Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Alarmanlage als Herstellungskosten des Gebäudes
Leitsatz (amtlich)
Die Aufwendungen für eine in ein Wohngebäude eingebaute Alarmanlage gehören zu den Herstellungskosten des Gebäudes. Sie sind nachträgliche Herstellungskosten, wenn die Alarmanlage erst nach der Fertigstellung des Gebäudes eingebaut wird.
Orientierungssatz
Die Alarmanlage ist aufgrund eines einheitlichen Nutzungszusammenhangs und Funktionszusammenhangs mit dem Gebäude als unselbständiger Gebäudebestandteil (vgl. BFH-Beschluß vom 26.11.1973 und BFH-Urteil vom 26.6.1979 VIII R 22/77) zu beurteilen. Sie gehört bürgerlich-rechtlich in der Regel zu den wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes i.S. des § 94 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 4.12.1987 20 U 70/87; Literatur).
Normenkette
EStG §§ 21, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 7; BGB § 94 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin des im Jahre 1952 hergestellten Mietwohngrundstücks in K. Das erste und zweite Obergeschoß dieses Gebäudes sind vermietet, das Erdgeschoß wird von der Klägerin selbst genutzt. Die Klägerin ließ im Jahre 1983 für 9 715,24 DM eine Alarmanlage in dieses Gebäude einbauen.
In der Einkommensteuererklärung 1983 (Streitjahr) machte die Klägerin die Kosten für die Alarmanlage als sofort abziehbare Werbungskosten (Erhaltungsaufwand) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte im Einkommensteuerbescheid 1983 die Aufwendungen dagegen als nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes und ließ nur die darauf entfallenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten zum Abzug zu.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, es könne im Streitfall offen bleiben, ob die Aufwendungen für den Einbau einer Alarmanlage (nachträgliche) Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwand seien. Sie seien jedenfalls deshalb nicht abziehbar, weil sie --zumindest auch-- die private Lebensführung der Klägerin berührten, so daß das Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG eingreife. Denn der Einbau einer Alarmanlage diene in erster Linie dazu, in der Wohnung aufbewahrte Wertgegenstände zu schützen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 9 EStG und § 12 EStG. Die Kosten für die Alarmanlage seien allein durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlaßt. Sie seien sofort abziehbare Werbungskosten, weil es sich um Erhaltungsaufwand und nicht um nachträgliche Herstellungskosten handele.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1983 auf 32 620 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist im Ergebnis unbegründet. Die Entscheidung stellt sich aus anderen Gründen als denen, die das FG seiner Entscheidung zugrunde legte, als richtig dar (§ 126 Abs.4 FGO).
Entgegen der Auffassung des FG sind die Aufwendungen für den Einbau der Alarmanlage nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes. Ihre Berücksichtigung in Höhe der AfA führt gegenüber der Vorentscheidung zu keiner Herabsetzung der Steuer.
1. Die Alarmanlage, die in das Gebäude eingebaut worden ist, ist ein unselbständiger Gebäudebestandteil.
Die einkommensteuerrechtliche Einordnung einer Anlage bzw. Einrichtung als unselbständiger Gebäudebestandteil richtet sich seit dem Beschluß des Großen Senats vom 26.November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) danach, ob sie nach der allgemeinen Verkehrsanschauung in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zu dem Gebäude als solchem steht. Zum Gebäude rechnen solche Gebäudeteile und Einrichtungen, die dem Gebäude ein besonderes Gepräge geben oder deren Fehlen ein negatives Gepräge bewirkt. Nicht zum Gebäude rechnen solche Bestandteile, die nicht der Nutzung des Gebäudes selbst, sondern einem davon verschiedenen Zweck dienen. Bei Wohngebäuden ist danach zu unterscheiden, ob die Bestandteile für die Nutzbarkeit des Gebäudes zu Wohnzwecken vorausgesetzt werden oder der privaten Wohnnutzung selbst dienen, wie dies insbesondere bei Gegenständen der Inneneinrichtung der Fall ist. Voraussetzung für die Bejahung eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs mit dem Gebäude ist nicht, daß der Bestandteil zur notwendigen, unerläßlichen Ausstattung eines Wohngebäudes gehört. Maßgebend ist vielmehr, ob die Ausstattung, gemessen an zeitgemäßen Wohnansprüchen, das Bauwerk als objektiv zu Wohnzwecken geeignet erscheinen läßt und ihr Fehlen dem Wohngebäude ein negatives Gepräge geben würde (vgl. Senatsurteil vom 29.August 1989 IX R 176/84, BFHE 159, 303, BStBl II 1990, 430 m.w.N.).
