Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob ein Kartellpreis oder ein von diesem abweichender Preis als Normalpreis anerkannt werden kann.
Ein handelsüblicher Skonto, der für die Gestellung eines Dokumentenakkreditivs eingeräumt wird, kann nicht zollwertmindernd berücksichtigt werden. Der Senat hält an der im Urteil V z 215/55 U vom 22. Mai 1957 vertretenen Auffassung nicht fest.
Normenkette
ZTG §§ 5, 6/1, § 7; WertZO § 1
Tatbestand
I. -
Der Bundesfinanzhof ist im Streitfalle zur Nachprüfung des Sachverhalts auch in tatsächlicher Hinsicht berufen (ß 7 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit vom 22. Oktober 1957, BGBl 1957 I S. 1746, Bundeszollblatt - BZBl - 1957 S. 568, in Verbindung mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs V z 75/54 S vom 25. November 1954, BStBl 1955 III S. 66, BZBl 1955 S. 58, Slg. Bd. 60 S. 173). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das Hauptzollamt (ß 7 Abs. 1 a. a. O.).
Streitig ist, welcher Zollwert der Berechnung der Eingangsabgaben für Papier zugrunde zu legen ist, das die Bfin. in zwei Sendungen aus österreich eingeführt und am 4. November 1953 und 7. Januar 1954 zum freien Verkehr hat abfertigen lassen. Die Bfin. begehrt für beide Sendungen die Anerkennung des Rechnungspreises abzüglich eines ihr von der Lieferfirma gewährten Skontos von 1 1/2 % für das von dieser geforderte Dokumentenakkreditiv als Zollwert. Das Zollamt hat in den angefochtenen Bescheiden auf Grund von Untersuchungsergebnissen der Zollprüfungs- und Lehranstalten Köln und München, die einen durchschnittlichen Holzschliffgehalt des Papiers von etwa 65 % feststellten, für dieses entsprechend den Zollwertnachrichten B Nr. 20/53 X/4801 - 3. Ausgabe - der Zollwertgruppe der Bundeszollverwaltung in Köln-Deutz den dort angegebenen Vergleichspreis für mittelfeines Druckpapier der Stoffklasse B zur Ermittlung der Zollwertes herangezogen. Es hat demgemäß unter Berücksichtigung der Zuschläge für Satinage und Quadratmetergewicht und eines Großhandelsrabattes von 5 % aber unter Einbeziehung des Akkreditivskontos von 1 1/2 % für die erste Sendung einen Zollwert von 5.428,25 DM und für die zweite Sendung einen solchen von 19.596,82 DM festgestellt und auf Grund dieser Zollwerte für die erste Sendung einen Betrag von 1.361,55 DM und für die zweite einen solchen von 4.914,85 DM an Eingangsabgaben festgesetzt.
Die Anfechtungen hatten keinen Erfolg.
Mit der Rb. wird geltend gemacht, daß zwar nach der seinerzeit im österreichgeschäft üblichen Klassifizierung von Druckpapier zwischen den Stoffklassen A und B unterschieden worden sei, wobei die Stoffklasse A Druckpapier mit einem Holzschliffgehalt von 75 %, die Stoffklasse B hingegen solches mit einem Holzschliffgehalt von 70 % umfassen sollte. Entsprechend diesen Stoffklassen habe die Vereinigung österreichischer Papierindustrieller auch feste Listenpreise für in die Bundesrepublik zu importierendes Druckpapier festgesetzt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz könnten die von der Kartellvereinigung bindend festgesetzten Preise im Streitfalle nicht als Grundlage der Zollwertermittlung herangezogen werden. Die österreichische Lieferfirma habe, obwohl sie Mitglied des Kartells gewesen sei, mit der Bfin. Preise vereinbart, die niedriger gelegen hätten als die Kartellpreise. Im Streitfall seien die Preise ausschließlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt worden. Da sie von jedem anderen inländischen Käufer unter den gleichen Umständen auch zu erzielen gewesen wären, stellten sie handelsübliche Preise dar. Da es frei ausgehandelte Preise für die gelieferte Ware seien, könne es im Streitfall auch nicht auf die Stoffzusammensetzung des Papiers im Sinne der Listenpreise ankommen.
