Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bemessung des Teilwerts von Darlehnsforderungen einer Brauerei an Gaststätten sind die damit verbundenen Vorteile in Form von Bierbezugsverpflichtungen der Darlehnsschuldner (Gaststätte) zu berücksichtigen.
2. Bierbezugsverpflichtungen von Gaststätten zugunsten einer Brauerei sind wie Konkurrenzverbote selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 6/1/2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.), die eine Brauerei betreibt, hat verschiedenen Gastwirten langfristige Darlehen (Laufzeit etwa 10 Jahre) zum Umbau und zur Renovierung ihrer Gaststätten gewährt. Die Darlehen sind teils unverzinslich, teils verzinslich (3,5 bis 8 v. H.), teils sind sie auch dinglich gesichert. Dafür haben sich die Darlehnsempfänger verpflichtet, in ihrer Gaststätte nur Bier der Stpfl. auszuschenken.
Die Stpfl. hatte in den Handels- und Steuerbilanzen bis 30. September 1955 diese Darlehnsforderungen mit dem Nennwert angesetzt. In der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz zum 30. September 1956 hat sie die Forderungen erstmals um einen Abzinsungsbetrag gekürzt, den sie unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 7 v. H. und der ungefähren Restlaufzeiten der Darlehen errechnet hat.
Die abgerundeten Abzinsungsbeträge betragen bei Hypotheken und Grundschulden - - - - - - - 20 000 DM bei Darlehen 22.000 DM zusammen 42.000 DMSie wurden teils an den Forderungen unmittelbar gekürzt, teils als Wertberichtigung ausgewiesen.
Das Finanzamt hat bei der Veranlagung 1955 die Abzinsung nicht anerkannt, weil die Wertminderung der Forderungen - hervorgerufen durch Unverzinslichkeit oder nur geringe Verzinsung - durch den Wert der Bierbezugsklausel ausgeglichen sei. Es liege bei den Darlehnsverträgen wirtschaftlich und auch rechtlich nur ein einheitlicher Vorgang vor, der auch einheitlich beurteilt werden müsse.
In der Berufung machte die Stpfl. geltend, es bestehe zwar zwischen Zinsopfer und Bierlieferungsvertrag ein wirtschaftlicher Zusammenhang. Trotzdem dürfe die Abzinsung nicht versagt werden. Wäre kein Bierlieferungsvertrag geschlossen worden, so könnte gegen die Abzinsung nichts eingewendet werden. Die Bilanzierung der unverzinslichen Forderungen mit ihrem Nennwert laufe darauf hinaus, daß jeweils der Bierlieferungsvertrag mit dem Betrag aktiviert werde, der dem Abzinsungsbetrag der wirtschaftlich zugehörigen Forderung entspreche. Aktivierter Bierlieferungsvertrag und Abzinsungsbetrag würden dabei miteinander saldiert, so daß das Ergebnis nicht beeinflußt werde. Die im Bierlieferungsvertrag verankerte Kundenbeziehung sei aber nicht aktivierungsfähig. Es handle sich vielmehr um einen selbst geschaffenen Geschäftswert. Bierlieferungsverträge seien auch kein Gegenstand des Handelsverkehrs, denn zwischen Brauereien würden keine Bierlieferungsverträge gehandelt.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt, wobei es der Auffassung der Stpfl. folgte. Hierbei hielt es einen normalen Abzinsungssatz von 7 v. H. für gerechtfertigt. Das Finanzgericht nahm auch an der Tatsache keinen Anstoß, daß die Stpfl. in den Vorjahren keine Abschläge wegen der niedrigen Verzinslichkeit oder der Unverzinslichkeit der Forderung gemacht hatte. Die Stpfl. habe ihre Bilanzierungsmethode geändert. Dazu sei sie berechtigt gewesen. Bei der Verpflichtung in Form des Zinsverlustes handle es sich um einen Aufwand, der etwa dem normalen Aufwand für Kundenwerbung oder Reklame entspreche. Zwar mache der Kaufmann derartige Aufwendungen nur, weil er sich davon geschäftliche Vorteile erwarte. Aber nicht alle Vorteile, die so geschaffen würden, seien selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter. Der Wert des langfristigen Bierlieferungsvertrages stelle kein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut dar, da sich Leistung und Gegenleistung vertraglich laufend ausgleichen würden (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 185/57 U vom 14. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 75, Slg. Bd. 66 S. 190). Es handle sich bei dem Zinsverzicht um Aufwendungen für den Kundenstamm, also um Aufwendungen für einen selbst geschaffenen Geschäftswert. Ein solcher Wert dürfe aber nicht aktiviert werden. Der in dem Zinsverzicht liegende Zuschuß könne auch nicht als künftiger Aufwand auf die Jahre verteilt werden, die er betreffe. Denn betriebliche Aufwendungen, die nicht selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter schafften, müßten dem Jahre der Verausgabung als Betriebsausgaben zugerechnet werden (siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 27/57 U vom 15. April 1958, BStBl 1958 III S. 260, Slg. Bd. 66 S. 677).