Nach den vorgenannten Grundsätzen bilden die in Wohngebäude oder in einzelne Wohnungen eines Wohngebäudes eingebauten Alarmanlagen unselbständige Gebäudebestandteile. Sie sind dem Bereich der Nutzbarmachung der Gebäude als solches zuzuordnen; denn sie geben dem Wohngebäude --ebenso wie andere Sicherungsvorkehrungen, wie z.B. Sicherheitsschlösser, Fenstergitter usw.-- ein besonderes Gepräge, da sie dazu dienen, eine sichere und ungestörte Gebäudenutzung zu ermöglichen. Die Ausstattung eines Wohngebäudes mit einer Alarmanlage entspricht im Streitjahr --unabhängig davon, ob das Gebäude in einer "relativ unbelebten Gegend" gelegen ist und in dieses bereits mehrfach eingebrochen wurde (s. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Juni 1979 VIII R 22/77, BFHE 128, 525, BStBl II 1979, 738)-- zeitgemäßen Wohnansprüchen, auch wenn deren Einbau nicht unverzichtbar ist. Sie befriedigt, entgegen der Auffassung des FG, allenfalls ein unbedeutendes nicht ins Gewicht fallendes individuelles Wohnbedürfnis. Deshalb schadet nicht, daß außer den Bewohnern auch die Wohnungseinrichtung und evtl. vorhandene Wertgegenstände einen erhöhten Schutz durch eine Alarmvorrichtung erfahren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 128, 525, BStBl II 1979, 738). Der vorliegenden Beurteilung entspricht es auch, daß eine Alarmanlage bürgerlich-rechtlich in der Regel zu den wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes i.S. des § 94 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gehört (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 52.Aufl., § 93 Rz.5; Oberlandesgericht --OLG-- Hamm, Urteil vom 4.Dezember 1987 20 U 70/87, Neue Juristische Wochenschrift- Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1988, 923).
2. Die Aufwendungen für die Alarmanlage gehören zu den Herstellungskosten des Gebäudes. Es handelt sich im Streitfall um nachträgliche Herstellungskosten, weil dem Gebäude etwas Neues, bisher nicht Dagewesenes hinzugefügt worden ist. Erhaltungsaufwand setzt begrifflich voraus, daß etwas bereits bestehendes instandgesetzt oder instandgehalten wird. Demgegenüber sind --nachträgliche-- Herstellungskosten gegeben, wenn nach Fertigstellung Bestandteile in das Gebäude eingefügt werden, die bisher nicht vorhanden waren. Ist dies der Fall, so kommt es für die Annahme von Herstellungskosten nicht darauf an, ob dadurch das Gebäude wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wird. Die Beurteilung, ob etwas Neues geschaffen wurde, richtet sich nach der Funktion des eingefügten Bestandteils für das Gebäude. Hatte, wie im Streitfall, das Gebäude vor der Maßnahme keine Bestandteile mit vergleichbarer Funktion, die durch die Maßnahme erneuert oder ersetzt wurden, so sind die Aufwendungen für die Maßnahme grundsätzlich keine Erhaltungs-, sondern nachträgliche Herstellungskosten (vgl. grundlegend Senatsurteil in BFHE 159, 303, BStBl II 1990, 430 m.w.N.).
Herstellungskosten des Gebäudes sind gemäß § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG nur in Form von AfA als Werbungskosten abziehbar.
Das FA hat insoweit im Streitjahr eine entsprechende AfA vorgenommen. Gegen die Höhe dieser AfA sind von der Klägerin keine Einwendungen erhoben worden.
3. Nach den vorstehenden Ausführungen war die Revision als unbegründet abzuweisen, da die Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben kann (vgl. Tipke/Kruse, AO, § 126 FGO Tz.9; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 126 Anm.6).
Fundstellen
Haufe-Index 64911 |
BFH/NV 1993, 46 |
BStBl II 1993, 544 |
BFHE 170, 547 |
BFHE 1993, 547 |
BB 1993, 1208 (L) |
DB 1993, 1401-1402 (LT) |
DStZ 1993, 442 (KT) |
HFR 1993, 441 (LT) |
StE 1993, 327 (K) |