Der der Bfin. jeweils gewährte Akkreditivskonto könne nicht zum Zollwert gerechnet werden, da es sich dabei um bloße Finanzierungskosten handle, die einem Importeur nicht erwachsen würden, der einen Kaufvertrag ohne Akkreditivklausel abschließe.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, trägt vor, der Streit gehe darum, ob Ware der Stoffklasse A oder B im Sinne der von der Vereinigung österreichischer Papierindustrieller festgesetzten Listenpreise eingeführt worden sei und ob dementsprechend der Preis für A- Ware oder für B-Ware als der in Frage kommende Normalpreis anzuwenden sei. Nur der handelsübliche, allgemein erzielbare Wettbewerbspreis erfülle die an den Normalpreis zu stellenden Voraussetzungen. Im Streitfall sei von einem Kartellmitglied verkauft worden, das sich generell an die Kartellabmachungen gehalten und offenbar nur vereinzelt - ohne Wissen des Kartells - zu Sonderpreisen verkauft habe.
Der Akkreditivskonto könne entgegen der Ansicht der Bfin. und des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil V z 215/55 U vom 22. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 255, Slg. Bd. 65 S. 60) nicht als zollwertmindernd anerkannt werden. Die Akkreditivgestellung stelle eine vertraglich vereinbarte zusätzliche Leistung des Käufers dar, wodurch der Zahlungseingang beim Verkäufer sichergestellt und diesem das Debitoren- oder Vertriebswagnis abgenommen werde. Nehme der Käufer dieses Risiko dem Verkäufer durch Gestellung eines Akkreditivs ab, so könne dieser ihm den Gegenwert des Risiko-Kostenanteils durch Gewährung eines Akkreditivskontos abgelten. Der dadurch entstehende Endpreis sei aber nicht mehr der Normalpreis, weil das Vertriebswagnis üblicherweise im Barzahlungspreis - einen solchen stelle der Normalpreis nach den Wertzollbestimmungen dar - enthalten sei.
Entscheidungsgründe
II. -
Für die Zollwertbemessung kommt es im Streitfalle im wesentlichen auf folgende Fragen an:
Kann für Papier, das zwar nicht nach dem Deutschen Zolltarif, möglicherweise aber nach Handelsübung als Zeitungsdruckpapier zu gelten hat, ein für Zeitungsdruckpapier entsprechender Qualität handelsüblicher Rechnungspreis als Normalpreis anerkannt werden?
Kann ein Kartellpreis oder ein von diesem abweichender, frei vereinbarter Preis als Normalpreis anerkannt werden, gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen?
Ist ein handelsüblicher Skonto, der für die Gestellung eines Dokumentenakkreditivs eingeräumt wird, zollwertmindernd zu berücksichtigen?
Zu 1. In der Korrespondenz der Bfin. mit der Lieferfirma und dem Leiter der Evidenzstelle der österreichischen Papier- und Pappenfabriken in München wird das strittige Papier wiederholt als Zeitungsdruckpapier bezeichnet. So heißt es auch noch im letzten Schreiben der Evidenzstelle vom 3. November 1955, daß es sich bei dem eingeführten Papier um satiniertes Zeitungsdruckpapier gehandelt habe. Ebenso hat die Bfin. im Anfechtungsschreiben vom 19. November 1953 von satiniertem Zeitungsdruckpapier gesprochen. Nach der Anm. 3 zu Tarifnr. 4801 des Zolltarifs 1951 muß aber Papier, um zolltariflich als Zeitungsdruckpapier gelten zu können, neben sonstigen Voraussetzungen einen Holzschliffgehalt von mindestens 70 % haben. Nach den Untersuchungsergebnissen der Zollprüfungs- und Lehranstalten Köln und München, die anzuzweifeln keine Veranlassung besteht, liegt der Holzschliffgehalt des eingeführten Papiers unter 70 %. Das strittige Papier ist daher zolltariflich zu Recht als Druckpapier der Tarifnr. 4801 - K - 1/Zollsatz 18 % des Wertes zugewiesen worden.