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts vertritt den vom Finanzamt im Veranlagungsverfahren eingenommenen Standpunkt. Sie ist insbesondere der Ansicht, daß bei Bewertung der Forderungen die Verpflichtungen der Gastwirte mitberücksichtigt werden müßten. Die Bierbezugsverpflichtung sei der Ausgleich für die niederen Zinsen bzw. für die Zinslosigkeit.
Die Stpfl. macht mit Rechtsbeschwerdeverfahren hierzu unter anderem folgendes geltend:
Es müsse beachtet werden, daß es sich bei den sogenannten Bierlieferungsverträgen nur um negative, nicht um positive Bierbezugsklauseln handle. Der Darlehnsnehmer sei während der Darlehnslaufzeit lediglich verpflichtet, kein Bier von anderen Brauereien zu beziehen. Die Brauerei habe es aber nicht in der Hand, ob der betreffende Gastwirt während der Vertragsdauer viel oder wenig Bier umsetze und von der Brauerei beziehe. Da aber die abzunehmende Biermenge völlig unbestimmt und ungewiß sei, sei es von vornherein ausgeschlossen, den Zinsverlust in den Bierpreis einzukalkulieren. Eine Gaststätte, die ein unverzinsliches (bzw. unterverzinsliches) Darlehen der Brauerei erhalten habe, müsse zwar zu dem normalen "Ganterpreis" noch einen "Hektoliteraufschlag" von beispielsweise 3 DM bezahlen, während andere Gastwirte, die kein solches Darlehen aufgenommen hätten, nur den Ganterpreis bezahlten. Dieser Hektoliteraufschlag werde aber in voller Höhe zur Tilgung des Darlehens verwendet und enthalte keinerlei Zinsanteil. Der Zinsverlust werde somit nicht im Bierpreis vergütet. Die negative Bierbezugsklausel sei kein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut, weil der durch solche Klauseln gebundene Kundenstamm den selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert darstelle, der nach den zwingenden aktienrechtlichen Vorschriften des § 133 Ziff. 5 des Aktiengesetzes (AktG) nicht aktiviert werden dürfe.
Die Argumentierung des Finanzamts wäre richtig, wenn jeweils "Verträge" (als Ganzes betrachtet) als Wirtschaftsgüter behandelt und bilanziert würden. Würde nämlich der gesamte Vertragsinhalt als Ganzes in einem entsprechenden Wirtschaftsgut zusammengefaßt und als solcher bilanziert werden, so könnte freilich von irgendwelchen Vertragsabreden (hier negative Bierbezugsklausel) nicht abgesehen werden. Nun sei aber als "Wirtschaftsgut" nicht der "Gesamtinhalt des Vertrages" zu betrachten. Wirtschaftsgüter seien bestimmte Rechte und Pflichten, die zwar im Gesamtinhalt des Vertrages wurzelten und begründet seien, aber sich mit diesem nicht absolut und vollständig deckten. Das zu bilanzierende Wirtschaftsgut sei nicht einfach die "kategoriale Synthese" (begriffliche Zusammenfassung) und ziffernmäßige Bewertung des gesamten Vertragsinhalts, sondern nur Ausdruck und Darstellung bestimmter Rechte und Verbindlichkeiten, die sich aus dem Vertragsinhalt ergeben würden und als solche ziffernmäßig für sich zu bewerten seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Die Auffassung des Vorstehers des Finanzamts ist zutreffend, daß bei Bewertung der Forderungen die gesamten Verpflichtungen der Darlehnsschuldner gewürdigt werden müssen. Eine Wertabschreibung ist nur dann zulässig, wenn der Wert der Forderung mit allen ihren Vorteilen unter dem Teilwert liegt. Es muß deshalb berücksichtigt werden, daß die Wirte Verpflichtungen gegenüber der Stpfl. hinsichtlich des Bierbezuges übernommen haben. Sie sind gebunden, ihr Bier ausschließlich von der Stpfl. zu beziehen. (Zur zivilrechtlichen Gültigkeit von Bierlieferungsverträgen und deren wirtschaftlicher Bedeutung vergleiche insbesondere die Urteile des Bundesgerichtshofs I ZR 24/51 vom 23. November 1951 - Lindenmaier- Möhring (2) Art. V Militärregierungsverordnung (britische Zone) 78 -, Bundesgerichtshof I ZR 79/52 vom 15. November 1953 - Lindenmaier- Möhring (16) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb § 1 -, Bundesgerichtshof I ZR 2/55 vom 16. Oktober 1956 - Brauwelt 1957 S. 1 - sowie die Ausführungen von Dr. Luedtke, Präsident des Deutschen Brauerbundes in Brauwelt 1954 S. 815). Der Grund, warum in den einzelnen Fällen verschieden vorgegangen worden ist (verschiedenartige Zinssätze, Unverzinslichkeit) wird in den Besonderheiten der einzelnen Verträge liegen. Es ist denkbar, daß die Bedingungen günstiger sind, wenn das Darlehen verhältnismäßig niedrig und die voraussichtliche Bierabnahme hoch ist. Im allgemeinen muß davon ausgegangen werden, daß der Kaufmann bei diesen Verträgen die Vorteile sorgfältig abwägt und im Ergebnis der Vertrag ausgeglichen ist. Die Forderungen müssen deshalb jeweils trotz ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung für die Stpfl. vollwertig sein. Die Tatsache, daß die Gastwirte mit Verpflichtungen gegenüber der Stpfl. den gleichen Bierpreis bezahlen wie die Gastwirte, denen keine Darlehen gewährt worden sind, spricht nicht gegen diese Würdigung. Die Gastwirte ohne Darlehen sind keine Verpflichtung hinsichtlich des Bierbezuges eingegangen. Die Stpfl. erkennt selbst an, daß es für die Brauerei sehr wertvoll ist, daß sie zuverlässige und sichere Abnehmer auf Grund der Verträge für die Zukunft gewonnen hat. In ihrem Rechtsbeschwerdeschriftsatz kommt selbst zum Ausdruck, daß im Ergebnis die Verträge ausgeglichen sind. Sie will lediglich bei Bemessung des Teilwertes der Forderungen die mit den Forderungen verbundenen Vorteile nicht im Rahmen der Bewertung der Forderungen behandeln. Dieser Auffassung kann aber nicht gefolgt werden. Der schwebende Vertrag muß bilanzmäßig voll erfaßt werden. Es darf durch seine Auflösung in einzelne Wirtschaftsgüter kein fehlerhaftes wirtschaftliches Ergebnis errechnet werden (siehe Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 326/56 U vom 4. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 110, Slg. Bd. 66 S. 285, I 290/56 U vom 13. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 331, Slg. Bd. 67 S. 154, und IV 222/56 U vom 22. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 333, Slg. Bd. 67 S. 160; siehe auch hinsichtlich der Einheitsbewertung die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs III A 398/31 vom 4. Februar 1932, RStBl 1932 S. 387, Mrozek-Kartei, Reichsbewertungsgesetz 1931 § 55 Abs. 1 Rechtsspruch 1, und III 33/38 vom 23. Juni 1938, RStBl 1938 S. 747, Mrozek-Kartei, Durchführungsbestimmungen 1935 zum Reichsbewertungsgesetz § 33 Abs. 2 Rechtsspruch 2).
Im übrigen kann auch der Ansicht nicht beigetreten werden, daß die Verpflichtung zum Bierbezug durch die Schuldner der Darlehen kein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut darstelle. Für derartige Vereinbarungen müssen die Grundsätze gelten, wie sie die Rechtsprechung für Konkurrenzverbote ausgesprochen hat (siehe dazu die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 976/33 vom 31. Oktober 1934, RStBl 1935 S. 745, VI A 24/35 vom 6. Mai 1936, RStBl 1936 S. 848, und I 65/43 vom 12. Oktober 1943, RStBl 1943 S. 813, Slg. Bd. 54 S. 566). Die Verpflichtung zum Bezug des Bieres gründet sich auf Einzelverträge mit bestimmten Kunden. Sie ist deshalb nicht dem Geschäftswert (goodwill), der den Wert der Kundschaft allgemein erfaßt, zuzurechnen. Der Aktivposten fällt nach Beendigung der Vereinbarung über den Bierbezug weg. Die Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes bestehen in der Verpflichtung zur Hingabe niedrig verzinslicher oder unverzinslicher Darlehen. Diese Art der Bilanzierung führt im wesentlichen zu dem gleichen Ergebnis wie die Erfassung des Rechtes im Rahmen der Bewertung der Forderungen, mit denen es unmittelbar zusammenhängt.
Die Vorentscheidung muß aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 409337 |
BStBl III 1959, 320 |
BFHE 1960, 153 |
BFHE 69, 153 |
BB 1959, 808 |
DB 1959, 814 |