Leitsatz (amtlich)
Bei der Veräußerung von Weideland ist grundsätzlich kein gesonderter Veräußerungsgewinn für die darauf befindliche Grasnarbe zu berechnen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Landwirt bei der Veräußerung von Dauerweideflächen einen auf die Veräußerung der zugehörigen Grasnarbe entfallenden geschätzten Teil des Kaufpreises als Veräußerungsgewinn zu versteuern hat, wenn sich beim Grund und Boden selbst kein Veräußerungsgewinn ergibt.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Die Klägerin betrieb im Streitjahr 1971 als Eigentümerin des Gutes A. die Land- und Forstwirtschaft; sie ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Durch notariellen Vertrag vom 9. Februar 1972 veräußerte die Klägerin die Außendeichländereien des Gutes in einer Größe von insgesamt 940 ha an die Landgesellschaft m.b.H. Nach § 1 Nr. 8 des Vertrages wurden sämtliche auf dem Kaufgegenstand befindlichen Gebäude, Bäume und Sträucher sowie alle wesentlichen Bestandteile mitveräußert. Als Tag der Übergabe wurde der 2. Januar 1972 vereinbart. Den vereinbarten Kaufpreis von ... Mil. DM teilte die Klägerin in der Buchführung entsprechend der im Kaufvertrag getroffenen Regelung auf Grund und Boden und Gebäude auf.
Den auf Grund und Boden entfallenden Betrag buchte die Klägerin in vollem Umfang als Einlage, da die Einbuchung der Werte für den Grund und Boden nach § 55 Abs. 1 und 2 EStG noch nicht vorgenommen worden war und der erzielte Erlös für den Grund und Boden erheblich unter den doppelten Ausgangsbeträgen nach § 55 EStG lag.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am 23. März 1973 einen nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Bescheid, durch den er entsprechend der Einkommensteuererklärung 1971 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erfaßte.
Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung im Jahre 1974/75 vertrat das FA die Auffassung, daß die mit dem Grund und Boden veräußerte Grasnarbe des Weidelandes ein besonderes bewertbares Wirtschaftsgut darstelle. Da die Grasnarbe nicht bilanziert sei, sei der hierauf entfallende Kaufpreis nach den in dem Gesamtkaufpreis enthaltenen anteiligen Werten im Wege der Schätzung wie folgt zu ermitteln und festzusetzen:
221,7807 ha x 600 DM/ha = 133 068 DM
448,1655 ha x 500 DM/ha = 224 082 DM
669,9462 ha = 357 150 DM
Das FA erhöhte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1971/72 u. a. um den Betrag von 357 150 DM und verteilte diesen mit je 178 575 DM auf die Veranlagungszeiträume 1971 und 1972. Es erließ am 11. November 1976 einen nach § 225 AO endgültigen Einkommensteuerbescheid für 1971.
Mit der Sprungklage machen die Kläger geltend, die Grasnarbe sei Bestandteil des Grund und Bodens und stelle kein besonderes Wirtschaftsgut dar. Dies folge aus § 55 Abs. 2 Nr. 1 EStG, wonach auf der Grundlage des Bodenschätzungsgesetzes (BodSchätzG) vom 16. Dezember 1934 der Grund und Boden zum 1. Juli 1970 als Ausgangswert mit der vierfachen Ertragsmeßzahl anzusetzen sei. Diese Ertragsmeßzahl ergebe sich aus der Fläche x Acker- bzw. Grünlandzahl. Durch die Schaffung eines Schätzungsrahmens für Ackerland und eines anderen Schätzungsrahmens für Grünlandflächen habe der Gesetzgeber aufgezeigt, daß von vornherein auch eine Differenzierung zwischen Ackerland und Grünland vorgenommen werden solle. Ein Grünlandschätzungsrahmen wäre nicht notwendig gewesen, wenn das Grünland in den Grund und Boden und in die Grasnarbe aufzuteilen gewesen wäre. Der Grünlandschätzungsrahmen beinhalte das gesamte Grünland, d. h. den Grund und Boden und die zugehörige Grasnarbe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision beantragen die Kläger, bei der Veräußerung der Außendeichländereien von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen und somit in der Grasnarbe kein gesondertes Wirtschaftsgut anzunehmen, weil in der Bewertung des Grünlandes gemäß § 55 EStG die Grasnarbe mitenthalten sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Nach § 55 Abs. 1 und 7 EStG ist bei Land- und Forstwirten der Grund und Boden, der nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1969 nicht anzusetzen war, zum 1. Juli 1970 mit dem Zweifachen des nach den Absätzen 2 und 4 zu ermittelnden Ausgangsbetrages als Einlage zu behandeln. Nach Absatz 2 ist für Flächen, die - wie die streitgegenständlichen Grundstücke - nach dem BodSchätzG (vom 16. Dezember 1934, RGBl I, 1050, in der im BGBl III 610-8 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch die Finanzgerichtsordnung vom 6. Oktober 1965, BGBl I, 1477, 1506) zu schätzen sind, für jedes katastermäßig abgegrenzte Flurstück der Betrag in Deutscher Mark anzusetzen, der sich ergibt, wenn die für das Flurstück am 1. Juli 1970 im amtlichen Verzeichnis nach § 2 Abs. 2 der Grundbuchordnung - GBO - (Liegenschaftskataster) ausgewiesene Ertragsmeßzahl vervierfacht wird.