Nach Ansicht des erkennenden Senats schließt dies jedoch nicht aus, daß das strittige Papier nach den Begriffen von Handel und Verkehr - abweichend von den Begriffsbestimmungen des Deutschen Zolltarifs 1951 - als Zeitungsdruckpapier angesehen werden könnte. Es würde sich dann um ein Zeitungsdruckpapier besonderer Qualität handeln, für das zwar nicht die Stoffklasseneinteilung für Druckpapier im Sinne der obengenannten Zollwertnachrichten gelten würde, das preislich aber einem solchen der Stoffklasse A entspräche. Nach den in den Zollwertnachrichten angegebenen Qualitätsmerkmalen unterscheiden sich die beiden Papierarten, abgesehen von dem Fehlen einer Holzschliffgrenze bei Zeitungspapier (im Gegensatz zum Deutschen Zolltarif 1951) nur dadurch, daß bei Zeitungsdruckpapier "weiß" und bei Druckpapier "mittelfein" angegeben ist. Die Tatsache, daß in dem erwähnten Schriftwechsel zwischen der Bfin. und dem Leiter der Evidenzstelle wiederholt von Zeitungsdruckpapier die Rede ist, läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß es sich im Streitfall tatsächlich um Papier handelt, das nach den Begriffen des einschlägigen Fachhandels als Zeitungsdruckpapier angesehen wird - mag es auch einen Holzschliffgehalt unter 70 % haben und mag es auch satiniert sein -, das preislich aber einem Druckpapier der Stoffklasse A entspricht. Es ist aber auch möglich, daß die in den Zollwertnachrichten enthaltenen Begriffe "Zeitungsdruckpapier" und "Druckpapier" auf die entsprechenden Begriffe des Deutschen Zolltarifs abgestellt sind, da die dort genannten Preise, wie die Bfin. selbst ausführt, für den Export von österreich nach Deutschland gelten sollen. Außerdem fällt auf, daß weder in den beiden Rechnungen noch in den Zollwertanmeldungen von Zeitungsdruckpapier gesprochen wird, sondern nur von Druckpapier. Da der Sachverhalt insoweit nicht hinreichend geklärt ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Vornahme der Ermittlungen im Sinne der aufgezeigten Gesichtspunkte und zur erneuten Entscheidung an das Hauptzollamt zurückzuverweisen. Zur Frage, ob es sich im Streitfalle bei dem eingeführten Papier nach der Auffassung des Fachhandels um Zeitungsdruckpapier oder Druckpapier handelt, werden die Evidenzstelle und Vertreter der einschlägigen Wirtschaftskreise, gegebenenfalls auch die zuständigen Wirtschaftsverbände zu hören sein.
Ergeben die Ermittlungen, daß das eingeführte Papier im Sinne der vorstehenden Ausführungen als Zeitungsdruckpapier anzusehen ist und entspricht - was auch noch zu klären sein wird - der Rechnungspreis dem handelsüblichen Preis für solches Papier im maßgebenden Zeitpunkt, so bestehen keine Bedenken, den Rechnungspreis als Normalpreis (Zollwert) anzuerkennen, auch wenn das Papier zolltariflich nicht als Zeitungsdruckpapier, sondern als Druckpapier zu behandeln ist.
Sollten die Ermittlungen jedoch ergeben, daß das strittige Papier auch im handelsüblichen Sinne kein Zeitungsdruckpapier, sondern Druckpapier darstellt, so müßte in tatsächlicher Hinsicht noch geklärt werden, ob es entsprechend den in den Zollwertnachrichten aufgeführten Merkmalen in die Stoffklasse B oder F einzureihen ist. Warum die Untersuchungsstellen das Papier der Stoffklasse B und nicht der Stoffklasse F zugewiesen haben, obwohl sein Holzschliffgehalt unter 70 % liegt, ist aus den Akten nicht zu entnehmen.
Zu 2. Für den Fall, daß es sich bei dem streitigen Papier nicht um Zeitungsdruckpapier im Sinne der vorstehenden Ausführungen handelt, bleibt zu entscheiden, ob für das dann als Druckpapier im Sinne der Wertzollnachrichten anzusprechende Papier - wie die Bfin. meint - der Rechnungspreis "als frei vereinbarter Wettbewerbspreis" oder der der Stoffklasse des Papiers entsprechende Kartellistenpreis - wie es die Zollverwaltung für zutreffend hält - als Normalpreis = Zollwert zu gelten hat.
