Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Finanzanwärters während seiner praktischen Ausbildung in der Finanzverwaltung stellt eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG dar.
Normenkette
StBerG § 6 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bg. zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter zuzulassen ist. Er ist 1940 geboren. Nach dem Besuch einer Realschule und dem Erwerb des Zeugnisses der mittleren Reife besuchte er zwei Jahre lang eine Höhere Handelsschule und legte die Abschlußprüfung ab. Am 31. März 1959 trat er als Finanzanwärter in die Finanzverwaltung ein. Er bestand nach dreijähriger Ausbildung für den gehobenen Dienst am 29. März 1962 die Steuerinspektorenprüfung mit gut. Seit dem 2. April 1962 wurde er als Sachbearbeiter beim Finanzamt eingesetzt. Am 31. März 1964 schied er aus der Finanzverwaltung aus und war dann als Angestellter eines Steuerbevollmächtigten in Steuerangelegenheiten tätig.
Seinen Antrag auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung lehnte der Zulassungsausschuß bei der Oberfinanzdirektion durch Entscheidung vom 12. Juni 1964 mit der Begründung ab, der Bg. sei nicht nach abgeschlossener Ausbildung vier Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich praktisch tätig gewesen; er erfülle nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Die Zeit vor dem 2. April 1962 (Aufnahme der Dienstgeschäfte als Sachbearbeiter beim Finanzamt) scheide als Ausbildungszeit aus; sie sei lediglich eine Zeit der Vorbereitung auf die eigentliche Berufsausübung gewesen. Die Finanzanwärter würden in der Ausbildungszeit neun Monate lang rein theoretisch und in der weiteren Zeit sowohl praktisch als auch theoretisch ausgebildet, wobei die praktische Ausbildung dem Umstand Rechnung trage, daß ein Finanzanwärter nicht Arbeitskraft, sondern Lernender sei. Der sich aus der Zielsetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG ergebenden Forderung, daß ein Bewerber um die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung Kenntnisse, die er in der Berufsausbildung erworben habe, in der praktischen Berufsarbeit vier Jahre lang erweitern und vertiefen müsse, könne der Bg. deshalb nicht gerecht werden, weil er sich während der Finanzanwärterzeit noch in der Berufsausbildung befunden habe.
Die Vorinstanz hat die Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 12. Juni 1964 aufgehoben und den Bf. zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zugelassen. Sie hat u. a. ausgeführt: Nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StBerG sei der Bg. vier Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich tätig gewesen. Für einen Zeitraum von ungefähr 2 1/4 Jahren sei der Betätigungsnachweis im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG eindeutig durch die Sachbearbeitertätigkeit beim Finanzamt und die Arbeit im Betrieb eines Steuerbevollmächtigten vor dem Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses geführt. Auch hinsichtlich der weiteren, vor dieser Zeit liegenden, 1 3/4 Jahre lägen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG vor.
Die Oberfinanzdirektion hat Rb. eingelegt. Sie bemängelt, daß das Finanzgericht von sich aus den Bg. zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zugelassen habe, und trägt erneut vor, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG seien bei dem Bg. nicht gegeben. Bei dem Vorbereitungsdienst als Finanzanwärter handle es sich um eine Berufsausbildung, nicht um eine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne der bezeichneten Vorschrift. Diese hauptberufliche Tätigkeit verlange vielmehr "eine bereits auf den produktiven Arbeitserfolg ausgerichtete Berufsarbeit". Ein Finanzanwärter werde nicht praktisch eingesetzt, sondern nur insoweit mit praktischen Fällen befaßt, als dies dem Ausbildungsziel der Finanzanwärter diene. Die Ausbildung für den ganz anderen Beruf eines Steuerbeamten könne nicht mit der praktischen Tätigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG im Rahmen der Vorbildung für den Beruf als Steuerbevollmächtigter gleichgestellt werden. Mit dem Fall eines Lehrlings, der nach der kaufmännischen Gehilfenprüfung bei einem Steuerbevollmächtigten vier Jahre lang tätig sei, könne der Fall eines Finanzanwärters nicht verglichen werden, denn der Lehrling mit Gehilfenprüfung habe seine Ausbildung bereits endgültig abgeschlossen und danach seine praktische berufliche Tätigkeit aufgenommen. Die Oberfinanzdirektion beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, die Berufung zurückzuweisen und dem Bg. die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat in der Sache selbst keinen Erfolg.
