Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Anwendung der in Art. 4 der VO (EWG) 1013/71 vorgesehenen Altkontraktregelung kommt es darauf an, ob und in welcher Weise sich die Erweiterung der Bandbreiten des Wechselkurses der DM (Art. 1 der VO [EWG] 974/71) auf die Abwicklung des Vertrages und damit auf die im konkreten Einzelfall für die eingeführte Ware in US-Dollar geleistete Zahlung ausgewirkt hat.
2. Wird der Kaufpreis nach dem 10. Mai 1971 aus einem US-Dollar-Zwischenkredit bezahlt, den der Importeur im Hinblick auf später fälligwerdende US-Dollar-Erlöse aus Transitgeschäften aufgenommen hat, so kommt eine Freistellung von Ausgleichsbeträgen nicht in Betracht. Eine rein kalkulatorische Verkoppelung des Einfuhrgeschäftes mit dem Transitgeschäft rechtfertigt eine Freistellung nicht.
Normenkette
EWGV 974/71 Art. 1; EWGV 1013/71 Art. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wendet sich gegen die Erhebung von Angleichungszoll für in der Zeit vom 30. Juni 1971 bis zum 31. Juli 1971 durchgeführte Rindfleischeinfuhren. Der Zollerhebung liegen Bescheide vom 5. und 23. Juli sowie 2. August 1971 zugrunde, die durch den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten (§ 68 FGO) Bescheid vom 19. Januar 1973 geändert worden sind.
Die Erhebung des Angleichungszolls stützt sich auf die Verordnung (EWG) Nr. 974/71 – VO (EWG) 974/71 – des Rates vom 12. Mai 1971 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften –ABlEG– Nr. L 106 vom 12. Mai 1971 S. 1, BZBl 1971, 550). durch die die Mitgliedstaaten, die die Wechselkurse für ihre Währung freigegeben hatten und deren Wechselkurse über den durch die internationale Regelung genehmigten Bandbreiten lagen, ermächtigt wurden, bei der Einfuhr der von Agrarmarktordnungen erfaßten oder betroffenen Erzeugnisse Ausgleichsbeträge zu erheben. Die Bundesrepublik hat diese Ermächtigung mit der Verordnung über die Erhebung einer Ausgleichsabgabe zur Sicherung der deutschen Landwirtschaft vom 14. Mai 1971 ausgenutzt (BGBl II 1971, 233, BZBl 1971, 486). Die Ausgleichsabgabe wurde als Angleichungszoll (§ 21 ZG) erhoben. Durch VO (EWG) 1013/71 vom 17. Mai 1971 (ABlEG Nr. L 110 vom 18. Mai 1971, S. 8, BZBl 1971, 552) wurde für die Erhebung der Ausgleichsbeträge eine Altkontraktregelung eingeführt. Die Klägerin berief sich mit den gegen die Abgabenfestsetzung gerichteten Einsprüchen auf diese Altkontraktregelung, indem sie geltend machte, den Einfuhren habe ein Kontrakt vom 18. April 1971 zugrunde gelegen. Bei der Abwicklung des Vertrages über ihr US-Dollar-Konto seien ihr keine Währungsvorteile erwachsen.
In dem Bericht über eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung ist ausgeführt, der Kontrakt vom 18. April 1971 sei über ein US-Dollar-Konto bei der Hausbank der Klägerin abgewickelt worden. Mitte des Jahres 1971 habe die Klägerin zwei größere Transitgeschäfte über das US-Dollar-Konto ausgeführt. Da sie mit erheblichen Beträgen in Vorlage getreten sei, habe ihr die Hausbank einen Überziehungskredit von 600 000 US-Dollar eingeräumt. Durch die beiden Transitgeschäfte habe die Klägerin keine DM mehr in US-Dollar umtauschen müssen. So seien u. a. die aus dem hier streitigen Kontrakt geschuldeten Zahlungen aus den Gewinnen der Transitgeschäfte geleistet worden.