Wollte man die Auffassung vertreten, daß ein Normalpreis nur dann zustande kommen kann, wenn die Vertragspartner nicht nur gegenseitig unabhängig, sondern auch nicht durch einseitige Bindungen festgelegt sind (vgl. Zepf, Wertverzollung, 2. Aufl., Anm. 9 zu § 53 des Zollgesetzes - ZG -), könnte ein Kartellpreis nicht als Normalpreis anerkannt werden. Aus Art. I Ziff. 1 der Brüsseler Begriffsbestimmung des Zollwerts (abgedruckt bei Zepf, Wertverzollung, 2. Aufl. Teil I S. 31) und dem Bulletin Nr. 1 des Rats für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, Teil IV Ziff. 5, läßt sich aber nur herleiten, daß Verkäufer und Käufer gegenseitig unabhängig sein müssen (vgl. auch Nestler in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern - ZfZ - 1956 S. 33, 38, und List in "Der Betrieb" 1959 S. 717, 718). Kartellpreise können daher nach Auffassung des erkennenden Senats dann freie Wettbewerbspreise sein, wenn es sich nicht um staatlich festgesetzte Zwangskartellpreise handelt, wie auch sonst durch staatliche Maßnahmen festgelegte Preise nicht als freie Wettbewerbspreise anerkannt werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VII 102/54 U vom 29. April 1959, BStBl 1959 III S. 277, BZBl 1959 S. 418, ZfZ 1959 S. 278). Wollte man Kartellpreise - abgesehen von der vorgenannten Einschränkung - wegen der einseitigen vertraglichen Bindung auf der Verkäuferseite nicht als freie Wettbewerbspreise anerkennen, so könnten auch Listenpreise einer ausländischen Herstellerfirma, an die ein ausländischer Lieferant beim Verkauf gebunden ist, keine freien Wettbewerbspreise sein. Daß Kartellpreise im vorstehenden Sinn als solche freie Wettbewerbspreise sein können, ergibt sich auch daraus, daß Kartellpreise mit den Preisen anderer, die gleiche Ware liefernder, nicht dem Kartell angehörender Unternehmer des gleichen Landes (sogenannter Außenseiter) oder fremder Länder in Wettbewerb treten können, gegebenenfalls sogar müssen. Auch kann die Zugehörigkeit zu einem Kartell die Mitglieder nicht daran hindern, zu von den Kartellpreisen abweichenden Preisen zu verkaufen, selbst wenn das für sie nach den Kartellbestimmungen nachteilige Folgen privatrechtlicher Art haben kann. Denn die Zugehörigkeit zu einem Kartell stellt - abgesehen von Zwangskartellen - nur eine schuldrechtliche Bindung des Kartellmitglieds dar. Kann demnach ein Kartellpreis ein freier Wettbewerbspreis sein, so kann er auch als Rechnungspreis der Normalpreis sein (vgl. Avis VII des Brüsseler Zollwertausschusses - abgedruckt bei Zepf, Wertverzollung, 2. Aufl., Teil IV S. 6 -, das sich seinem Wortlaut nach mit dem Bulletin Nr. 1 Teil IV, Ziff. 11, Anlage C, VII deckt). Da die österreichische Lieferantin nach Angabe der Bfin. aus der Vereinigung der Papierindustriellen später freiwillig ausgeschieden ist, muß davon ausgegangen werden, daß diese Vereinigung kein Zwangskartell darstellte, bei welchem die Preise etwa unmittelbar oder mittelbar unter staatlicher Mitwirkung festgesetzt wurden, sondern daß die Preise im gegenseitigen Einvernehmen der Kartellmitglieder festgelegt wurden.
Voraussetzung für die Anerkennung von Kartellpreisen als Normalpreis ist jedoch, daß die Kartellpreise keine Preisunterbietungen darstellen, sondern handelsüblich sind, also der normalen Preisgestaltung entsprechen (vgl. dazu die erläuternde Anmerkung 5 zur Begriffsbestimmung des Zollwerts, abgedruckt bei Zepf, Wertverzollung, 2. Aufl., Teil I S. 32 und nunmehr § 2 Abs. 1 der Wertzollordnung - WertZO - 1957). Dem nicht jeder zwischen unabhängigen Vertragsparteien frei vereinbarte Preis ist ohne weiteres der Normalpreis. Er muß vielmehr im maßgebenden Bewertungszeitpunkt normal, d. h. handelsüblich sein (vgl. jetzt § 53 Abs. 2 ZG "Zollwert ist der normale Preis", der anerkanntermaßen gegenüber der im Streitfall anzuwendenden Bestimmung des § 6 Abs. 1 des Zolltarifgesetzes 1951 inhaltlich keine änderung des Zollwertbegriffs gebracht hat).
