Leitsatz (amtlich)
1. Ist streitig, welche Patentkategorie (Sach- oder Verfahrenspatent) vorliegt, darf das FG nur im Falle ausreichender eigener Sachkunde von der Einholung eines Gutachtens absehen.
2. Eine Erfindung wird nur dann im eigenen gewerblichen Betrieb verwertet, wenn sich der Erfinder im Schutzbereich der Erfindung (des Patents) gewerblich betätigt.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1; Erfinder-VO § 4 Nr. 3, § 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat eine als volkswirtschaftlich wertvoll anerkannte, patentrechtlich geschützte Erfindung gemacht, die ein Bauelement zum Gegenstand hat. Der Kläger liefert sämtliche Ausgangsmaterialien. Die Hauptteile stellt er in eigener Fabrik her; das Montagematerial (Schrauben usw.) bezieht er. Der Kläger setzt auf die Rechnungsdurchschriften einen Stempelaufdruck "Lizenzgebühren 2,- DM pro qm = ... DM". Dieser Lizenzgebührenanteil entspricht der Lizenzgebühr, die der Kläger von einer ausländischen Firma erhält, die ausnahmsweise die Einzelteile selbst fertigen und liefern darf.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) versagte in den endgültigen Einkommensteuerbescheiden für 1963 bis 1965 die ermäßigte Besteuerung des Lizenzgebührenanteils gemäß § 4 Nr. 3 Erfinder-VO vom 30. Mai 1951 (BStBl I 1951, 181). Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hat ausgeführt: § 4 Nr. 3 Erfinder-VO sei nicht anwendbar. Der Kläger habe die Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb verwertet, weil er die hauptsächlichen Einzelteile in seinem Unternehmen gefertigt habe. Patentrechtlich geschützt sei nicht nur das Montageverfahren, sondern auch und insbesondere die Konstruktion des Bauelements. Das Montageverfahren sei lediglich eine notwendige Folge der Gesamtkonstruktion. Das Bauelement sei auch Gegenstand des Geschäftsverkehrs. Der Streitfall sei nicht mit dem Fall des Urteils des BFH vom 14. Januar 1960 IV 98/58 U (BFHE 70, 504, BStBl III 1960, 189) vergleichbar, in dem unbearbeitete und ungeschützte Grundstoffe geliefert worden seien.
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts: Die Herstellung und Abgabe von Einzelteilen könne nur dann als Verwertung der Erfindung angesehen werden, wenn sich der Schutzumfang des Patents auf diese Tätigkeiten erstrecke. Das sei nicht der Fall. Er habe ein reines Verfahrenspatent. Die in der Patentschrift genannten Tätigkeiten nehme nicht er vor, sondern erst der montierende Abnehmer. Der Patentschutz erstrecke sich allerdings auch auf Gegenstände, und zwar auf die mit Hilfe des Verfahrens hergestellten Bauelemente (§ 6 Satz 2 des Patentgesetzes - PatG -), indes noch nicht auf die gelieferten Ausgangsmaterialien. Das FG habe unter Verletzung des § 76 FGO seinen Antrag auf Hinzuziehung eines Patentanwalts als Sachverständigen abgelehnt; das Sachverständigengutachten habe nachweisen sollen, daß die Herstellung der Ausgangsmaterialien nicht unter das Schutzrecht falle. Unterheblich sei, daß er die Montage der Bauelemente nur den Abnehmern der Ausgangsmaterialien gestattet habe. Jeder Patentinhaber werde sich bemühen, mit seinem Patent die größten Gewinne zu erzielen. Der Kläger beantragt, ihm unter Aufhebung der Vorentscheidung "für die Jahre 1963 bis 1965 auf die erhaltenen Lizenzbeträge die Tarifvergünstigung nach der Erfinderverordnung zu gewähren".