Die Klägerin erklärte zu dem Ergebnis der Prüfung, sie habe die Bruttogewinne aus den Transitgeschäften in Höhe von insgesamt 670 000 US-Dollar nicht per Termin verkauft, weil sie gleichzeitig wegen des Importkontraktes vom 18. April 1971 einen US-Dollar-Bedarf in annähernd gleicher Höhe gehabt habe. Die Synchronisation der Fälligkeiten sei durch eine US-Dollar-Zwischenkreditgewährung ihrer Hausbank ermöglicht worden, so daß sie das US-Dollar-Termingeschäft auf der Geldseite mit einem solchen auf der Briefseite habe kompensieren können.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt – HZA –) wies den Einspruch der Klägerin gegen die Erhebung des Angleichungszolles als unbegründet zurück
Die dagegen gerichtete Klage führte zur Aufhebung der angefochtenen Angleichungszollbescheide. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Klägerin habe im Streitfall aus der Abwicklung des Vertrages keine Währungsvorteile im Sinne der VO (EWG) 974/71 sowie der VO (EWG) 1013/71 erzielt. Gemäß Abs. 4 Nr. 3 b des BMWF-Erlasses vom 24. Mai 1971 wäre die Klägerin von Angleichungszöllen freizustellen gewesen, wenn sie ein als Bezahlung anzusehendes, auf den Warenverkauf bezogenes Devisentermingeschäft vor dem 10. Mai 1971 abgeschlossen und vertragsgerecht abgewickelt hätte. Im Streitfalle habe die Klägerin zwar kein Devisentermingeschäft abgeschlossen. Sie habe darauf aber nur deshalb verzichtet, weil eine Kompensation von Zahlungsströmen aus Import-Altkontrakten und Transit-Altkontrakten möglich gewesen sei, so daß nach vernünftigen kaufmännischen Überlegungen kein Anlaß bestanden habe, den Kurs der Verpflichtungen sowie der Forderungen aus dem Warenverkehr mit dem Ausland durch Devisentermingeschäfte sichern zu lassen. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Lage müsse die Klägerin im Hinblick auf die währungsmäßigen Auswirkungen einem Importeur gleichgestellt werden, der für einen vor dem 10. Mai 1971 geschlossenen Altkontrakt ein Devisentermingeschäft abgeschlossen und vertragsgerecht abgewickelt habe. Die Wechselkursänderung habe sich für die Klägerin weder positiv noch negativ ausgewirkt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des HZA, mit der eine Verletzung des Art. 4 Abs. 2 der VO (EWG) 1013/71 gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Das HZA wendet sich mit der Revision nicht dagegen, daß die dem Streitfall zugrunde liegenden Einfuhren infolge eines Vertrages durchgeführt worden sind, der vor dem 10. Mai 1971 abgeschlossen worden ist. Nach den vom FG getroffenen und für den Bundesfinanzhof (BFH) verbindlichen Feststellungen liegen auch die weiteren in Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) 1013/71 für die Nichtanwendung der Ausgleichsbeträge vorgesehenen tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Obwohl danach, was insbesondere das Datum des Vertragsabschlusses betrifft, ein sog. Altkontrakt vorliegt, kann die Klägerin nicht von der Erhebung der Ausgleichsbeträge freigestellt werden. Einer Freistellung steht Abs. 2 des Art. 4 der VO (EWG) 1013/71 entgegen. Nach dieser Bestimmung gelten die Vorschriften des Abs. 1 „nur in dem Maß, als es notwendig ist, um die Abwicklung des Vertrages unter den Bedingungen zu gestatten, die ohne die in Art. 1 der VO (EWG) 974/71 erwähnten monetären Maßnahmen bestanden hätten”. Damit kommt zum Ausdruck, daß nicht allein auf das Datum des Vertragsabschlusses abzustellen ist, sondern daß in jedem konkreten Falle zu prüfen ist, ob und in welcher Weise sich die Erweiterung der Bandbreiten des Wechselkurses der DM (vgl. Art. 1 der VO (EWG) 974/71) auf die Abwicklung des Vertrages ausgewirkt hat. Abs. 2 des Art. 4 der VO (EWG) 1013/71 schränkt deshalb den in Abs. 1 aufgestellten Grundsatz, daß bei aufgrund von Altkontrakten eingeführten Marktordnungswaren die Ausgleichsbeträge nicht angewendet werden, in entscheidender Weise ein.
