Leitsatz (amtlich)

Zum Verhältnis des § 7 VOL zu § 9 Abs. 2 VOL in den Fällen, in denen ein Landwirt im Rahmen seines Betriebes eine Pferdezucht unterhält.

 

Normenkette

VOL §§ 7, 9 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei einem Landwirt, dessen Gewinn nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) vom 2. Juni 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - 1949 S. 95) ermittelt wird, Betriebseinnahmen aus dem Verkauf eines Zuchtpferdes durch einen Sonderzuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL zu berücksichtigen sind.

Der Steuerpflichtige betreibt eine Landwirtschaft mit Hengstaufzucht und Hengsthaltung (Deckstation). Er ermittelt den Gewinn nach der VOL. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1953 machte das Finanzamt zu dem nach dieser Verordnung ermittelten Gewinn einen Zuschlag gemäß § 7 VOL wegen der Hengsthaltung in Höhe von 1.200 DM. Außerdem berücksichtigte das Finanzamt im Wirtschaftsjahr 1953/54 durch einen einmaligen Sonderzuschlag in Höhe von 7.500 DM gemäß § 9 Abs. 2 VOL einen Verkauf eines Zuchthengstes, bei dem der Steuerpflichtige 11.000 DM erlöste. Den Zuschlag berechnete das Finanzamt wie folgt:

Verkaufserlös ----------------------- 11.000 DM Verkaufsprovision ---------------- ./. 500 DM ergibt ------------------------- 10.500 DM geschätzte Aufzuchtkosten -----./. 3.000 DM Sonderzuschlag in Höhe von ---------- 7.500 DM.Hiergegen richtete sich das Rechtsmittel des Steuerpflichtigen. Er ist der Ansicht, bei dem Verkaufserlös in Höhe von 11.000 DM handle es sich zwar im Verhältnis zu anderen Wirtschaftsjahren um eine außergewöhnlich hohe Betriebseinnahme, jedoch nicht um einen überhöhten Preis im Sinne von § 9 Abs. 2 VOL, wie das Gutachten des Verbandes A. beweise. Typische nachhaltige Einnahmen seien aber ohne Rücksicht auf ihre tatsächliche Höhe durch die normale VOL-Besteuerung nach Durchschnittsätzen abgegolten. Bei dem Verkaufserlös handle es sich aber um eine solche typische Betriebseinnahme. Dem stehe nicht entgegen, daß die Erlöse in den einzelnen Wirtschaftsjahren in ihrer Höhe sehr unterschiedlich seien und manchmal nicht einmal die auf die einzelnen Hengste aufgewandten Aufzuchtkosten erreichten. Es liege in der Natur der Hengstaufzucht, daß der züchterische und finanzielle Erfolg im Einzelfall oft überhaupt nicht oder nur in geringem Umfang eintrete. Handle es sich aber bei dem Verkaufserlös von 11.000 DM um eine nachhaltige Einnahme, so entfalle ohnehin die Anwendung des § 9 Abs. 2 VOL. Ein Zuschlag nach § 7 VOL wegen etwaiger Mehrgewinne aus der Hengstaufzucht komme ebenfalls nicht in Betracht. Das Finanzamt habe seinerzeit, obwohl es ihm bekannt gewesen sei, wegen der Hengstaufzucht - was unbestritten sei - keinen Zuschlag zum Einheitswert vorgenommen. Es sei demzufolge nicht zulässig, höhere Einnahmen durch einen besonderen Zuschlag zu erfassen. Derartige besondere Erfolge beruhten nicht auf einer bei der Einheitsbewertung nicht berücksichtigten Veränderung objektiver Betriebsverhältnisse, sondern auf den persönlich züchterischen Fähigkeiten des Steuerpflichtigen. Im übrigen habe die Hengstaufzucht keine Mehrgewinne abgeworfen.