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Kläger rügt zu Recht, daß das FG trotz seines Antrags, einen Sachverständigen zu hören, die Patentschrift selbst ausgelegt hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, es liege auch ein Sachpatent vor. Ist streitig, welche Patentkategorie vorliegt (Sach- oder Verfahrenspatent), so ist die Fassung des Patentanspruchs nicht unbedingt maßgebend; die Patentschrift ist vielmehr nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Fachmanns des betreffenden Gebiets auszulegen (Busse, Patentgesetz, 4. Aufl., § 1 Anm. 7 mit Nachweisen). Hinzu kommt, daß Mischformen zwischen dem Sach- und dem Verfahrenspatent denkbar sind (Urteil des BGH vom 14. Juni 1960 I ZR 116/58, Lindenmaier-Möhring - Nachschlagewerke des Bundesgerichtshofs - § 1 Patentgesetz Nr. 10). Da die Patentschriftauslegung des Klägers nicht als gänzlich abwegig erscheint, hätte sie nur mit Hilfe eines besonderen technischen Fachwissens widerlegt werden können. Das FG hätte die Patentkategorie nur dann selbst bestimmen dürfen, wenn es eigene Sachkunde gehabt hätte. Eine solche ist in der Vorentscheidung nicht dargelegt worden. Überdies ist dem FG ein Rechtsfehler unterlaufen. Aus seinem Auslegungsergebnis, es sei die Gesamtkonstruktion geschützt, hat es hergeleitet, es liege ein Sachpatent vor, das sich auch auf die vorgefetigten Einzelteile beziehe. Der Schutz der hergestellten Bauelemente besteht aber selbst bei Annahme eines Verfahrenspatents. Nach § 6 Satz 2 PatG erstreckt sich die Wirkung eines Verfahrenspatents auf die durch das Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse. Danach hat das FG, indem es in der von ihm für rechtserheblich gehaltenen Streitfrage von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absah, seine Sachaufklärungspflicht verletzt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Das Urteil des FG beruht auch auf diesem Verfahrensmangel.
Der ermäßigte Steuersatz des § 4 Nr. 3 Erfinder-VO ist nicht zu gewähren, wenn die Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb verwertet wird (§ 5 Erfinder-VO). Der Erfinder verwertet seine Erfindung dadurch, daß er seine Befugnisse als Patentinhaber (§ 6 Satz 1 PatG) in eigener Person wahrnimmt, d. h. den Gegenstand der Erfindung selbst herstellt, in Verkehr bringt, feilhält oder gebraucht (vgl. auch BFH-Urteil vom 23. April 1971 IV 99/65, BFHE 102, 473, BStBl II 1971, 710: "unmittelbare Nutzbarmachung des Patents").
Der Erfinder muß sich also im Schutzbereich der Erfindung gewerblich betätigen. Keine Verwertung ist die unbeschränkte oder beschränkte entgeltliche Übertragung von Patentbefugnissen auf Dritte (§ 9 Satz 2 PatG), insbesondere durch Lizenzvergabe. In diesem Falle nutzt der Erfinder das Patent nicht selbst; er nimmt lediglich mittelbar an der Patentnutzung Dritter teil. Wird die Lizenzvergabe von der Inanspruchnahme gewerblicher Leistungen des Lizenzgebers abhängig gemacht, bleibt § 4 Nr. 3 Erfinder-VO auf den Lizenzgebührenanteil anwendbar, sofern der Erfinder bei der Bewirkung und Vorbereitung der gewerblichen Leistungen außerhalb des Schutzbereichs der Erfindung tätig wird. Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Grundgedanken der Erfinder-VO die Versagung des ermäßigten Steuersatzes den Sinn haben sollte, Schwierigkeiten bei der Verteilung des Gesamtgewinns auf die Verwertung der Erfindung und den "normalen Produktionsgewinn" zu vermeiden (Begründung zur Erfinder-VO, Bundesratsdrucksache 136/51, S. 3). Diese Überlegung kann nur im Rahmen der §§ 4, 5 Erfinder-VO Geltung beanspruchen, mithin insoweit, als die Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb "verwertet", d. h. vom Erfinder selbst genutzt wird. Bei der Inanspruchnahme nicht geschützter gewerblicher Leistungen und gleichzeitiger Lizenzvergabe sind die auf die Lizenzvergabe entfallenden Gewinne hingegen begünstigt. Sie sind gegebenenfalls schätzungsweise zu ermitteln. Der Aufzeichnungspflicht des § 3 Nr. 2 Erfinder-VO wird dadurch genügt, daß die Schätzungsbeträge gesondert aufgezeichnet werden.
Sollte sich nach Einholung eines Gutachtens ergeben, daß die vom Kläger gefertigten und vertriebenen Einzelteile einem Sachpatentschutz unterlagen, ist die Klage abzuweisen. Die Erfindung wäre dann im eigenen gewerblichen Betrieb des Klägers verwertet worden. Sollte indes ein Verfahrenspatent mit dem vom Kläger dargelegten Inhalt vorliegen, müßte der Klage stattgegeben werden (wie im Falle des BFH-Urteils IV 98/58 U), vorausgesetzt, daß - was das FG gegebenenfalls noch zu prüfen haben wird - der vom Kläger angesetzte Lizenzgebührenanteil als angemessene Schätzung des auf die Erfindertätigkeit entfallenden Gewinns anzusehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 70598 |
BStBl II 1973, 827 |
BFHE 1973, 510 |