Leitsatz (amtlich)
Die schuldrechtliche Verpflichtung, ein auf fremdem Grund und Boden errichtetes Gebäude nach Ablauf des Nutzungsvertrags über den Grund und Boden dem Grundeigentümer entschädigungslos zu überlassen, kann bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens (Gebäude auf fremdem Grund und Boden) nicht als Wertminderung anerkannt werden.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 10 Abs. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 50 Abs. 3; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 52 Abs. 1; BewDV i.d.F. vor BewG 1965 § 33 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete auf einem unbebauten Grundstück, das ihr bei der Besteuerung nicht zugerechnet wurde, in den Jahren 1958 bis 1963 verschiedene Gebäude. Zwischen den Grundstückseigentümern und der Klägerin wurde am 15. September 1958 ein Bau- und Nutzungsvertrag geschlossen, in dem eine Nutzungszeit von 12 Jahren vereinbart wurde. Nach Ablauf dieser Zeit sollten die Gebäude entschädigungslos auf die Grundstückseigentümer übergehen. Gelegentlich einer Betriebsprüfung, die bei der Klägerin durchgeführt wurde, einigten sich die Klägerin und die Finanzverwaltung dahin, daß für die Gebäude eine Nutzungsdauer von 20 Jahren angenommen werde.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) betrachtete die Klägerin als wirtschaftliche Eigentümerin der von ihr errichteten Gebäude und stellte zum 1. Januar 1960, zum 1. Januar 1963 und zum 1. Januar 1964 Einheitswerte für Gebäude auf fremdem Grund und Boden fest. Die Klägerin beanstandete, bei diesen Wertfeststellungen sei der Umstand nicht berücksichtigt worden, daß die Gebäude nach Ablauf der Nutzungsdauer von 20 Jahren entschädigungslos an die Grundstückseigentümer fielen.
Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin rügt, das FG behandle Heimfallverpflichtungen bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden anders als bei Erbbaurechten, ohne daß hierfür ein überzeugender Grund gegeben sei. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die festgestellten Einheitswerte entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude bilden eine selbständige wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens, weil die Klägerin nach den unangefochtenen Feststellungen des FG und dessen zutreffender rechtlicher Würdigung an den maßgebenden Feststellungszeitpunkten wirtschaftliche Eigentümerin dieser Gebäude war (§ 50 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung - im folgenden: BewG -). Da diese Gebäude unmittelbar eigenen gewerblichen Zwecken der Klägerin dienten, war die wirtschaftliche Einheit zu Recht in die Grundstückshauptgruppe der Geschäftsgrundstücke eingeordnet worden (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 2 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz in der vor der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung - im folgenden: BewDV -). Geschäftsgrundstücke sind mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§ 33 Abs. 2 Satz 1 BewDV). Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Gebäude bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 10 Abs. 2 BewG).
2. Unter der Beschaffenheit eines Wirtschaftsguts i. S. des § 10 BewG sind nur solche tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen, die dem zu bewertenden Wirtschaftsgut arteigen sind. Die schuldrechtliche Verpflichtung des wirtschaftlichen Eigentümers von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, diese Gebäude nach Ablauf des Miet- oder Pachtvertrages über den fremden Grund und Boden unentgeltlich an den Grundstückseigentümer zu überlassen, betrifft nicht die Beschaffenheit der Gebäude. Denn diese Verpflichtung begründet weder ein Recht eines Dritten an diesen Gebäuden noch wirkt sie sich auf die mutmaßliche Lebensdauer der Gebäude aus. Das FG hat deshalb zu Recht und in zutreffender Anwendung des Urteils des RFH vom 30. März 1944 III 11/43 (RStBl 1944, 507), dem der Senat insoweit im Ergebnis zustimmt, eine Ermäßigung des Grundstückswerts wegen der schuldrechtlichen Heimfallverpflichtung des gegenwärtigen Grundstückseigentümers abgelehnt (vgl. auch Entscheidung des BFH vom 9. Oktober 1964 III 14/62 U, BFHE 80, 454, BStBl III 1964, 638). Eine Entscheidung darüber, ob und ggf, in welcher Höhe die Heimfallverpflichtung der Klägerin bei der Einheitsbewertung ihres Betriebsvermögens als Schuld abzuziehen ist, kann der Senat im Verfahren über die Einheitsbewertung des Grundvermögens nicht treffen.
3. Die Klägerin kann eine Ermäßigung des Einheitswerts auch nicht unter Berufung auf die Regelung verlangen, die für Erbbaurechte besteht. Nach § 46 Abs. 3 Satz 4 BewDV kann dem Eigentümer eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks ein Anteil am Wert der zu dem Erbbaurecht gehörenden Gebäude zugerechnet werden, wenn der Erbbauberechtigte verpflichtet ist, das Gebäude nach Ablauf des Erbbaurechts entschädigungslos auf den Grundstückseigentümer zu übertragen. Auch in diesem Fall wird aber der Wert des bewertungsrechtlich als Grundstück zu behandelnden Erbbaurechts (vgl. § 50 Abs. 2 BewG) wegen der Heimfallbelastung nicht ermäßigt, sondern er wird lediglich zum Teil dem Heimfallverpflichteten (= Erbbauberechtigten) und zum Teil dem Heimfallberechtigten (= Grundstückseigentümer) zugerechnet. Diese besondere Zurechnung, die eine Ausnahme von den allgemeinen Zurechnungsvorschriften darstellt, ist nur aufgrund der Sondervorschrift des § 46 Abs. 3 BewDV möglich. Für das Gebäude auf fremdem Grund und Boden besteht eine derartige Sondervorschrift nicht. Eine entsprechende Anwendung der für das Erbbaurecht getroffenen Regelung auf das Gebäude auf fremdem Grund und Boden verbietet aber der Sondercharakter dieser Regelung, wobei auch von Bedeutung ist, daß die erbbaurechtliche Heimfallverpflichtung dinglicher Natur ist (§ 2 der Erbbaurechtsverordnung).
Fundstellen
Haufe-Index 71318 |
BStBl II 1975, 377 |
BFHE 1975, 138 |