Leitsatz (amtlich)
Grundstücke im Eigentum des Bundes, die zum Bau von Bundesautobahnen bestimmt sind, erfüllen die Voraussetzung für die Grundsteuerbefreiung, sobald sie den ausführenden Bauunternehmen zur Durchführung der Bauarbeiten überlassen worden sind.
Normenkette
GrStG § 4 Nr. 1 Buchst. c
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte hat zum Bau der Autobahn "Hansalinie" im Juni 1963 eine Grundstücksfläche erworben. Die Umschreibung im Grundbuch erfolgte im Dezember 1963. Die erworbenen Grundstücke wurden jedoch schon ab 1. April 1963 tatsächlich für den Bau der Autobahn in Anspruch genommen.
Das FA - Revisionskläger - bewertete den erworbenen Grundbesitz als unbebautes Grundstück und stellte durch Nachfeststellung vom 17. Juli 1964 zum 1. Januar 1964 einen Einheitswert fest, den es der Revisionsbeklagten zurechnete; gleichzeitig setzte es einen Grundsteuermeßbetrag unter Anwendung einer Steuermeßzahl 5 v. T. fest.
Die Revisionsbeklagte wandte sich mit der Sprungberufung dagegen, daß diese Grundstücksfläche zur Grundsteuer herangezogen wurde. Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermeßbescheid ersatzlos auf. Es gründete seine Entscheidung im wesentlichen auf das nichtveröffentlichte Urteil des RFH III 28/44 vom 16. November 1944. In diesem Urteil hatte der RFH ausgeführt, als "Betriebszweck" im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG dürfe nicht nur die Benutzung eines Grundstücks als Fahrbahn der Autobahn angesehen werden, sondern auch der Bau von Autobahnen. Das FG ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit die Rechtsbeschwerde zu.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt das FA unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Das FG habe § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG zugunsten der Revisionsbeklagten zu weit ausgelegt. Als "Betriebs- oder Verwaltungszwecke" im Sinne des § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG könnten nicht alle mit der Gründung des Unternehmens "Autobahnen" verfolgten Ziele und Zwecke angesehen werden. Der Ausdruck "betreiben und verwalten" erfordere schon dem Sprachgebrauch nach ein Objekt, das von dem Unternehmen betrieben und verwaltet werde. Betriebs- und Verwaltungsobjekte könnten in diesem Zusammenhang aber nur betriebliche Anlagen sein. Das Errichten und Herstellen solcher Anlagen sei nicht gleichzusetzen mit dem Betreiben und Verwalten dieser Anlagen. § 6 GrStG stelle ausdrücklich fest, daß nur die unmittelbare Benutzung und nicht auch das Herrichten des Steuergegenstandes für den begünstigten Zweck die Voraussetzung der Steuerbefreiung erfülle. Das vom FG angeführte RFH-Urteil begründe seine Auffassung aber allein aus den §§ 6 Nr. 2 und 5 Abs. 2 Nr. 2 GrStDV; dabei schränke es den Wortlaut der Durchführungsverordnung insofern unzulässig ein, als es davon ausgehe, daß "lediglich" das Vorratsgelände steuerpflichtig sei.
Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Er hat nach Anhörung des Bundesministers für Verkehr im wesentlichen folgende Stellungnahme abgegeben: Die Aufgabe des Unternehmens Reichsautobahnen einschließlich der diesem Unternehmen zustehenden Rechte sei auf den Bund übergegangen. Es gehörte zur Hauptaufgabe des Unternehmens Reichsautobahnen und bildete zunächst sogar die einzige Aufgabe, Autobahnen zu bauen. Weite Strecken des Autobahnnetzes seien auch heute noch nicht fertiggestellt. Unter diesen Umständen sei kein Grund ersichtlich, § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG enger auszulegen, als es der RFH und ihm folgend die Vorentscheidung getan habe. § 24 Satz 2 GrStDV stehe dem nicht entgegen. Denn erkenne man den Bau der Autobahnen als Betriebszweck und mithin als steuerbegünstigten Zweck an, so sei eine tatsächliche Benutzung zu diesem Zweck mit dem Bau gegeben. Zum Zeitpunkt, von dem ab die Steuerbefreiung eintreten solle, meinte der BdF in Übereinstimmung mit dem Bundesminister für Verkehr, daß der Tag der Übergabe des Geländes an die Bauunternehmen, die den Bau tatsächlich durchführen, entscheidend sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Durch § 1 des Gesetzes vom 27. Juni 1933 (RGBl II 1933, 509) wurde die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft ermächtigt, zum Bau und Betrieb eines leistungsfähigen Netzes von Kraftfahrbahnen ein Zweigunternehmen unter dem Namen "Reichsautobahnen" als juristische Person des öffentlichen Rechts zu errichten. Das Unternehmen Reichsautobahnen hatte das ausschließliche Recht zum Bau und Betrieb von Kraftfahrbahnen (§ 3a. a. O.). Nach § 10 der Verordnung vom 7. August 1933 (RGBl II 1933, 521) war das Unternehmen "Reichsautobahnen" von jeder direkten Steuer des Reichs, der Länder, der Gemeinden und anderer öffentlicher Körperschaften befreit. Durch § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG vom 1. Dezember 1936 (RGBl I 1936, 986) wurde dementsprechend der Grundbesitz des Unternehmens "Reichsautobahnen" von der Grundsteuer befreit, der von ihm für seine Betriebs- und Verwaltungszwecke genutzt wurde.
