Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung: Treffen einer für die Gesellschaft günstigen Vereinbarung, der ein fremder Dritter nicht zugestimmt hätte, "Nur-Pensionszusage", Änderung der Rechtsprechung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch vorliegen, wenn eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschafter eine an sich für sie günstige Vereinbarung trifft, ein gedachter fremder Dritter aber einer solchen Vereinbarung nie zugestimmt hätte (Fortführung von BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 99/87, BFHE 159, 338, BStBl II 1990, 454).
2. Sagt eine Kapitalgesellschaft ihrem GesellschafterGeschäftsführer als Gegenleistung für seine Geschäftsführertätigkeit nur die künftige Zahlung einer Pension zu, so liegt darin eine verdeckte Gewinnausschüttung (Aufgabe der Rechtsprechung in den Urteilen vom 21. Februar 1974 I R 160/71, BFHE 111, 506, BStBl II 1974, 363, und vom 28. Oktober 1987 I R 22/84, BFH/NV 1989, 131).
Normenkette
KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist die körperschaftsteuerliche Anerkennung einer Rückstellung für Pensionsansprüche eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers, der keine Barbezüge erhält.
1. Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, war die S GmbH, an deren Stammkapital im Streitjahr 1982 S zu 95 v.H. beteiligt war. Die restlichen Anteile wurden von seiner Ehefrau gehalten. S war einziger Geschäftsführer. Nach seinem ursprünglichen Anstellungsvertrag sollte er anstelle von Barbezügen eine Versorgungszusage erhalten. Nach Beanstandung durch den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) änderte die Klägerin den Anstellungsvertrag im Jahr 1980 und sagte S anstelle einer Versorgungszusage ein monatliches Bargehalt in Höhe von 15 000 DM zu.
Durch Vertrag vom Mai 1982 wurde der Anstellungsvertrag erneut geändert. Der damals 41-jährige S verzichtete ab 1. Juni 1982 auf seine vertraglichen Barbezüge von monatlich 15 000 DM zugunsten einer Versorgungszusage. Er sollte bei Dienstunfähigkeit oder bei Ausscheiden nach dem 65. Lebensjahr auf der Basis einer fiktiven Jahresnettoprämie von 70 000 DM eine Jahresrente in Höhe von 220 119 DM erhalten. In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1982 passivierte die S GmbH eine Pensionsrückstellung in Höhe von 158 706 DM. Das FA erkannte diese Pensionsrückstellung steuerlich nur insoweit an, als die zugesagten Pensionsleistungen 75 v.H. eines angemessenen Gehalts nicht überstiegen. Als angemessenes Gehalt sah das FA für 1982 200 000 DM an. Dementsprechend seien nur künftige Pensionszahlungen von jährlich 150 000 DM rückstellungsfähig. Da aufgrund der Pensionszusage zum 31. Dezember 1982 eine um 31 v.H. höhere Altersrente von 220 119 DM zugesagt war, behandelte das FA 31 v.H. der Zuführung zur Pensionsrückstellung (= 49 198 DM) als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) und erließ einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid 1982.
2. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt (EFG 1993, 403). Es hielt die Pensionszusage für ernsthaft und erdienbar und bezog sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Februar 1974 I R 160/71 (BFHE 111, 506, BStBl II 1974, 363), wonach anstelle eines Barlohns eine Versorgungszusage erteilt werden könne.
3. Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
A. Die bisherige höchstrichterliche Beurteilung einer "Nur-Pension" für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht einheitlich.
1. Durch Urteil vom 18. Dezember 1962 I 158/61 U (BFHE 76, 279, BStBl III 1963, 99) hat der BFH eine Rückstellung für eine "Nur-Pension" zugunsten eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht anerkannt, da ein fremder Dritter eine derartige ungesicherte Vergütung nicht akzeptiert hätte und das für eine Versorgung charakteristische Verhältnis zwischen der Summe der Barbezüge und der erworbenen Anwartschaft fehlte.
2. Von dieser Entscheidung ist der BFH in den Urteilen in BFHE 111, 506, BStBl II 1974, 363 und vom 28. Oktober 1987 I R 22/84 (BFH/NV 1989, 131) abgerückt. Er vertrat nunmehr die Auffassung, daß es nicht darauf ankomme, ob einem fremden Arbeitnehmer eine "Nur-Pension" zugesagt worden wäre, da die Position eines Gesellschafters von der eines fremden Arbeitnehmers verschieden sei.