Ebenso kann aber auch ein von einem Kartellpreis abweichender Preis als Normalpreis anerkannt werden, sofern er nicht ein außergewöhnlicher Preis, sondern ein handelsüblich, d. h. allgemein erzielbarer freier Wettbewerbspreis ist. Das wird davon abhängen, ob zur gleichen Zeit nicht nur in vereinzelten Fällen, sondern in erheblichem Umfang Waren der gleichen Qualität von unabhängigen Käufern zu diesem vom Kartellpreis abweichenden Preis erworben werden konnten. Werden diese Voraussetzungen durch die noch anzustellenden Ermittlungen festgestellt, so stünde nichts im Wege, im Streitfall die Rechnungspreise als Normalpreise gelten zu lassen, obwohl sie von dem Kartellpreis für Druckpapier der entsprechenden Stoffklasse abweichen.
Zu 3. Der Preis für die beiden Lieferungen war laut Rechnungen vom 31. Oktober 1953 und 29. Dezember 1953 zahlbar gegen unwiderrufliches Bankakkreditiv. Für die Akkreditivgestellung wurde ein Akkreditivskonto von 1 1/2 % gewährt. Der Rechnungsbetrag war, wie die Betriebsprüfung Zoll der Oberfinanzdirektion festgestellt hat, für die Lieferung vom 4. November 1953 auszahlbar gegen Vorlage verschiedener Dokumente, u. a. des bahnamtlich abgestempelten Duplikatfrachtbriefs, für die Lieferung vom 7. Januar 1954 gegen Vorlage allein des abgestempelten Frachtbriefs. Es handelte sich demgemäß in beiden Fällen um ein sogenanntes Dokumentenakkreditiv. In dem Urteil des Bundesfinanzhofs V z 215/55 U vom 22. Mai 1957 nebst vorangegangenem Bescheid vom 5. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 255, Slg. Bd. 65 S. 60) hat der damals für Zoll- und Verbrauchsteuersachen zuständige V. Senat entschieden, daß ein handelsüblicher Skonto, der für die Gestellung eines Dokumentenakkreditivs eingeräumt wird, nicht zum Zollwert gehört. Es ist dort ausgeführt, daß dieser Skonto nicht eine Zinsvergütung für eine vorzeitige Bereitstellung des Kaufpreises, sondern vielmehr wie ein gewöhnlicher Barzahlungsskonto eine besondere Regelung der Zahlung des Warenpreises sei, mithin ein Zahlungsmodus, der mit dem Normalpreis, dem Zollwert der Ware, nichts zu tun habe. Dabei wird in der Entscheidung auf die Urteile des Bundesfinanzhofs V z 137/52 S und V z 8/53 S vom 25. März 1954 (BStBl 1954 III S. 180 und 182, BZBl 1954 S. 208 und 209, Slg. Bd. 58 S. 708 und 712) hingewiesen, nach denen ein handelsüblicher Zahlungsskonto deshalb nicht zum Zollwert gehört, weil dieser zum Ausgleich von in den Rechnungspreis einkalkulierten Kreditkosten gewährt wird, die dem Verkäufer der Ware bei sofortiger Zahlung durch den Käufer erspart bleiben. Der Skonto diene, so ist dort ausgeführt, der Rückführung eines Bruttowarenpreises auf den Nettowarenpreis; dieser sei aber der Normalpreis i. S. der wertzollrechtlichen Bestimmungen.
An den Ausführungen der beiden letztgenannten Urteile hält der erkennende Senat in vollem Umfange fest. Ein handelsüblicher Zahlungsskonto ist deshalb wertzollrechtlich zu berücksichtigen, d. h. als nicht zum Zollwert gehörig vom Rechnungsbetrag abzuziehen, weil durch seine Gewährung in der Rechnung zum Ausdruck gebracht wird, daß der darin genannte Preis ein Zielpreis = Bruttowaren- oder Bruttokassenpreis ist, der durch den Skontoabzug auf den Nettokassenpreis, also den Zug- um Zugpreis zurückgeführt wird. Der Nettokassenpreis ist aber der Normalpreis = Zollwert. Daraus ergibt sich jedoch auch zwangsläufig, daß dann, wenn eindeutig ein Nettokassenpreis vereinbart und in Rechnung gestellt ist, ein Barzahlungsskonto nicht denkbar ist und ein auf einen solchen Preis etwa gewährter Skonto einen anderen Sinn haben muß. Daher glaubt der erkennende Senat, den Gründen des obengenannten Urteils V z 215/55 U vom 22. Mai 1957 nicht folgen zu können und hält nicht mehr an der dort ausgesprochenen Rechtsauffassung fest.
