Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Kapitalwert des Rechts auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gehört bewertungsrechtlich in der Regel zum sonstigen Vermögen des Berechtigten gemäß § 67 Ziff. 4 BewG.
Als Ansprüche auf gesetzliche Versorgungsbezüge im Sinne des § 68 Ziff. 4 BewG kommen nur solche Ansprüche in Betracht, die sich unmittelbar aus dem Gesetz oder einer auf Grund eines Gesetzes ergangenen Rechtsverordnung ergeben.
BewG 1934 in der Fassung vor dem Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli
Normenkette
BewG § 67 Ziff. 4, § 110/1/4, § 68 Ziff. 4, § 111/4
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kapitalwert von Leistungen, die der Revisionskläger aus der erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) erhält, zum sonstigen Vermögen gehört.
Der Revisionskläger ist praktischer Arzt. Er war am Stichtag 79 Jahre alt und verwitwet. Nachdem er aus der Praxisgemeinschaft mit seinem Sohn ausgeschieden ist und nur noch in geringem Umfang praktiziert, nimmt er seit dem 1. Januar 1956 an der erweiterten Honorarverteilung der KVH, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, teil. Die "Grundsätze der erweiterten Honorarverteilung" in der am Stichtag maßgebenden Fassung (im folgenden als "Grundsätze" bezeichnet), sind auf Grund des § 8 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen vom 22. Dezember 1953 (GVBl Hessen 1953 S. 206) von der Abgeordnetenversammlung der KVH mit Wirkung vom 1. Januar 1954 als Bestandteil ihrer Satzung beschlossen worden. § 8 des Gesetzes hat folgenden Wortlaut: "Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen sorgt im Rahmen ihrer Satzung für eine wirtschaftliche Sicherung der invaliden und alten Kassenärzte und der Hinterbliebenen von Kassenärzten. Die Sicherung kann auch durch besondere Honorarverteilungsgrundsätze geregelt werden."
Nach näherer Bestimmung durch die §§ 1 und 2 der "Grundsätze" nehmen alle Mitglieder der KVH, soweit sie rechtskräftig zur RVO- Kassenpraxis zugelassen oder an der RVO-Kassenpraxis beteiligt sind und ihr RVO-Kassenhonorar mit einer Bezirksstelle der KVH regelmäßig abrechnen, auch im Falle der Anerkennung ihrer Berufsunfähigkeit und nach Verzicht auf die Kassenzulassung weiterhin an der Honorarverteilung teil, gegebenenfalls auch durch ihre Hinterbliebenen. Die Höhe des Anspruchs aus der erweiterten Honorarverteilung bestimmt sich gemäß § 3 Abs. 1 und 2 der "Grundsätze" nach einem feststehenden Vomhundertsatz des in seiner Höhe schwankenden jeweiligen Durchschnitts-RVO-Honorars. Der Vomhundertsatz wird nach Punktwerten ermittelt, die dem Kassenarzt für die Zeit seiner Kassenarzttätigkeit gutgeschrieben werden.
Anspruchsberechtigt sind neben dem Kassenarzt seine Witwe und seine Waisen gemäß § 6 der "Grundsätze". Die Ansprüche der Berechtigten sind nicht übertragbar und pfändbar (§ 3 Abs. 5 der "Grundsätze"). Erworbene Ansprüche erlöschen, wenn dem Kassenarzt die Zulassung entzogen und die Frist für die Wiedereintragung in ein Arztregister auf Grund der geltenden Zulassungsordnung auf mehr als drei Jahre festgesetzt wird (§ 5 der "Grundsätze").
Das Finanzamt (FA) rechnete bei der Neuveranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1956 den Kapitalwert der Leistungen, die der Revisionskläger von der KVH erhält, gemäß § 67 Ziff. 4 BewG seinem sonstigen Vermögen hinzu. Unter Zugrundelegung des von dem Revisionskläger erklärten Jahreswerts der Leistungen in Höhe von 5.000 DM ermittelte es den Kapitalwert des Anspruchs gemäß § 16 Abs. 2 BewG mit 20.000 DM.
Dem Einspruch des Revisionsklägers, mit dem er sich gegen die Hinzurechnung seines Anspruchs gegen die KVH zum sonstigen Vermögen wendete, gab der Steuerausschuß statt. Auf die Berufung des FA-Vorstehers hob das Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung ersatzlos auf und setzte die Vermögensteuer in der alten Höhe fest.
