Leitsatz (amtlich)
"Arbeitsverträge" über gelegentliche Hilfeleistungen durch Angehörige können steuerlich nicht anerkannt werden, weil sie zwischen Dritten nicht vereinbart worden wären.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute; sie werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der klagende Ehemann (Kläger) ist als Kinderarzt freiberuflich in A tätig. Er hat mit seiner Tochter und seinem Sohn in den Jahren 1979 bzw. 1980 Arbeitsverträge geschlossen. Die 1960 geborene Tochter besuchte die Universität B und hatte eine eigene Wohnung; der 1962 geborene Sohn besuchte die Schule und wohnte im Haushalt der Eltern. In den Arbeitsverträgen war vorgesehen, daß die Kinder in der Praxis für Botendienste, Telefondienste und Mithilfe bei der Abrechnung beschäftigt würden. Die Arbeitszeit sollte sich nach den betrieblichen Erfordernissen richten. Den Kindern war ein festes Monatsgehalt von 390 DM bzw. 400 DM zugesagt. Nach einer Betriebsprüfung ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Zahlungen an die Kinder nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zu; die Einkommensteuerbescheide 1979 bis 1981 wurden entsprechend geändert.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hörte die Kinder als Zeugen und nahm dann an, daß die Arbeitsverhältnisse --wenn auch nicht im vorgesehenen Umfang-- tatsächlich vollzogen worden seien.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Entscheidung des FG steht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Nach dieser Rechtsprechung können Vertragsverhältnisse zwischen Kindern und ihren Eltern der Besteuerung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn sie rechtswirksam vereinbart wurden, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und auch tatsächlich durchgeführt worden sind (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 13.November 1986 IV R 322/84, BFHE 148, 168, BStBl II 1987, 121, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.
Es entspricht der Lebenswirklichkeit, daß die Angehörigen einer Familie am Beruf oder der Ausbildung des anderen Anteil nehmen und ihm bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Seite stehen; diese dem Wesen der Familie entsprechenden und von den jeweiligen Bedürfnissen abhängigen Hilfeleistungen lassen sich nicht in einem Netz von schuldrechtlichen Verträgen regeln. Für Kinder, die dem elterlichen Hausstand angehören und von den Eltern erzogen oder unterhalten werden, ist in § 1619 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorgesehen, daß sie in einer ihren Kräften und ihrer Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten haben. Diese Verpflichtung traf auch die Tochter der Kläger, selbst wenn sie auswärts untergebracht war, aber im elterlichen Hausstand ihren Lebensmittelpunkt hatte. Gleichwohl können Kinder in ein Arbeitsverhältnis zur ihren Eltern treten. Alsdann muß das Arbeitsverhältnis aber so gestaltet und abgewickelt werden, wie dies sonst zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer üblich ist. Hilfeleistungen, die üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werden, eignen sich nicht als Inhalt eines mit einem Dritten zu begründenden Arbeitsverhältnisses; hierüber geschlossene Verträge können deshalb steuerlich keine Anerkennung beanspruchen (vgl. BFH-Urteil vom 27.Oktober 1978 VI R 166,173,174/76, BFHE 126, 285, BStBl II 1979, 80).
So liegen die Verhältnisse im Streitfall. Nach den Feststellungen des FG waren der Kläger und seine Ehefrau an zwei Abenden in der Woche abwesend; während dieser Zeit habe jeweils eines der Kinder drei bis fünf Telefonanrufe entgegengenommen. Solche Telefonanrufe werden in einem Arzthaushalt üblicherweise von den Angehörigen beantwortet, sofern der Arzt abwesend ist; ihr Inhalt kann nur darin bestehen, daß auf die Rückkunft des Arztes oder einen anderen diensthabenden Arzt verwiesen wird. Als Inhalt eines Arbeitsverhältnisses eignen sich diese Bemühungen nicht, weil sie nur geringe Zeit in Anspruch nehmen und die Arbeitszeit nicht ausfüllen würden. So ist nicht denkbar, daß ein fremder Arbeitnehmer nur zu dem Zweck beschäftigt würde, im Laufe eines Abends drei bis fünf Telefonanrufe entgegenzunehmen. Auch die vom FG festgestellte Mithilfe der Kinder bei den Wochenendbereitschaften spricht nicht für ein Arbeitsverhältnis, das den erwähnten Anforderungen genügt. Daß die Kinder bei der Behandlung der Patienten mitgeholfen und damit die Rolle einer Arzthelferin übernommen haben könnten, obwohl ihnen jegliche Ausbildung fehlte, widerspricht zudem jeder Lebenserfahrung; der Kläger wäre damit seinen ärztlichen Pflichten nicht gerecht geworden. Das gilt schließlich auch für die Fahrten, die der Sohn als Fahrer des Klägers bei dessen Patientenbesuchen gemacht hat. Zu Recht weist das FG darauf hin, daß Ärzte für die Durchführung von Hausbesuchen keinen Fahrer beschäftigen. Es konnte dann nicht zu dem Ergebnis kommen, daß die Fahrten vom Sohn zur Erfüllung von Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis unternommen worden seien, zumal es den Anlaß für diese Fahrten auch in dem Wunsch des Sohnes gesehen hat, nach Erhalt des Führerscheins Fahrpraxis zu gewinnen. Arbeitnehmer eines Arztes erhalten feste Aufgaben innerhalb der Praxis, die sie innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit zu erfüllen haben. An beidem mangelt es im Streitfall. Ob angesichts dessen zwischen dem Kläger und seinen Kindern überhaupt ein rechtsverbindliches Vertragsverhältnis bestanden hat, ist ungewiß; jedenfalls wäre es in dieser Form mit einem Dritten nicht abgeschlossen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 62082 |
BStBl II 1988, 632 |
BFHE 153, 117 |
BFHE 1989, 117 |
BB 1988, 1584-1585 (LT1) |
DB 1988, 1525-1525 (ST) |
DStR 1988, 459 (ST1) |
DStZ 1988, 542 (ST) |
HFR 1988, 437 (LT1) |