Die Sprungberufung führte in vollem Umfang zum Erfolg. Das Finanzgericht lehnte einen Zuschlag wegen des Verkaufserlöses sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 7 wie auch des § 9 Abs. 2 VOL ab.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung bestehenden Rechts, Verstöße gegen den Akteninhalt, das Verfahrensrecht, die Denkgesetze sowie ungenügende Sachaufklärung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach § 9 Abs. 2 VOL sind Betriebseinnahmen, die neben den nachhaltigen Einnahmen nur in einzelnen Jahren erzielt werden, z. B. Einnahmen für Lohnfuhren, Einnahmen aus überhöhten Preisen und sonstige Einnahmen, die in anderen Jahren nicht oder nur in geringer Höhe erzielt werden, durch Sonderzuschläge zu dem sonst nach dieser Verordnung sich ergebenden Gewinn für das einzelne Jahr zu berücksichtigen, wenn dadurch der Gewinn mindestens um 300 DM erhöht wird. Mit Recht sah das Finanzamt als solche Betriebseinnahme den Erlös aus dem Verkauf des Zuchthengstes an, soweit dieser den Ausgangswert, d. h. den üblichen Preis (Normalpreis), wie er bei Betrieben gleicher Art und Größe vorkommt und in der Gewinnberechnung nach §§ 1 bis 6 VOL bereits berücksichtigt ist, überstieg (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV 49/60 U vom 12. Oktober 1961 , BStBl 1962 III S. 37, Slg. Bd. 74 S. 94). Der Senat kann dem Finanzgericht nicht darin folgen, daß ein Sonderzuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL deswegen zu unterbleiben habe, weil es sich bei der außergewöhnlichen Einnahme um eine betriebsgewöhnliche Ertragsschwankung bzw. um eine nachhaltige Betriebseinnahme im Sinne von § 7 VOL handle. Das Finanzgericht verkennt den Begriff der Nachhaltigkeit im § 7 VOL. Durch Zuschläge im Sinne dieser Vorschrift können nur solche im Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes nicht oder nicht hinreichend berücksichtigte Einnahmen erfaßt werden, die nachhaltig, d. h. dauernd erzielt werden. Es muß sich um Einnahmen handeln, die etwa jährlich ungefähr in gleicher Höhe wiederkehren (vgl. Krill, Die Einkommensteuer in der Land- und Forstwirtschaft, S. 135). Das ergibt sich aus einem Vergleich der Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 2 VOL. Während § 7 VOL im wesentlichen auf nachhaltige Betriebseinnahmen, die jährlich 300 DM übersteigen, abstellt, fordert § 9 Abs. 2 VOL einen Mehrgewinn von mindestens 300 DM, der auf einer nicht nachhaltigen Betriebseinnahme beruht, d. h. eine Einnahme, die in anderen Jahren nicht oder nur in geringer Höhe erzielt wird, mithin der Höhe nach wesentlich schwankend ist. Liegen deshalb Einnahmen vor, die ihrer Höhe nach wesentlich schwanken, so kommt nicht ein Zuschlag nach § 7 VOL, sondern nur ein Sonderzuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL in Betracht. Um eine solche Betriebseinnahme, deren Außergewöhnlichkeit der Steuerpflichtige selbst einräumt, handelt es sich aber bei dem Erlös von 11.000 DM aus dem Verkauf des Zuchthengstes. Die Feststellungen der landwirtschaftlichen Prüfer ergaben, daß die Einnahmen aus dem Verkauf von Zuchtpferden im Wirtschaftsjahr 1953/54 und in den vorangegangenen Jahren der Höhe nach sehr unterschiedlich waren. Das hat seine Ursache nicht nur in dem verschiedenen Wert der Tiere, sondern ist auch darauf zurückzuführen, daß die gleiche Anzahl von Tieren nicht in jedem Wirtschaftsjahr verkauft wurde. Auch wenn der Steuerpflichtige, wie er angibt, im Durchschnitt der letzten Wirtschaftsjahre Verluste aus der Pferdezucht erlitten haben sollte, würde dies kein Grund sein, von einem Sonderzuschlag abzusehen. Insoweit ist zu beachten, daß es sich bei der Gewinnermittlung der landwirtschaftlichen Einkünfte nach der VOL um eine besondere Gewinnermittlungsart handelt, auf die die Gedanken der ordentlichen Gewinnermittlungsarten wie Vermögensvergleich und überschußrechnung nicht übertragen werden können. Es darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß auch bei normalen VOL- Betrieben Ertragsminderungen nicht zu einem Verlust führen können. Betriebsgewöhnliche Ertragsschwankungen sind aber nur dann ohne Einfluß auf die VOL-Besteuerung, wenn sich die Einnahmen aus den einzelnen Geschäften im Rahmen der Durchschnittsbesteuerung halten. Liegen deshalb Sondereinnahmen (Sondergewinne) von einiger Bedeutung vor, so sind diese grundsätzlich durch Zuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL zu erfassen. Dies gebietet der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung, der insoweit den der VOL innewohnenden Gedanken der Vereinfachung durchbricht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 52/60 vom 13. März 1962, BStBl 1962 III S. 348, Slg. Bd. 75 S. 220, und die dort wiedergegebene grundlegende Entscheidung des Senats IV 552, 556/54 S vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 131, Slg. Bd. 66 S. 341). Liegt ein derartiger erheblicher Sondergewinn aus einem einzelnen Geschäft, wie im Streitfall, vor, so kann es im übrigen nicht darauf ankommen, ob die besonderen Betriebseinnahmen auf strukturellen oder konjunkturellen Veränderungen der Wirtschaftslage beruhen bzw. durch ungewöhnliche Verhältnisse bedingt sind, die sich in objektiven Merkmalen des Betriebes äußern. Einnahmen, die aus der persönlichen Tüchtigkeit des Betriebsinhabers herrühren, führen nur dann zu keinem Sonderzuschlag, wenn sie sich im Rahmen des normalen Betriebes halten. Die Feststellung, in welcher Höhe sich Einnahmen im Rahmen des normalen Betriebes halten, mithin durch die Durchschnittsbesteuerung nach der VOL als abgegolten zu sehen sind, ist weitgehend eine Frage der Tatsachenwürdigung im Einzelfall. Die von den Oberfinanzdirektionen im Einvernehmen mit den landwirtschaftlichen Berufsorganisationen und den Landwirtschaftskammern festgesetzten Ausgangswerte (Normaleinnahmen) können hierfür jedoch als brauchbare Anhaltspunkte dienen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Streitfall erzielte Erlös von 11.000 DM ein überhöhter Preis im Sinne von § 9 Abs. 2 VOL ist. Es genügt, wie diese Vorschrift u. a. aufführt, daß eine nicht nachhaltige Betriebseinnahme vorliegt, die in anderen Jahren nicht oder nur in geringer Höhe erzielt wurde. Es ist unstreitig, daß bei der seinerzeitigen Einheitsbewertung des landwirtschaftlichen Betriebes Zuschläge für Viehzucht nicht gemacht wurden. Der Senat hat bereits in der Entscheidung IV 147/50 U vom 22. August 1951 (BStBl 1951 III S. 183, Slg. Bd. 55 S. 455) ausgesprochen, daß die in § 7 VOL enthaltene Zweckbestimmung, Zuschläge zu machen, wenn bei der Feststellung des Einheitswertes Einnahmen nicht oder nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend hinreichend berücksichtigt worden sind, gleichermaßen auch für Sonderzuschläge nach § 9 Abs. 2 VOL zu gelten habe. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war deshalb aufzuheben.

Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das Finanzgericht, an das die Sache zur erneuten Prüfung zurückgeht, wird für die Vornahme des Sonderzuschlages nach § 9 Abs. 2 VOL zu prüfen haben, welcher Ausgangswert (Normaleinnahme) für den verkauften Zuchthengst anzusetzen ist. Die landwirtschaftlichen Prüfer gingen von geschätzten Anschaffungs- und Aufzuchtkosten (einschließlich Körkosten) in Höhe von rund 3.500 DM aus. Das Finanzamt hält demgegenüber eine Normaleinnahme von 3.000 DM für angemessen. Nach den Akten ergibt sich, daß im Wirtschaftsjahr 1953/54 für angehörte Hengste im Durchschnitt Einnahmen von 3.000 bis 4.000 DM erzielt wurden (vgl. auch das Gutachten des Verbandes A.). Der Senat hält es für richtig, wenn bei der Berechnung des Sonderzuschlages nach § 9 Abs. 2 VOL der Betriebseinnahme nicht die Aufzuchtkosten (einschließlich Anschaffungs- und Körkosten), sondern die Normaleinnahme (durchschnittliche Verkaufserlös für gleichaltrige Tiere) dem tatsächlich erzielten Erlös gegenübergestellt werden. Von dem hiernach zu errechnenden Mehrerlös sind außerdem alle anläßlich der Veräußerung des Zuchtpferdes angefallenen besonderen Aufwendungen (Verkaufsprovision, Transportkosten u. a. m) und etwaige erhöhte, über den normalen Rahmen hinausgehende Aufzuchtkosten noch abzusetzen. Der verbleibende Betrag stellt dann den Sonderzuschlag gemäß § 9 Abs. 2 VOL dar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410831

BStBl III 1963, 401

BFHE 1964, 223

BFHE 77, 223

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