung III R 54/74 berücksichtigt. Er hat in Übereinstimmung mit der Literatur anerkannt, daß das kirchliche Selbstbestimmungsrecht es den Kirchen gestatte, eigenständige Anstellungsformen zu entwickeln. Dem Wesen der Dienstherrneigenschaft als Voraussetzung der Beamtenbestellung entspricht es jedoch, daß in Bereichen, in denen die Kirchen aufgrund der Bindung an Gestaltungsformen des staatlichen Rechts nicht öffentlich-rechtlich tätig werden können, die tragenden Grundsätze des Berufsbeamtentums beachtet werden. Zu diesen Grundsätzen gehörte es aber auch schon am 31. März 1938, daß das Dienstverhältnis einseitig durch Verwaltungsakt des Dienstherrn geregelt werden kann. Dies ist nur bei einer förmlichen Berufung in das Beamtenverhältnis möglich.
Das FG hat bei seiner Entscheidung den beamtenähnlichen Status der Lehrer als gleichbedeutend mit dem Beamtenstatus angesehen. Dabei verkennt das FG, daß dieser beamtenähnliche Status nicht eine Besonderheit der Lehrer des Klägers ist, sondern von allen Trägern privater Ersatzschulen in bezug auf ihre Lehrer als Genehmigungsvoraussetzung gefordert wird. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung III R 54/74 (BFHE 116, 183) im einzelnen dargelegt. Aus diesem beamtenähnlichen Status kann damit aber nicht die Innehabung eines Kirchenamts indiziert werden, die nach der Rechtsprechung des OVG Voraussetzung für die Kirchendienereigenschaft ist.
Der erkennende Senat kann dem FG nicht darin folgen, der Staat verhalte sich widersprüchlich, wenn er in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen über private Ersatzschulen Anstellungsverträge genügen, für die Grundsteuerbefreiung aber eine beamtenähnliche Stellung nicht ausreichen lasse. Dabei verkennt das FG, daß die Regelung des Anstellungsverhältnisses der Lehrer zum privaten Schulträger ganz allgemein und für alle privaten Schulträger gilt, d. h. regelmäßig für Schulträger, die keine Dienstherrneigenschaft i. S. des Beamtenrechts besitzen. Die Beantwortung der Frage, ob ein in einem derartigen Dienstverhältnis stehender Lehrer auch als Kirchendiener einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft gewertet werden kann, liegt dagegen auf einer ganz anderen Ebene, so daß sich der Schluß des FG schon deshalb verbietet.
Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, weshalb seine auf der Rechtsprechung des OVG beruhende Rechtsauffassung zum Begriff des Kirchendieners i. S. des § 4 Nr. 5 c GrStG beim Leiter des Gymnasiums des Klägers zu unbefriedigenden Ergebnissen führen soll. Der Leiter dieser Schule ist nach dem Vortrag des Klägers Geistlicher. Die Dienstwohnungen von Geistlichen sind aber nach § 4 Nr. 5 c GrStG eindeutig in dem Umfang von der Grundsteuer freizustellen, in dem sie vor dem 1. April 1938 befreit waren. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß auch die Wohnungen der Lehrer von der Grundsteuer freigestellt werden müssen, die nicht Geistliche sind. Denn die Qualifikation als Kirchendiener ergibt sich, wie oben ausgeführt, nicht aus der Tätigkeit als Gymnasiallehrer.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung als der erkennende Senat ausgegangen. Seine Entscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG können die in den streitigen Grundstücken wohnenden Lehrer des Klägers nicht als Kirchendiener i. S. des § 4 Nr. 5 c GrStG i. V. m. § 24 Abs. 1 Buchst. k KAG angesehen werden; die Klagen betreffend die Grundsteuermeßbescheide 1967 und 1968 waren deshalb abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 73059 |
BStBl II 1979, 286 |
BFHE 1979, 68 |