3. Andererseits hat der BFH Pensionsrückstellungen zugunsten fremder Arbeitnehmer nur anerkannt, soweit die Pensionszusage dazu diente, eine nach der gesetzlichen Rentenversicherung verbleibende Versorgungslücke von 20 bis 30 v.H. der letzten Aktivbezüge zu schließen (BFH-Urteil vom 13. November 1975 IV R 170/73, BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142, 148). Für Ehegatten-Arbeitsverhältnisse hat der BFH in ständiger Rechtsprechung eine betriebliche Veranlassung einer Versorgungszusage insoweit verneint, als sie zu einer "Überversorgung" führte (BFH-Urteile vom 15. Juli 1976 I R 124/73, BFHE 120, 167, BStBl II 1977, 112; vom 26. Oktober 1982 VIII R 50/80, BFHE 137, 269, BStBl II 1983, 209; vom 10. November 1982 I R 135/80, BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173; vom 30. März 1983 I R 209/81, BFHE 138, 536, BStBl II 1983, 664; vom 23. Februar 1984 IV R 148/81, BFHE 140, 553, BStBl II 1984, 551; vom 8. Oktober 1986 I R 220/82, BFHE 148, 37, BStBl II 1987, 205, und vom 5. Februar 1987 IV R 198/84, BFHE 149, 451, BStBl II 1987, 557). Die Obergrenze einer angemessenen Altersversorgung und damit die Grenze zur "Überversorgung" liegt nach dieser Rechtsprechung bei 75 v.H. der letzten Aktivbezüge (BFH-Urteil in BFHE 148, 37, BStBl II 1987, 205 m.w.N.). Die Rechtsprechung hat dieses Kriterium dahingehend ergänzt, daß von einer Prüfung einer eventuellen Überversorgung abgesehen werden könne, wenn die laufenden Aufwendungen für die Altersvorsorge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Sozialversicherung, freiwillige Leistungen des Arbeitgebers für Zwecke der Altersversorgung und Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung) 30 v.H. des steuerpflichtigen Arbeitslohns nicht übersteigen (BFH-Urteile in BFHE 148, 37, BStBl II 1987, 205, und in BFHE 149, 451, BStBl II 1987, 557).
4. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Beschluß vom 27. März 1985 1 BvR 1415/84 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1987, 92) entschieden, daß sich verfassungsrechtliche Bedenken dagegen erheben ließen, daß der BFH die dem beherrschenden Gesellschafter einer GmbH als einzige Vergütung für seine beratende Tätigkeit zugesagte Pension steuerrechtlich anerkannt habe, während die einem Ehegatten-Arbeitnehmer zugesagte Nur-Pension nicht anerkannt werde. Es spreche viel dafür, an die Anerkennung eines Entgelts bei Ehegatten-Arbeitsverhältnissen keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Verhältnis zwischen einer GmbH und dem sie beherrschenden Gesellschafter. Das gelte insbesondere, wenn ein laufendes Gehalt nicht nur nicht ausgezahlt, sondern schon vertraglich nicht geschuldet werde.
B. Im Streitfall hat das FA die Zuführung zur Pensionsrückstellung in Höhe von 49 198 DM zu Recht als vGA behandelt.
1. Eine vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- 1977) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479).
a) Die betriebliche oder gesellschaftsrechtliche Veranlassung eines Aufwands zugunsten eines Gesellschafters ist aus dem Wortlaut der zugrundeliegenden Vereinbarungen häufig nicht eindeutig zu beurteilen, da die Beweggründe aus den Vereinbarungen nicht erkennbar sind. Es bedarf objektiver Prüfungskriterien, um zu erkennen, ob das Gesellschaftsverhältnis die Vereinbarung veranlaßte. Hinreichend sicher läßt sich die Frage, ob und ggf. inwieweit eine Vermögensminderung (bzw. eine verhinderte Vermögensmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, nur aufgrund eines Fremdvergleichs entscheiden. Werden Vereinbarungen, wie sie der Vermögensminderung zugrunde liegen, auch zwischen Personen geschlossen, die nicht aufgrund gesellschaftsrechtlicher Beziehungen ganz oder teilweise gleichgerichtete Interessen haben, so spricht dies grundsätzlich dafür, daß die Vereinbarung und die auf ihr beruhende Vermögensminderung nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist.
b) Zur Konkretisierung dieses Fremdvergleichs hat die höchstrichterliche Rechtsprechung seit der Entscheidung vom 16. März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) bisher im Regelfall auf die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters abgestellt (vgl. BFH in BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479 m.w.N.). Es wird geprüft, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Vereinbarung auch mit einem Nichtgesellschafter getroffen hätte. Anhand dieser Prüfung läßt sich in der Mehrzahl der Fälle entscheiden, ob die Vereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt wurde.