Bei der Ermittlung der Ertragsmeßzahlen des Liegenschaftskatasters wird grundsätzlich zwischen folgenden Kulturarten unterschieden:
Ackerland
Gartenland
Grünland.
Das Grünland, zu dem die streitgegenständlichen veräußerten Grundstücksflächen gehören, umfaßt die Dauergrasflächen, die in der Regel gemäht und (oder) geweidet werden. Der Wert des Grünlandes wird anders ermittelt als der Wert des Ackerlandes. Für das Grünland werden zwei Wertzahlen festgestellt, nämlich die Grünlandgrundzahl und die Grünlandzahl. Die Grünlandgrundzahl bringt die aufgrund der Beurteilung von Boden, Klima und Wasser sich ergebenden Ertragsunterschiede zum Ausdruck. Die Grünlandzahl berücksichtigt außerdem die Ertragsunterschiede, die auf die Besonderheiten des Geländes zurückzuführen sind. Bei dieser Bewertungsmethode wird im Gegensatz zum Ackerland mit seinen wechselnden Feldbeständen auch der Dauerbewuchs mit bestimmten Grasarten (Süßgräser, Hartgräser etc.) berücksichtigt. Das ergibt sich schon daraus, daß in § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz (BodSchätzDB) wiederum zwischen unbedingtem Wiesenland, Streuwiesen und Hutungen unterschieden wird (vgl. Rösch/Kurandt, Bodenschätzung und Liegenschaftskataster, 3. Aufl., S. 53 ff.).
Aus diesem Bewertungsverfahren nach dem Bod-SchätzG lassen sich Gründe für die Auffassung der Kläger herleiten, daß das BodSchätzG ebenso wie im Ackerboden und der zugehörigen Ackerkrume auch im Grünlandboden und der zugehörigen Grasnarbe, das ist die Vegetationsgrunddecke des Grünlandes, eine Einheit sieht und daß deshalb die Ertragsmeßzahl für Grünland beides umfaßt. Danach wäre im Ausgangsbetrag für Grünland nach § 55 Abs. 1 und 2 EStG auch der Wert der Grasnarbe enthalten. Da im Streitfall die Ausgangswerte nach § 55 Abs. 1 und 2 EStG insgesamt unstreitig höher sind als der einheitliche Veräußerungspreis, wäre schon deshalb für die Grasnarbe kein Veräußerungsgewinn angefallen. Daß diese Auslegung der Ertragsmeßzahlen nach dem BodSchätzG und den zugehörigen BodSchätzDB, nach deren ursprünglichem Zweck der Streitfrage keine Bedeutung zukommt, zwingend ist, läßt sich weder nachweisen noch widerlegen. Daß sie keineswegs abwegig ist, ergibt sich z. B. aus der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH), nach der die Kosten für den Umbruch und für die Neueinsaat einer Wiese zu den abzugsfähigen Bodenverbesserungskosten gehören (vgl. Urteil vom 11. Oktober 1939 VI 420/39, RStBl 1940, 28). Dafür spricht auch die Rechtsprechung des RFH und des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die sog. Kultivierungskosten, die aufgewendet werden, um z. B. Unland für einen landwirtschaftlichen Betrieb urbar zu machen und als Weideland nutzen zu können, zu den Herstellungskosten des landwirtschaftlich nutzbaren Grund und Bodens gehören; zu diesen Kultivierungskosten werden im Zusammenhang mit Landerwerb neben den Aufwendungen für die erforderliche Bearbeitung des Bodens auch die Kosten der ersten Einsaat gerechnet (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 1975 IV R 66/72, BFHE 116, 545, BStBl II 1976, 8, und vom 8. November 1979 IV R 42/78, BFHE 129, 138, BStBl II 1980, 147). Fest steht jedenfalls, daß der Grund und Boden als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen der kultivierte Grund und Boden ist, der als land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche verwendbar ist und der grundsätzlich neben dem Waldboden in Acker- und Grünland aufgeteilt wird; es liegt daher nahe, daß zur kultivierten landwirtschaftlichen Nutzfläche einer Dauerweide die Grasnarbe als Grundlage der Fruchtziehung von Gras genauso gehört wie beim Ackerland die Akkerkrume als Grundlage der Feldbestellung.