Das Finanzgericht bejaht zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StBerG beim Bg. Hinsichtlich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG führt es richtig aus, daß der Bg. die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Zeit von ungefähr 2 1/4 Jahren einwandfrei nachgewiesen hat. Aber auch für die an den in § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG geforderten vier Jahren noch fehlende Zeit von 1 3/4 Jahren bejaht die Vorinstanz mit Recht das Gegebensein der Voraussetzungen dieser Vorschrift. Der Bg. hat sich auch in der Zeit der Ausbildung als Finanzanwärter zweifellos auf dem Gebiet des Steuerwesens betätigt. Die Oberfinanzdirektion verneint zu Unrecht, daß er sich "hauptberuflich" betätigt habe. In der Zeit der praktischen Ausbildung eines Finanzanwärters ist dieser beruflich tätig; er ist auch hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig. Der erkennende Senat hat für die hauptberufliche Betätigung verlangt, daß Arbeitszeit und Arbeitskraft überwiegend beansprucht sein müssen (vgl. das Urteil VII 18/64 vom 18. Mai 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 492 Nr. 401); das ist im Streitfall, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, geschehen. Hauptberufliche Tätigkeit und Ausbildung sind entgegen der Auffassung der Oberfinanzdirektion keine Gegensätze. Die Oberfinanzdirektion interpretiert Voraussetzungen für die Steuerbevollmächtigtenprüfung in das Gesetz hinein, die es nach Wortlaut und Sinn nicht verlangt. § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG erfordert weder, daß der Bewerber nach abgeschlossener - auch steuerrechtlicher - Ausbildung noch daß er ausschließlich praktisch (vier Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens) tätig gewesen sein müsse. Das Finanzgericht bemerkt richtig, daß der Bewerber sich in Anbetracht der immer größer werdenden Schwierigkeiten des Steuerrechts unumgänglich auch erhebliche theoretische steuerrechtliche Kenntnisse aneignen muß. Daß die Finanzanwärter in beträchtlichem Umfang auch praktisch eingesetzt werden, hat das Finanzgericht zutreffend gerade im Streitfall an Hand des Beschäftigungstagebuchs des Bg. festgestellt. Die theoretische wie praktische Ausbildung des Finanzanwärters, auch seine praktische Betätigung, ist im übrigen besonders vielseitig und daher gut geeignet, mit eine Vorbildung für die Prüfung als Steuerbevollmächtigter zu schaffen. Es trifft zwar zu, daß es sich bei der Ausbildung eines Finanzanwärters um die Vorbildung zu einem anderen Beruf als dem des Steuerbevollmächtigten handelt. Immerhin weisen trotz aller Verschiedenheiten die Arbeit des Steuerbeamten und die Arbeit der steuerberatenden Berufe doch nicht unerhebliche Gemeinsamkeiten auf. Dem tragen auch gewisse Vorschriften des StBerG hinsichtlich der Bewerbung ehemaliger Steuerbeamter um steuerberatende Tätigkeit Rechnung (vgl. insbesondere § 6 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 1, Nr. 2, Abs. 2 StBerG). Der Finanzanwärter ist während der Zeit seiner praktischen Ausbildung somit "hauptberuflich" im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG tätig. Aus der Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 2 StBerG ist nichts Gegenteiliges herzuleiten.
Nicht zugestimmt werden kann sonach der Oberfinanzdirektion in der Ansicht, im Vergleichsfall des kaufmännischen Gehilfen, der nun vier Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich tätig wird, liege es grundlegend anders, weil jener Bewerber, "seine Ausbildung" bereits endgültig abgeschlossen und danach eine praktische berufliche Tätigkeit aufgenommen habe. Die Verwaltungsbehörde übersieht, daß der kaufmännische Gehilfe eine andere Ausbildung abgeschlossen hat, steuerrechtlich aber auch erst lernen muß.
Lediglich in formeller Hinsicht bemerkt die Oberfinanzdirektion zutreffend, daß der Tenor des Urteils der Vorinstanz nicht hätte lauten dürfen: Der Bg. "wird" zur Steuerbevollmächtigtenprüfung "zugelassen"; er ist vielmehr dahin zu berichtigen, daß er lautet: Der Bg. ist zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zuzulassen. Mit dieser Maßgabe ist die Rb. der Oberfinanzdirektion als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411857 |
BStBl III 1965, 739 |
BFHE 1966, 660 |
BFHE 83, 660 |