Hiergegen richtet sich die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache vom FG zugelassene Rb., mit der der Revisionskläger geltend macht: Die Vorinstanz habe zu Unrecht seinen Anspruch auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung zum sonstigen Vermögen gerechnet. Nach einer Verwaltungsanweisung der OFD Frankfurt am Main seien die Zuwendungen aus der erweiterten Honorarverteilung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu behandeln. Dementsprechend sei auch bei seinen Einkommensteuerveranlagungen verfahren worden. Damit aber stehe die Zurechnung des den Zuwendungen zugrunde liegenden Rechts zum sonstigen Vermögen im Widerspruch. Außerdem sei sein Anspruch gegen die KVH als Anspruch auf gesetzliche Versorgungsbezüge anzusehen und gehöre damit gemäß § 68 Ziff. 4 BewG nicht zum sonstigen Vermögen. Im übrigen bedeute die vermögensteuerliche Behandlung seines Anspruchs einen Verstoß gegen die steuerliche Gerechtigkeit, weil die von der KVH aus Gründen der Fürsorge gewährten und allein seiner Altersversorgung dienenden Zuwendungen nicht nur voll zur Einkommensteuer herangezogen, sondern darüber hinaus bei der Vermögensteuer angesetzt würden. Zumindest dürften die Zuwendungen einkommensteuerlich als Rentenbezüge nur mit dem Ertragswert berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist (Hinweis auf § 184 Abs. 1 FGO), ist unbegründet.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kapitalwert der "wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen", die der Revisionskläger aus der erweiterten Honorarverteilung der KVH erhält, bei der Neuveranlagung des Revisionsklägers zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1956 gemäß § 67 Ziff. 4 BewG zum sonstigen Vermögen zu rechnen ist. Nach dieser Vorschrift in der am Stichtag geltenden Fassung gehört zum sonstigen Vermögen der Kapitalwert von Nießbrauchsrechten und von Rechten auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen, wenn das Recht dem Berechtigten u. a. auf Lebenszeit zusteht und sofern es nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen zu rechnen ist. Der Anspruch des Revisionsklägers auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung der KVH stellt ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen dar. Es ist durch die Satzung der KVH begründet und steht dem Revisionskläger auf Lebenszeit zu. Eine Zurechnung zum Betriebsvermögen kommt nicht in Betracht, weil das Recht der Altersversorgung des Revisionsklägers dient und damit nicht zum Betriebsvermögen gehört (§ 55 Abs. 1 in Verbindung mit § 54 Abs. 1 BewG). Für den Begriff "wiederkehrende Nutzungen" ist es unerheblich, daß der Honoraranteil des Revisionsklägers bei den Honorarverteilungen der KVH durch Anwendung eines feststehenden Vomhundertsatzes auf das Durchschnitts-RVO-Honorar jeweils neu berechnet wird; denn diese Berechnung dient lediglich dem Zweck, die Höhe des Anspruchs nach einem von vornherein bestimmten Verfahren festzustellen. Entscheidend ist vielmehr, daß die Leistungen der KVH nicht einzeln auf Grund eines jeweils neu gefaßten Beschlusses gewährt werden, sondern dem Revisionskläger auf Grund der Satzung der KVH regelmäßig wiederkehrend zustehen.
