Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei Bauherrengemeinschaft
Leitsatz (NV)
Einer Bauherrengemeinschaft steht der Vorsteuerabzug aus Rechnungen, die ihr erteilt worden sind, nur dann zu, wenn sie selbst die Leistungen in Auftrag gegeben hat und damit sie selbst Empfängerin dieser Leistungen ist, dies also nicht die einzelnen Gemeinschafter als Bauherren sind.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Bauherrengemeinschaft, die ausweislich des Bauherrengemeinschaftsvertrages als bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft errichtet worden war. Sie sollte durch Zweckerreichung -- mit Abnahme der zu errichtenden Bauten von vier Doppelhäusern mit insgesamt 16 Wohnungen -- enden, spätestens jedoch mit Entstehen einer aus den Bauherren bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Eigentümer des Baugrundstücks sind die Mitglieder der Klägerin nach Bruchteilen. Im Januar 1983 beschlossen diese entgegen den ursprünglichen Absichten die gemeinschaftliche Nutzung der zu errichtenden Gesamtanlage zu fremdenverkehrsgewerblichen Zwecken; die geplante Teilung des Grundstücks in Wohnungseigentum wurde -- im März 1984 -- zurückgestellt. Die Gebäude waren ebenfalls im März 1984 bezugsfertig und wurden ab 1. April 1984 von einer Verwalterfirma für die Gemeinschaft vermietet. Die Mieteinnahmen flossen auf ein Konto der Klägerin; die jährliche Abrechnung erfolgte im Verhältnis der Bruchteilsanteile.
Die Gebäude wurden aufgrund des mit der Klägerin abgeschlossenen Bauvertrages vom 20. Januar 1983 durch ein Bauunternehmen als sog. Generalübernehmer errichtet. In diesem Vertrag wird zunächst -- im Vorspann -- die Klägerin als Bauherr bezeichnet. Es folgt eine Aufstellung ihrer Mitglieder und deren Miteigentumsanteile. Anschließend heißt es u. a.:
"Die folgenden Bestimmungen des Vertrages verpflichten die Bauherren ausschließlich in Höhe der vorstehenden Miteigentumsanteile. Die Bauherren nehmen die Leistungen des Unternehmens nur zu diesen Anteilen in Anspruch. Eine gesamtschuldnerische Haftung wird ausdrücklich ausgeschlossen."
sowie -- in § 1 des Vertrages -- "Die einzelnen Bauherren beabsichtigen, im Namen, für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr auf dem Baugrundstück das ... Bauwerk zu errichten ... "
Die weiteren Verträge im Rahmen des Bauherrenprojektes (Baubetreuungsvertrag, Steuerberatungsvertrag, Vermietungs- und Mietgarantievertrag usw.) bezeichneten jeweils die einzelnen Bauherren als Vertragspartner.
Die einzelnen Bauherren beantragten zunächst auch bei ihren Wohnsitzfinanzämtern die Veranlagung zur Umsatzsteuer und die Erstattung der auf sie anteilig entfallenden Vorsteuerbeträge, die der Generalübernehmer der Klägerin für die erbrachten Bauleistungen in Rechnung gestellt hatte. Diese Anträge wurden mit Hinweis darauf abgelehnt, daß nicht die Bauherren, sondern die Klägerin als gewerbliche Vermieterin und damit als Unternehmerin die Umsätze für Bauleistungen und Ausführung steuerpflichtiger Leistungen verwendet habe. Dementsprechend machte nunmehr die Klägerin die Vorsteuerbeträge im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärungen 1983 und 1984 geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) folgte dem nicht. Er ging davon aus, nicht die Klägerin, sondern die einzelnen Bauherren seien schuldrechtlich Auftraggeber der Bauleistungen.
Die Einsprüche der Klägerin gegen die hiernach ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen 1983 und 1984 blieben erfolglos. Der anschließenden Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1993, 475 wiedergegebenen Gründen statt.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG zur Bestimmung des Leistungsempfängers sie nicht tragen.
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) kann ein Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
a) Die Klägerin ist Unternehmerin. Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Unternehmer kann hiernach auch eine Bauherrengemeinschaft als Bruchteilsgemeinschaft sein (vgl. im einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729; Senatsurteile vom 27. April 1994 XI R 91, 92/92, BFHE 174, 559, BStBl II 1994, 826, und XI R 85/92, BFHE 175, 460, BStBl II 1995, 30). Rechtsfähigkeit i. S. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist dafür nicht erforderlich. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier durch Vermietung des Grundstücks als Gegenstand der Gemeinschaft) kann als unternehmerische Tätigkeit nach den Regeln der Gemeinschaft ausgeführt werden. Der Bildung einer gesonderten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bedarf es nicht. Es kann deshalb offenbleiben, ob durch die gemeinsame Vermietung der Wohnungen im Streitfall eine GbR zwischen den Gemeinschaftern der Klägerin zustande gekommen ist oder ob es sich bei der Vermietung von Miteigentum durch eine Bruchteilsgemeinschaft um eine Verwaltungsmaßnahme nach §§ 744, 745 BGB handelt. Ausschlaggebend ist, daß nach den Feststellungen des FG nicht die Mitglieder der Klägerin, sondern diese selbst nach Maßgabe des Beschlusses vom Januar 1983 als Vermieterin im Rahmen der fremdenverkehrsgewerblichen Nutzung auftrat.