Auf Grund des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs vom 2. März 1951 (BGBl I 1951, 157) gingen die Reichsautobahnen und die dem Unternehmen "Reichsautobahnen" zustehenden Vermögensrechte in das Eigentum des Bundes über. Die bisherigen Reichsautobahnen wurden nunmehr Bundesautobahnen (§ 24 Abs. 4 des Bundesfernstraßengesetzes vom 6. August 1953, BGBl I 1953, 903). Wo in anderen Gesetzen für das Unternehmen "Reichsautobahnen" besondere Rechte und Pflichten begründet wurden, trat an die Stelle des Unternehmens "Reichsautobahnen" der Bund (§ 24 Abs. 10 a. a. O.). Das GrStG i. d. F. vom 10. August 1951 (BGBl I 1951, 519) hat schon vorher aus der veränderten vermögensrechtlichen Situation der ehemaligen Reichsautobahnen die Folgerungen gezogen und den Grundbesitz des "Unternehmens" Bundesautobahnen von der Grundsteuer befreit, der von ihm für seine Betriebs- oder Verwaltungszwecke benutzt wird. Da es ein "Unternehmen" Bundesautobahnen als selbständige Rechtspersönlichkeit nicht mehr gibt, ist § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG 1951 dahingehend zu verstehen, daß der Bund mit dem Grundbesitz von der Grundsteuer befreit ist, der von ihm für Betriebs- oder Verwaltungszwecke der Bundesautobahnen benutzt wird. Am Umfang der Steuerbefreiung hat sich dadurch gegenüber der Rechtslage nach dem GrStG 1936 nichts geändert. Dies bedeutet, daß der Inhalt des Begriffs "Betriebs- oder Verwaltungszwecke" nach wie vor der gleiche geblieben ist, auch wenn es heute ein selbständiges "Unternehmen Bundesautobahnen" nicht mehr gibt. Der so verstandene Betriebs- oder Verwaltungszweck umfaßt aber nicht nur den Betrieb als solchen, sondern auch den Bau der Autobahnen. Der Senat ist deshalb in Übereinstimmung mit dem RFH und der Vorentscheidung der Auffassung, daß Grundbesitz des Bundes, der von ihm unmittelbar zum Bau von Autobahnen oder als Straßengrund von Autobahnen benutzt wird, nach § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG von der Grundsteuer freigestellt werden muß.
Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu § 6 Abs. 1 GrStG und § 24 GrStDV. Nach § 6 GrStG ist Voraussetzung für die Befreiung, daß der Steuergegenstand, hier eine räumlich abgrenzbare Grundstücksfläche, unmittelbar für den steuerbegünstigten Zweck benutzt wird. § 24 GrStDV erläutert diese Vorschrift dahin, daß ein Steuergegenstand von dem Zeitpunkt an für steuerbegünstigte Zwecke benutzt wird, in dem er dem begünstigten Zweck tatsächlich zugeführt worden ist. Der steuerbegünstigte Zweck im Zusammenhang mit den Bundesautobahnen ist, wie oben ausgeführt, nicht nur der Betrieb, sondern auch der Bau von Autobahnen. Demzufolge wird eine Grundstücksfläche unmittelbar für steuerbegünstigte Zwecke im Sinn des § 4 Nr. 1 Buchst. c GrStG benutzt, wenn sie dem Bau der Autobahn tatsächlich zugeführt worden ist. Der Senat stimmt mit dem BdF und dem Bundesminister für Verkehr darin überein, daß dieser Zeitpunkt in der Regel mit der Überlassung der Grundstücksflächen, auf denen die Autobahn errichtet werden wird, durch die Autobahnverwaltung an die zur Durchführung der Bauarbeiten bestimmten Bauunternehmen zusammenfällt.
Fundstellen
Haufe-Index 68499 |
BStBl II 1969, 346 |
BFHE 1969, 190 |