2. Der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist jedoch nicht für alle Fälle als Beurteilungsmaßstab geeignet. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß der gebotene Fremdvergleich nur aus der Sicht der Kapitalgesellschaft gesehen wird. Der ordentliche und gewissenhafte Gesellschafter wird grundsätzlich jeder Vereinbarung zustimmen, die für die Kapitalgesellschaft vorteilhaft ist. Dabei kann der Vorteil auch darin liegen, daß eine Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht sofort erfüllt werden muß und damit der Gesellschaft Liquidität erhält. Der Fremdvergleich erfordert jedoch auch die Einbeziehung des Vertragspartners. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht zugestimmt hätte, kann deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. So gesehen ist der Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nur ein Teilaspekt des Fremdvergleichs. Der Senat hat deshalb im Urteil vom 13. Dezember 1989 I R 99/87 (BFHE 159, 338, BStBl II 1990, 454) eine vGA auch in einem Fall bejaht, in dem der Gesellschafter-Geschäftsführer Gehalt nur beanspruchen konnte, "sobald die Firma dazu in der Lage war". Ein fremder Dritter würde sich auf eine solche, einseitig die Kapitalgesellschaft begünstigende Vereinbarung nicht einlassen. Der Senat hat dementsprechend eine Veranlassung der gesamten Gehaltsvereinbarung und des auf ihr beruhenden Aufwands durch das Gesellschaftsverhältnis bejaht. Der Fremdvergleich soll jedoch dem Gesellschafter nicht die Möglichkeit nehmen, der Kapitalgesellschaft Dienstleistungen oder Nutzungsüberlassungen unter Marktwert zu erbringen.
3. Im Streitfall führt der Fremdvergleich zur Annahme einer vGA. Der Anstellungsvertrag vom Mai 1982 wäre mit fremden Angestellten nicht zustande gekommen.
a) Ein fremder Angestellter der Klägerin hätte sich bei sonst gleichen Umständen auf eine reine Versorgungszusage nicht eingelassen. Das gilt jedenfalls dann, wenn --wie im Streitfall-- die ausschließlich gewährte Pensionsanwartschaft nicht durch den Abschluß einer Rückdeckungsversicherung abgesichert ist. S trug damit das gesamte Risiko einer Verschlechterung der Bonität seiner Schuldnerin. Er ging das Risiko ein, für eine u.U. jahrzehntelange Tätigkeit keinerlei Vergütung zu erhalten. Ein fremder Angestellter würde sich mit einer derartig einseitigen Risikoverteilung nicht einverstanden erklären (BFH in BFHE 76, 279, BStBl III 1963, 99). Der Fremdvergleich spricht deshalb für eine Veranlassung der Vereinbarung im Gesellschaftsverhältnis. Soweit die Klägerin vorträgt, auch bei Familiengesellschaften würden Nur-Pensionen vereinbart, spricht dieser Umstand eher für eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis. Bei Familiengesellschaften sind vertragliche Vereinbarungen häufig ohne die verwandtschaftlichen Beziehungen der Gesellschafter nicht denkbar. Sie sind durch die engen verwandtschaftlichen Bindungen der Gesellschafter veranlaßt. Damit vergleichbar spricht auch im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern eine sonst nicht oder nur selten vorkommende Gestaltung für eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis.
b) Soweit der erkennende Senat in den Urteilen in BFHE 111, 506, BStBl II 1974, 363 zum früheren Körperschaftsteuerrecht eine von diesen Überlegungen abweichende Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest. Das gilt auch für die Entscheidung in BFH/NV 1989, 131. Für die Annahme einer vGA sprechen auch Gründe der Gleichbehandlung. Wenn der BFH bei fremden Arbeitnehmern aus einem Mißverhältnis zwischen Aktivbezügen und Versorgungsaufwand auf die steuerliche Nichtanerkennung der gebildeten Pensionsrückstellungen schließt (vgl. BFH in BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142, 148), ist kein entscheidender Grund für eine Besserstellung der Kapitalgesellschaft bei der Bildung von Pensionsrückstellungen für ihren beherrschenden Gesellschafter zu erkennen. Die "Nur-Pension" führt in jedem Fall zu einer "Überversorgung" in Höhe von 100 v.H.
4. Das FA hat die Pensionszusage insoweit steuerlich anerkannt, als sie 75 v.H. der vom FA als angemessen angesehenen Gesamtbezüge nicht überschritt. Soweit diese Beurteilung mit den obigen Ausführungen nicht übereinstimmt, ergeben sich daraus keine für den Kläger nachteiligen Folgen, weil das Verböserungsverbot eingreift (§§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 I R 57/90, BFH/NV 1992, 200, 201).
Fundstellen
Haufe-Index 65639 |
BFH/NV 1995, 92 |
BStBl II 1996, 204 |
BFHE 178, 203 |
BFHE 1996, 203 |
BB 1995, 2054 |
BB 1995, 2054-2055 (T) |
DB 1995, 2296-2297 (LT) |
DStR 1995, 1749-1750 (KT) |
DStZ 1996, 124-125 (KT) |
HFR 1996, 29-30 (LT) |
StE 1995, 708-709 (K) |