Zu Unrecht meint der Revisionskläger, aus der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Zuwendungen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 24 Ziff. 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 EStG folge, daß das Recht auf diese Leistungen bewertungsrechtlich nicht als sonstiges Vermögen angesehen werden könne, weil die Zuwendungen andernfalls als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Ziff. 1 EStG versteuert werden müßten. Der Revisionskläger verkennt, daß die Zuordnung von Einkünften unter die Einkunftsarten des EStG von anderen Voraussetzungen abhängt als die bewertungsrechtliche Zuordnung der den Einkünften zugrunde liegenden Ansprüche. Allerdings stimmt § 67 Ziff. 4 BewG mit § 22 Ziff. 1 EStG u. a. insofern überein, als sich die Begriffe "wiederkehrende Nutzungen" und "wiederkehrende Bezüge" entsprechen. Der VI. Senat des BFH hat in dem Urteil VI 242/61 U vom 18. Januar 1963 (BStBl 1963 III S. 141; Slg. Bd. 76 S. 382) ausgeführt, der Begriff wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Ziff. 1 EStG setze voraus, daß die Bezüge einem Steuerpflichtigen in bestimmten Zeiträumen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und für eine gewisse Dauer zufließen und daß sie auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage oder einem einheitlichen Entschluß beruhen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die einkommensteuerliche Behandlung der Zuwendungen als sonstige Einkünfte hängt gemäß § 22 Ziff. 1 Satz 1 EStG aber ferner davon ab, daß die Zuwendungen nicht zu den in § 2 Abs. 3 Ziff. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Wenn das FA bei der Einkommensteuerveranlagung des Revisionsklägers in übereinstimmung mit der Rundverfügung der OFD Frankfurt am Main S 2160 A - 1 - St II 10 vom 26. Januar 1957 (Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B 1957, S. 148) angenommen hat, daß die Zuwendungen aus der erweiterten Honorarverteilung der KVH zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Ziff. 3 EStG) gehören, so berührt diese Beurteilung nur das Einkommensteuerrecht. Ein begrifflicher Widerspruch zwischen der einkommensteuerlichen Behandlung der Zuwendungen und der bewertungsrechtlichen Zuordnung des den Zuwendungen zugrunde liegenden Rechts als sonstiges Vermögen ist nicht zu erkennen. Insbesondere schließt die Behandlung der Zuwendungen als Einkünfte aus ehemaliger freiberuflicher Tätigkeit nicht aus, das Recht auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung im Sinne des BewG als sonstiges Vermögen des Revisionsklägers anzusehen. Im übrigen hat der Senat über die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Zuwendung in dem anhängigen, nur die Vermögensteuerveranlagung betreffenden Verfahren nicht zu entscheiden. Es kann in diesem Verfahren auch dahingestellt bleiben, ob die Zuwendungen der KVH als Leibrente anzusehen sind. Für die bewertungsrechtliche Beurteilung ist allein entscheidend, daß sie wiederkehrende Nutzungen im Sinne von § 67 Ziff. 4 BewG darstellen.
Der streitige Anspruch ist entgegen der Auffassung des Revisionsklägers gemäß § 68 Ziff. 4 BewG von der Zurechnung zum sonstigen Vermögen nicht ausgenommen. Als Ansprüche auf gesetzliche Versorgungsbezüge kommen nur solche Ansprüche in Betracht, die sich unmittelbar aus dem Gesetz oder einer auf Grund eines Gesetzes ergangenen Rechtsverordnung ergeben. Der Anspruch des Revisionsklägers auf Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung gründet sich jedoch nicht auf das Gesetz über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen, sondern auf die Satzung der KVH. § 8 des Gesetzes gewährt den invaliden und kranken Kassenärzten keinen Anspruch auf Teilnahme an der Honorarverteilung, sondern verpflichtet die KVH, anspruchsbegründende Satzungsbestimmungen zu erlassen.
Schließlich vermag auch nicht der Umstand, daß die Leistungen der KVH zur Alterssicherung aus Gründen der sozialen Fürsorge gewährt werden, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen. Die von der Zurechnung zum sonstigen Vermögen ausgenommenen Ansprüche sind in § 68 BewG abschließend aufgezählt. Da der Anspruch des Revisionsklägers gegen die KVH unter keinen der in der damaligen Fassung des § 68 BewG aufgezählten Ansprüche fällt, fehlt es für dessen Nichtberücksichtigung an der gesetzlichen Grundlage. Der Senat hat bereits in dem Urteil III 139/60 vom 13. November 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 394) ausgesprochen, daß eine vermögensteuerliche Begünstigung der Altersversorgung freiberuflich Tätiger über die in dem BewG und im Vermögensteuergesetz vorgesehenen Regelungen hinaus nicht in Betracht kommt.
Die Berechnung des Kapitalwerts der Nutzungen gemäß § 16 Abs. 2 BewG läßt keinen Rechtsverstoß erkennen. Der Jahreswert der Nutzungen, von dem Revisionskläger selbst mit 5.000 DM erklärt, ist unstreitig. Die Verfügungsbeschränkungen, denen der Anspruch des Revisionsklägers gemäß § 3 Abs. 5 der "Grundsätze" unterliegt, bleiben nach § 16 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 BewG außer Betracht. Sie sollen sicherstellen, daß die Leistungen der KVH dem Anspruchsberechtigten selbst zugute kommen. Die Nichtübertragbarkeit und Unpfändbarkeit des Anspruchs aus der erweiterten Honorarverteilung ist daher in der Person des Revisionsklägers begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 412122 |
BStBl III 1966, 500 |
BFHE 1966, 374 |
BFHE 86, 374 |