Steht danach die Auswirkung der monetären Maßnahmen auf die Preise im Einzelfalle im Vordergrund der getroffenen Altkontraktregelung, dann liegt es auf der Hand, daß es bei Einfuhrverträgen, die in US-Dollar-Währung abgeschlossen worden sind, entscheidend darauf ankommt, wann diese Beträge bezahlt worden sind. Ist die Zahlung vor dem 10. Mai 1971 erfolgt, dann greift für danach eingeführte Waren die Altkontraktregelung Platz. Ist nach diesem Stichtag gezahlt worden –im Streitfalle am 7. Juni 1971–, dann waren die Importeure von Marktordnungswaren grundsätzlich in der Lage, sich die benötigten US-Dollar-Beträge um den Aufwertungseffekt der DM billiger zu beschaffen. Diese Möglichkeit der Beschaffung von billigen US-Dollar-Beträgen führte dazu, daß eingeführte Marktordnungswaren um den jeweiligen Aufwertungseffekt billiger wurden. Das wiederum verursachte Störungen der zum Schutze der landwirtschaftlichen Bevölkerung geschaffenen Marktorganisationen, die auf einem System fester Preise unter Einschluß der Festsetzung von Richt-, Schwellen- und Interventionspreisen beruhen (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften –EGH– vom 24. Oktober 1973 Rs. 5/73 und 9/73, EGHE 1973, 1091 [1106] und 1135 [1150]). Auf diese Zusammenhänge ist auch in den Erwägungsgründen zur VO (EWG) 974/71 hingewiesen.
Ein Aufwertungsgewinn mit der damit verbundenen Störung des Gemeinsamen Marktes trat bei in US-Dollar-Währung abgeschlossenen Einfuhrgeschäften trotz Bezahlung ab dem 10. Mai 1971 dann nicht ein, wenn der Importeur vor diesem Tage ein Devisentermingeschäft zu einem danach liegenden Termin, etwa dem 1. August 1971, abgeschlossen hatte. In diesem Falle wurden die von ihm gekauften US-Dollar-Beträge noch zum alten Wechselkurs ausgezahlt. Die in Art. 4 Abs. 2 der VO (EWG) 1013/71 erwähnten monetären Maßnahmen wirkten sich dann auf die Abwicklung des Vertrages nicht aus, so daß kein Währungsvorteil entstand und damit kein Anlaß bestand, Ausgleichsbeträge zu erheben.
Dieser sich am Sinn und Zweck der Altkontraktregelung orientierenden Auslegung hat der BMWF in seinem von der Verwaltung herangezogenen Erlaß vom 24. Mai 1971 (BZBl 1971, 580) unter (4) 3. b) bei in Fremdwährung abgeschlossenen Verträgen zutreffend Rechnung getragen.