b) Wer umsatzsteuerrechtlich Leistender und wer Leistungsempfänger ist, ergibt sich im allgemeinen aus den zugrundeliegenden schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen (vgl. BFH-Urteile vom 13. März 1987 V R 33/79, BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524; vom 26. November 1987 V R 85/83, BFHE 151, 479, BStBl II 1988, 158; vom 7. Mai 1987 V R 85/77, BFH/NV 1988, 53; vom 1. Juni 1989 V R 72/84, BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677; vom 8. Oktober 1992 V R 92/87, BFH/NV 1994, 196). Dementsprechend ist Leistender regelmäßig der zivilrechtlich zur Leistung Verpflichtete, vorausgesetzt, daß er die Leistung auch wirklich erbracht hat. Leistungsempfänger ist regelmäßig derjenige, der Anspruch auf die Leistung hat.
Die Vorinstanz ist bei ihrer Entscheidung von diesen Grundsätzen ausgegangen und hiernach zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin sei -- als Bruchteilsgemeinschaft -- Empfängerin der von dem Bauunternehmen erbrachten Leistungen gewesen. Dies wird von den den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 Satz 1 FGO) tatsächlichen Feststellungen des FG jedoch nicht getragen.
Die Klägerin ist eine Bauherrengemeinschaft, die nach § 1 Nr. 2 des Bauherrengemeinschaftsvertrages als "bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft" errichtet wurde und weder eigenes Vermögen erwerben noch am Rechtsverkehr teilnehmen sollte. Tatsächlich und dem widersprechend wurde die Klägerin dann aber unternehmerisch als Grundstücksvermieterin tätig. Sie wurde auch in dem mit dem Generalübernehmer geschlossenen Bauvertrag vom 20. Januar 1983 im Vorspann zunächst als "Bauherr" aufgeführt. Im Einklang hiermit ist überdies die Abschlußrechnung des Generalübernehmers an die Klägerin (zu Händen des Treuhänders) ausgefertigt worden. Diese Umstände sprechen für das Ergebnis der Vorentscheidung, daß die Klägerin Leistungsempfängerin der Generalübernehmerleistungen war.
Auf der anderen Seite verpflichteten sich den weiteren Bestimmungen des Bauvertrages nach aber allein die -- namentlich aufgeführten -- Gemeinschafter als Bauherren in Höhe ihrer jeweiligen Miteigentumsanteile als Teilschuldner im eigenen Namen, für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr (vgl. dazu Reiß, Betriebs-Berater 1987, 448, 449 m. w. N. zu der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; s. auch Fleischmann, Der Betrieb, Beilage 9/1981, S.8). In entsprechendem Umfang nahmen sie dem Wortlaut des Bauvertrages nach auch die Bauleistungen in Anspruch. Die gesamtschuldnerische Haftung wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Daraus könnte folgen, daß Empfänger der Leistungen des Generalübernehmers nicht die Gemeinschaft als solche, sondern jeweils die einzelnen Gemeinschafter gewesen sind und daß ihnen und nicht der Gemeinschaft gegenüber die Leistungen erbracht wurden (s. auch BFH-Urteil vom 27. Januar 1994 V R 31/91, BFHE 173, 463, BStBl II 1994, 488; s. dazu auch Klenk in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Bem. 46 Stichwort "Wohnungseigentümergemeinschaften" m. w. N.; s. auch BFH-Urteil vom 5. März 1991 VII R 58/90, BFH/NV 1992, 1). Die Gemeinschafter haben auch zunächst ihre Veranlagung zur Umsatzsteuer beantragt und in ihren Umsatzsteuererklärungen die Vorsteuer aus dem Bauvertrag geltend gemacht. Der Umstand, daß die Gebäude -- abweichend von den ursprünglichen Absichten -- nicht im unmittelbaren Anschluß an ihre Errichtung aufgeteilt worden sind, stünde -- entgegen der Ansicht der Vorinstanz -- der Beurteilung des einzelnen Gemeinschafters als Leistungsempfänger nicht entgegen. Der einzelne Bruchteilseigentümer kann (anteiliger) Empfänger einer Leistung sein, die sich auf das gesamte Grundstück bezieht (vgl. Urteil in BFHE 173, 463, BStBl II 1994, 488).
Angesichts der sich hiernach ergebenden Ungewißheiten kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, wer Leistungsempfänger -- die Klägerin oder aber die einzelnen Gemeinschafter -- gewesen ist. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit dieses weiter aufklären kann, wen die an den Vertragswerken Beteiligten nach den erkennbaren Umständen als Leistungspartner der Baumaßnahmen bestimmt haben und ob der Leistungsaustausch demgemäß durchgeführt worden ist.
Fundstellen