Im Falle dieses Urteils war hinsichtlich der Zahlung vereinbart: "Netto Kasse gegen Dokumente." Es handelte sich also eindeutig um einen in Rechnung gestellten Barzahlungspreis, der nicht wie ein Zielpreis erst durch Abzug eines Barzahlungsskontos zum Nettokassenpreis werden konnte. Die Schlußfolgerung in dem Urteil, daß der Akkreditivskonto wertzollrechtlich wie ein gewöhnlicher Barzahlungsskonto zu behandeln sei, läßt sich daher nach Ansicht des erkennenden Senats nicht halten. Gerade der Tatbestand dieses Urteils gibt Veranlassung zu der Feststellung, daß der Akkreditivskonto eine andere Bedeutung als die eines Barzahlungsskontos hat.
Zufolge der Gestellung des Dokumentenakkreditivs wird der für die Lieferung der Ware bereitgestellte Geldbetrag gegen Vorlage verschiedener Dokumente, insbesondere der Versandpapiere, auszahlbar. Das bedeutet, daß ein auf dieser Basis vereinbarter Preis kein Zielpreis ist, der erst einige Zeit nach Lieferung der Ware gezahlt werden kann, mit der Folge, daß dem Käufer bei vorzeitiger Zahlung ein Zahlungsskonto gewährt wird, sondern ein Barzahlungspreis, da Lieferung der Ware und Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug erfolgen. Mit dem Erhalt der Versandpapiere wird der Käufer in die Lage versetzt, über die auf dem Transport befindliche Ware zu verfügen, während umgekehrt der Lieferant bei der Vorlage der Versandpapiere und der sonst geforderten Papiere den Kaufpreis sofort ausgezahlt erhält.
Da bei einem Geschäft, bei dem ein Dokumentenakkreditiv gestellt wird, sonach kein Zielpreis, sondern ein Barzahlungspreis vereinbart ist, kann ein Skontoabzug vom Rechnungspreis für die Akkreditivgestellung nicht die Bedeutung der Rückführung eines Zielpreises auf den Nettokassenpreis haben und kann daher auch nicht zollwertmindernd berücksichtigt werden. Denn der Rechnungspreis ist in solchen Fällen kein Bruttokassenpreis, sondern ein Nettokassenpreis, bei dem Barzahlungsskonti begrifflich nicht mehr in Betracht kommen könne (vgl. dazu Seyffert, Wirtschaftslehre des Handels 1955, S. 438 ff.). Der für die Gestellung des Dokumentenakkreditivs gewährte Skonto kann also nicht mit einem Barzahlungsskonto verglichen werden, sondern stellt einen Abzug vom Nettokassenpreis dar für die vom Verkäufer verlangte Sicherstellung der Kaufpreiszahlung. Er bedeutet in Wirklichkeit die Abgeltung einer zusätzlichen Leistung des Käufers, durch die dem Lieferanten das Debitoren- und Vertriebswagnis abgenommen wird, das handelsüblich im Kaufpreis einer Ware eingeschlossen ist. Da der Normalpreis nach den Wertzollbestimmungen einen Barzahlungspreis darstellt, können von diesem aber nicht Beträge abgezogen werden, die handelsüblich in ihm enthalten sind.
Wenn die Bfin. meint, daß der Akkreditivskonto in den Bereich der Finanzierungskosten gehöre und aus diesem Grund wertzollrechtlich den Wert der Ware nicht beeinflussen könne, so ist dem zuzustimmen. Aber die von der Bfin. daraus gezogene Folgerung, der Akkreditivskonto sei daher vom Rechnungspreis abzusetzen, ist irrig. Gerade weil es sich beim Akkreditivskonto um eine Beteiligung des Verkäufers an den Kosten einer von ihm verlangten besonderen Art der Finanzierung des Kaufgeschäfts und der Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer handelt, kann der dafür gewährte Skonto wertzollrechtlich eben nicht berücksichtigt werden, d. h. er kann nicht von dem den Nettokassenpreis = Zollwert darstellenden Rechnungspreis abgesetzt werden, sondern stellt eine den Nettokassenpreis nicht beeinflussende Vergütung für eine zusätzliche Leistung des Käufers dar, die mit dem Zollwert nicht zu tun hat.
Fundstellen
Haufe-Index 409577 |
BStBl III 1960, 150 |
BFHE 1960, 402 |
BFHE 70, 402 |