Im Streitfalle ist unbestritten, daß die Klägerin den in US-Dollar geschuldeten Kaufpreis für das eingeführte Rindfleisch erst am 7 Juni 1971 bezahlt und damit den Einfuhrvertrag im Sinne des Art. 4 der VO (EWG) 1013/71 abgewickelt hat. Es ist weiter unstreitig, daß sie vor diesem Stichtag kein Devisentermingeschäft abgeschlossen hat Auch die vom FG festgestellten besonderen Umstände der Durchführung der Einfuhr und der Abwicklung des Vertrages rechtfertigen es im Gegensatz zur Auffassung des FG nicht, von der Erhebung der Ausgleichsbeträge abzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an ob die Klägerin im Hinblick auf eine Kompensation von Zahlungsströmen aus Import-Altkontrakten und Transit-Altokontrakten darauf verzichtet hat, zur Bezahlung der Rindfleischeinfuhren vor dem 10. Mai 1971 ein Devisentermingeschäft abzuschließen. Es kann auch dahinstehen, ob die Freistellung von Ausgleichsbeträgen gemäß Art. 4 der VO (EWG) 1013/71 grundsätzlich dann in Betracht gezogen werden kann wenn ein Importeur von Marktordnungswaren, wie die Klägerin über ein US-Dollar-Konto verfügt und wenn die Bezahlung der Einfuhrwaren aus US-Dollar-Beträgen erfolgt, die zur gleichen Zeit aus Transit-Altkontrakten auf das US-Dollar-Konto eingezahlt worden sind im Streitfalle liegt letztere Voraussetzung jedenfalls nicht vor. Die Klägerin hat den Kaufpreis unbestritten nicht aus den erst später fällig werdenden Verkaufserlösen aus den Transitgeschäften bezahlt, sondern aus einem US-Dollar-Zwischenkredit ihrer Hausbank, der die abweichenden Fälligkeiten des Kaufpreises für die Einfuhrwaren und des Verkaufserlöses aus den Transitgeschäften überbrückte. Eine solche rein kalkulatorische Verkoppelung von grundsätzlich ausgleichsbetragspflichtigen Einfuhrgeschäften mit (was den Zahlungseingang betrifft) später durchgeführten Transitgeschäften ist mit der in Art. 4 Abs. 2 der VO (EWG) 1013/71 getroffenen Altkontraktregelung nicht vereinbar. Dort geht es, wie bereits ausgeführt, allein um die Abwicklung des Einfuhrvertrages. Die sich daraus ergebende Zahlungsverpflichtung hat die Klägerin aber aus dem ihr gewährten US-Dollar-Zwischenkredit und nicht aus den erst später eingehenden Verkaufserlösen aus den Transitgeschäften bezahlt.
Soweit die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren darauf hingewiesen hat daß wegen der faktischen Abwertung des US-Dollars einem rechnerischen Kursgewinn bei ihrer US-Dollar-Verschuldung (Bankverbindlichkeit im Hinblick auf den Zwischenkredit) naturgemäß ein rechnerischer Kursverlust in gleicher Höhe bei den Debitoren (US-Dollar-Kundenforderungen) gegenüberstehe, und soweit sie daraus die Schlußfolgerung ziehen will, daß sich damit der vermeintliche Kursgewinn kompensiere, verkennt sie die Grundgedanken der in den VO (EWG) 974/71 und 1013/71 aus Anlaß der monetären Maßnahmen der Bundesrepublik getroffenen Regelungen. Insbesondere dient die Altkontraktregelung des Art. 4 der VO (EWG) 1013/71 nicht dazu, Kursverluste, die alle Besitzer von US-Dollar treffen, bei Importeuren von Marktordnungswaren dadurch auszugleichen, daß die bei der Einfuhr zu erhebenden Ausgleichsbeträge nicht angewendet werden. Das System der Ausgleichsbeträge zielt darauf ab, die Inzidenz der Währungsmaßnahmen auf die Preise der Waren, für die Interventionsmaßnahmen vorgesehen sind, auszugleichen (vgl. den letzten Absatz der Erwägungsgründe zur VO [EWG] 974/71). Nur dort, wo es, wie bei Altkontrakten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der VO (EWG) 1013/71, eine solche Inzidenz nicht gibt, brauchen keine Ausgleichsbeträge erhoben zu werden. Eine rein kalkulatorische Verrechnung von am 7. Juni 1971 gezahlten mit erst später zugeflossenen US-Dollar-Beträgen, deren abweichende Fälligkeit durch einen US-Dollar-Zwischenkredit überbrückt wird, läßt die auf die Abwicklung des konkreten Einfuhrvertrages abgestellte Altkontraktregelung nicht zu. Sie würde sich im übrigen nur zugunsten solcher Importeure auswirken, die aufgrund von Ausfuhrgeschäften über US-Dollar verfügen. Das aber wäre geeignet, Störungen des Gemeinsamen Marktes zu verursachen und würde andere Importeure benachteiligen.
Fundstellen
Haufe-Index 510507 |
BFHE 1977, 330 |