Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung; Auswertung der Prüfungsfeststellungen unzulässig
Leitsatz (NV)
1. Die Feststellungen einer Außenprüfung dürfen nicht in einem Steuerbescheid ausgewertet werden, wenn die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung im Wege der Anfechtungsklage oder nach Erledigung der Anordnung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt worden ist.
2. Eine Prüfungsanordnung kann noch bis zum Abschluß des Prüfungsverfahrens ergehen. Die Außenprüfung ist erst abgeschlossen, wenn das FA sie ausdrücklich oder konkludent für abgeschlossen erklärt.
3. Ist die Prüfungsanordnung wegen eines formellen Fehlers aufgehoben worden, kann das FA die Prüfung unter Vermeidung des Fehlers wiederholen.
Normenkette
AO 1977 § 196
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die einen . . . betrieb unterhielt. Seit dem 1. Januar 1978 führte er den Betrieb als Einzelunternehmen; zum 30. April 1978 gab er ihn auf.
Hinsichtlich der GbR fand eine Außenprüfung statt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beabsichtigte, anschließend auch beim Kläger für 1978 eine Außenprüfung durchzuführen. Er vereinbarte mit dem Steuerberater des Klägers als Termin der Prüfung den 18. Dezember 1981; an diesem Tage traf der Prüfer die erforderlichen Feststellungen. Versehentlich übergab der Prüfer an diesem Tage nicht die Prüfungsanordnung; sie wurde erst am 12. August 1982 übersandt. Die Schlußbesprechung fand am 15. Oktober 1982 statt; später wurde der Prüfungsbericht vom 30. November 1982 übersandt.
Aufgrund der Prüfungsfeststellungen erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1978, in dem ein laufender Verlust von 617 DM und ein Aufgabegewinn von . . . DM zugrunde gelegt waren; zuvor war von einem Verlust von 1 532 DM und einem Aufgabegewinn von . . . DM ausgegangen worden. Der geänderte Einkommensteuerbescheid wies auf den Prüfungsbericht hin.
Gegen den Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein. Zuvor hatten sie Anfechtungsklage gegen die Prüfungsanordnung erhoben. Das Finanzgericht (FG) hob die Anordnung auf, weil sie erst nach Durchführung der Prüfung ergangen und damit wirkungslos sei. Im Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid wurde geltend gemacht, daß die Prüfungsfeststellungen deswegen nicht mehr ausgewertet werden dürften. Das FG schloß sich dieser Auffassung nicht an und wies die Klage ab.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) rügen.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Kläger müssen das angefochtene Urteil und der Einkommensteueränderungsbescheid 1978 aufgehoben werden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen Feststellungen einer Außenprüfung nicht in einem Steuerbescheid ausgewertet werden, wenn die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung im Wege der Anfechtungsklage oder nach Erledigung der Anordnung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt worden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Oktober 1986 VIII R 243/83, BFHE 148, 400, BStBl II 1987, 284, m. w. N.). Hierzu ist es auch im Streitfall gekommen, weil das FG die Prüfungsanordnung als rechtswidrig aufgehoben hat.
Diese Anordnung war nicht, wie das FG meint, rechtlich bedeutungslos, da sie erst nach Abschluß des Prüfungsverfahrens ergangen sei. Eine Außenprüfung ist erst abgeschlossen, wenn das FA sie ausdrücklich oder konkludent für abgeschlossen erklärt; in der Regel kann sie nicht vor Absendung des Betriebsprüfungsberichts als abgeschlossen angesehen werden (BFH-Urteile vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, BStBl II 1986, 21; vom 28. August 1987 III R 189/84, BFHE 150, 506, BStBl II 1988, 2).
Im Streitfall ist die Prüfungsanordnung erheblich früher, nämlich vor der Schlußbesprechung bekanntgegeben worden und damit ergangen. Die Anordnung gab dem Kläger auf, die Prüfung zu dulden, und hatte zur gesetzlichen Folge, daß der Kläger den ihm in § 200 AO 1977 auferlegten Mitwirkungspflichten zu genügen hatte. Obwohl der Prüfer die wesentlichen Ermittlungsmaßnahmen bereits durchgeführt hatte, konnte er vor Abschluß der Prüfung jederzeit ergänzende Maßnahmen ergreifen und vom Kläger Auskünfte oder die Vorlage von Aufzeichnungen und Geschäftspapieren verlangen. Hierzu konnte es insbesondere aufgrund der Schlußbesprechung kommen, bei der vor allem strittige Sachverhalte erörtert werden sollen (§ 200 Abs. 1 Satz 2 AO 1977); aus einer solchen Erörterung konnten sich Hinweise für zusätzliche Ermittlungsmaßnahmen ergeben. Demgemäß ist auch der Betriebsprüfungsbericht noch unter der Geltung der Prüfungsanordnung angefertigt worden; selbst in diesem Zeitpunkt konnten bei seiner Abfassung auftretende Zweifel noch durch Prüfungsmaßnahmen geklärt werden.
Waren die getroffenen Feststellungen in dieser Weise von der Prüfungsanordnung getragen, hindert die erfolgreiche Anfechtung der Anordnung die Auswertung der Prüfungshandlungen. Ob die Auswertung von Prüfungshandlungen, die ohne Prüfungsanordnung vorgenommen wurden, nicht ohnehin unzulässig sind, kann offenbleiben (dazu BFH-Urteile vom 14. August 1985 I R 188/82, BFHE 144, 339, BStBl II 1986, 2; in BFHE 150, 506, BStBl II 1988, 2).
2. Der geänderte Einkommensteuerbescheid hat auch nicht deswegen Bestand, weil das FA nach Meinung des FG zu seinen Feststellungen auch anhand der Steuerakten kommen konnte. Tatsächlich ist das FA aber nicht so verfahren, sondern hat eine Außenprüfung durchgeführt, die zu einer Überprüfung der Steuerverhältnisse führen sollte und zusätzliche Erkenntnisse bringen konnte. Wie der Hinweis im Steuerbescheid ergibt, sind der Steuerfestsetzung die Feststellungen der Außenprüfung zugrunde gelegt worden; hypothetische Abläufe fallen dagegen nicht ins Gewicht.
3. Da die Prüfungsanordnung wegen eines formalen Fehlers aufgehoben worden ist, kann das FA die Prüfung unter Vermeidung des Fehlers wiederholen; die Feststellungen der Wiederholungsprüfung können im Veranlagungsverfahren ausgewertet werden (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1988 IV R 104/86, BFHE 155, 4, BStBl II 1989, 180).
Fundstellen
Haufe-Index 416347 |
BFH/NV 1990, 139 |