Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Als Veräußerung i. S. des § 118 Abs. 1 LAG ist das schuldrechtliche Grundgeschäft, nicht das dingliche Erfüllungsgeschäft anzusehen.

 

Normenkette

LAG § 118 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) hat am 7. Juni 1952 von einer seit April 1948 im Besitz der amerikanischen Staatsangehörigkeit befindlichen Verkäuferin ein in F. gelegenes Grundstück gekauft; er ist am 16. Februar 1953 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden. Das Finanzamt hat den Bg. durch vorläufigen Bescheid zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen. Der Einspruch des Bg. gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung des Bg. hat ihn das Finanzgericht gemäß § 118 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) von der Hypothekengewinnabgabe freigestellt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Vorsteher des Finanzamts meint, gestützt auf die Ausführungen im Kommentar "Lastenausgleich" von Harmening, Anm. 2 (Fußnote 1) zu § 118 LAG, daß der in § 118 Abs. 1 LAG gebrauchte Begriff der Veräußerung in sachenrechtlichem Sinn auszulegen sei, das heißt eine Veräußerung im Sinn des § 118 Abs. 1 LAG erst dann vorliege, wenn der Erwerber im Grundbuch eingetragen worden sei. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Stand das mit Grundpfandrechten für 10 : 1 umgestellte RM-Verbindlichkeiten belastete Grundstück am 21. Juni 1948 im Eigentum eines Angehörigen der Vereinten Nationen (AVN), so waren jedenfalls Leistungen aus Umstellungsgrundschulden nicht zu erbringen. Bei einer Veräußerung dieses Grundstücks brauchte also der Erwerber vor Ergehen des LAG nicht damit zu rechnen, daß dieses entgegen dem Rechtszustand unter dem Hypothekensicherungsgesetz (HypSichG) eine Abgabeverpflichtung auch für die am Währungsstichtag im Eigentum vom AVN stehenden, im vorstehend dargelegten Sinn belasteten Grundstücke begründen werde. Dementsprechend brauchte und konnte der Erwerber keine entsprechende Abgabe bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen; darin, daß der Erwerber eine noch nicht feststehende, nur denkbare zukünftige Belastung nicht in Betracht zieht, liegt entgegen der Auffassung der Rb. keinesfalls eine die Schutzwürdigkeit des Interesses des Erwerbers an der Abgabefreiheit ausschließende "Leichtfertigkeit". Erkennbar mit Rücksicht auf die Rechtslage unter dem HypSichG ist die Vorschrift des § 118 Abs. 1 LAG geschaffen, die das Entstehen der Hypothekengewinnabgabe als öffentliche Last nach § 111 Abs. 1 LAG und eine persönliche Haftung des Grundstückseigentümers nach § 111 Abs. 3 LAG für die Fälle ausschließt, in denen das betreffende am 21. Juni 1948 einem AVN gehörende Grundstück in der Zeit zwischen diesem Tag und dem Inkrafttreten (- nicht nur dem Ergehen -) des LAG "veräußert" worden ist. Dem Gesetzeszweck entspricht es daher, wenn die Vorentscheidung als Veräußerung nicht erst die Vollendung des dinglichen Erfüllungsgeschäfts (der Eigentumsübertragung), sondern schon das schuldrechtliche Grundgeschäft ansieht. Das Finanzgericht führt zutreffend aus, daß der gute Glaube des Erwerbes geschützt werden soll und für die Frage nach diesem guten Glauben nur der Zeitpunkt des für die Vorstellungen und die Willensbildung des Erwerbers hinsichtlich des Erwerbs in Betracht kommende Abschluß des schuldrechtlichen Grundgeschäfts maßgebend sein kann. Mit Recht weist die Vorentscheidung auch darauf hin, daß der Zeitpunkt der grundbuchlichen Eintragung vom Zutun der Beteiligten unabhängig, er mithin ungeeignet ist, für die Beurteilung des guten Glaubens des Erwerbers zugrunde gelegt zu werden. Die Ausführungen von Harmening a. a. O., es müsse angenommen werden, daß der Gesetzgeber des LAG sich in § 118 Abs. 1 habe genau ausdrücken wollen und dabei nicht Begriffe ohne nähere Erläuterungen in einem anderen als dem im Sachenrecht feststehenden Sinn gebraucht, sind nicht überzeugend. Zunächst ist der Sprachgebrauch auf dem Gebiet des Sachenrechts keineswegs immer einheitlich gewesen, vielmehr die Bezeichnung "Veräußerungsgeschäft", worauf der Bg. schon im Einspruchsverfahren hingewiesen hat, in § 2 der Verordnung über Auflassung vom 11. Mai 1934 (Reichsgesetzblatt I S. 378) für das schuldrechtliche Grundgeschäft verwendet worden. Auf dem Gebiet des Steuer- und Finanzrechts selbst ist es nicht ungewöhnlich, wenn der Ausdruck "Veräußerung" mit Beziehung auf das schuldrechtliche Grundgeschäft gebraucht wird; der Bg. hat im Einspruchsverfahren hierzu mit Recht § 5 des Grunderwerbsteuergesetzes 1919 (Reichsgesetzblatt 1919 S. 1617) und § 13 Ziff. 1 des Altsparergesetzes (Bundesgesetzblatt 1953 I S. 495) angeführt. Schließlich ist es auch nicht angängig, mit Harmening gerade bei § 118 Abs. 1 LAG besondere Genauigkeit in der Wortfassung anzunehmen und ihr damit größere Bedeutung als im allgemeinen einzuräumen. Eine bloße Wortauslegung kann gerade bei § 118 Abs. 1 LAG nicht zu einem zutreffenden Ergebnis führen, dieses vielmehr nur aus dem oben dargelegten Sinn und Zweck der Bestimmung gewonnen werden. Die Auffassung, daß sich in § 118 Abs. 1 LAG der Ausdruck "veräußert" auf das Kausalgeschäft bezieht, wird auch von dem (Referenten-) Kommentar zum LAG von Kühne-Wolff (Anmerkung 5 zu § 118) vertreten. Wenn dabei a. a. O. das Kausalgeschäft als "die Vertragsparteien bindend" bezeichnet wird, so kann zweifelhaft sein, ob damit die gleiche Ansicht wie die von Schulze-Brachmann-Meilicke-Georgi in ihrem Kommentar zum LAG (Anmerkung 7 zu § 118) vertreten werden soll, daß Veräußerung (erst) in bindender Einigungserklärung (Auflassung) gemäß § 873 Abs. 2 BGB liege. Auch dem kann der Senat nicht folgen, da es nach dem oben Gesagten nur auf das schuldrechtliche Grundgeschäft ankommt. Im übrigen werden schuldrechtliches Grundgeschäft und dingliche Einigung (Auflassung) zeitlich häufig zusammenfallen.

Hiernach war der Vorentscheidung beizutreten und die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 307 ff. der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408270

BStBl III 1955, 308

BFHE 1956, 287

BFHE 61, 287

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