Die Frage kann jedoch im Streitfall dahinstehen, weil andere rechtliche Überlegungen zu demselben Ergebnis führen.
2. Nach § 33 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) gehören zum land- und forstwirtschaftlichen (Betriebs-)Vermögen alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Betrieb der Land- und Forstwirtschaft ist die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Als Wirtschaftsgüter des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach dem BewG ist weder die Ackerkrume von Ackerland noch die Grasnarbe von Grünland neben den dazugehörigen landwirtschaftlichen Nutzflächen gesondert zu bewerten und anzusetzen.
Nach bisheriger Auffassung wird auch allgemein angenommen, daß die Grasnarbe von Grünland in der Ertragsteuerbilanz nicht besonders zu bewerten und als Wirtschaftsgut auszuweisen ist. Dafür sprechen auch die oben unter 1. angeführten Urteile des RFH und des BFH. Die Grasnarbe gehört nicht zum Feldinventar im Sinne der Rechtsprechung, wenn man darunter die aufgrund der Feldbestellung auf den Feldern, d. h. auf dem Ackerland vorhandenen Pflanzenbestände versteht (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1978 IV R 160/74, BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138). Wohl aus diesem Grunde findet sich - soweit übersehbar - in der umfangreichen Literatur zur landwirtschaftlichen Bewertungs- und Taxationslehre keine Behandlung oder auch nur eine Erwähnung der Grasnarbe. All das weist darauf hin, daß bisher nach allgemeiner Auffassung die Grasnarbe nicht als gesondertes Wirtschaftsgut im Sinne des Ertragsteuerrechts angesehen wird; zumindest zeigt es, daß die Grasnarbe neben dem Grund und Boden allgemein nicht als gesondertes Wirtschaftsgut behandelt worden ist. Schon diese Tatsache muß zu dem Ergebnis führen, daß beim Verkauf von Weideland die Grasnarbe - entsprechend der Behandlung der Ackerkrume - neben dem zugehörigen Grund und Boden im Regelfall kein von den Beteiligten gesondert erfaßtes Wirtschaftsgut ist, für das bei der Veräußerung ein vom Preis für den Grund und Boden abhebbarer gesonderter Kaufpreis bezahlt wird. Auch im Streitfall wurde im detailliert berechneten Kaufpreis für das gesamte Weideland kein Kaufpreisanteil für die Grasnarbe ausgewiesen. Der Ansatz des FA beruht auf einer nicht belegten Unterstellung. Die Annahme des FA würde zumindest den Nachweis voraussetzen, daß Verkäufer und Käufer einen gesonderten Kaufpreis für die Grasnarbe vereinbart haben. Das ist jedoch im Streitfall nicht geschehen.
Bereits dieses Ergebnis führt dazu, daß im Streitfall bei der Veräußerung des Weidelandes von dem Gesamtkaufpreis kein geschätzter, auf die Grasnarbe entfallender Teil abgespalten werden kann, der einen gesonderten Veräußerungsgewinn für den Verkauf der Grasnarbe ergeben könnte.
3. Nach alledem gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß der vom FA in freier Schätzung - ohne Angabe einer Grundlage - berechnete Veräußerungsgewinn für die Grasnarbe in Höhe von 357 150 DM ohne Rechtsgrundlage und daher zu streichen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 74973 |
BStBl II 1984, 424 |
BFHE 1984, 456 |