Entscheidungsstichwort (Thema)
VGA durch Übernahme der Gutachterkosten zur Ermittlung des eigenen Unternehmenswerts durch die Tochtergesellschaft einer Treuhandanstalt
Leitsatz (amtlich)
Lässt eine Tochtergesellschaft der Treuhandanstalt ein Gutachten zur Ermittlung ihres Unternehmenswerts erstellen, um auf diese Weise ihre eigene Veräußerung durch die Treuhandanstalt vorzubereiten, so stellt die Übernahme der Gutachterkosten durch die Tochtergesellschaft eine vGA an die Treuhandanstalt dar.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Sächsisches FG (EFG 1999, 1201; LEXinform-nr., 0552691) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Aufwendungen für ein Gutachten, durch das der Unternehmenswert der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) bestimmt werden sollte.
Die Klägerin ist eine GmbH, die aus einem volkseigenen Betrieb hervorgegangen ist. Ihre alleinige Anteilseignerin war im Streitjahr (1991) die Treuhandanstalt. Diese hat die Anteile an der Klägerin im Jahr 1992 an einen Dritten veräußert.
Im September 1991 erstellte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein Gutachten über den Unternehmenswert der Klägerin zum 30. Juni 1991. Dieses Gutachten war von der Klägerin in Auftrag gegeben worden und sollte ―wie es in seinem Eingang heißt― "als Grundlage für einen eventuellen Verkauf der Gesellschaft dienen". Die Kosten des Gutachtens trug die Klägerin.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) behandelte die Zahlung des Honorars für das Gutachten als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an die Treuhandanstalt. Die Klage gegen den auf dieser Basis erlassenen Körperschaftsteuerbescheid 1991 hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1201 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Es beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FA hat die Zahlung der Gutachterkosten durch die Klägerin zu Recht als vGA behandelt:
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG u.a. dann gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft Kosten trägt, die durch eine Maßnahme im Interesse ihres Gesellschafters ausgelöst worden sind (z.B. Senatsurteile vom 1. April 1971 I R 129-131/69, BFHE 102, 79, BStBl II 1971, 538, betr. Entlohnung von Arbeitskräften; vom 11. Oktober 1989 I R 12/87, BFHE 158, 390, BStBl II 1990, 89; vom 11. Februar 1997 I R 42/96, BFH/NV 1997, 711, betr. Gründungsaufwand; vom 31. Juli 1990 I R 62/88, BFHE 162, 45, BStBl II 1991, 28, und vom 28. November 1991 I R 13/90, BFHE 166, 251, BStBl II 1992, 359, betr. Bewirtungskosten). Zu den Aufwendungen, die in diesem Sinne für die Gesellschafter übernommen werden, gehören auch diejenigen für ein Gutachten zur Feststellung des Unternehmenswerts. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Bewertung dem Ziel dient, einen ins Auge gefassten Verkauf der Gesellschaftsanteile vorzubereiten. So aber liegen die Dinge im Streitfall.
Nach den Feststellungen des FG ist nämlich davon auszugehen, dass die Einholung des Wertgutachtens ―entweder ausschließlich oder doch zumindest in erster Linie― der Ermittlung des angemessenen Verkaufspreises für die Anteile an der Klägerin diente. So ist im Gutachten selbst ausdrücklich davon die Rede, dass das Gutachten "Grundlage für einen eventuellen Verkauf der Gesellschaft" sein solle. Diesem Ziel folgend, hat die Gutachterin sowohl den Substanzwert als auch den Ertragswert des von der Klägerin betriebenen Unternehmens in ihre Überlegungen einbezogen, was der typischen Vorgehensweise bei einer Unternehmensbewertung entspricht. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin insbesondere nicht mit ihrem Hinweis durchdringen, dass die Begutachtung zugleich dazu gedient habe, ihre Bilanzansätze zu überprüfen. Selbst wenn dies ein zusätzlich angestrebter Effekt gewesen sein mag, waren sowohl das vorrangige Ziel der Auftragserteilung als auch der zentrale Inhalt des Gutachtens nicht die Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter, sondern die Wertermittlung hinsichtlich des Unternehmens im Ganzen. Auslöser hierfür war unstreitig die Verkaufsüberlegung der Treuhandanstalt, durch die etwa vorhandene weitere Erwägungen jedenfalls überlagert und zurückgedrängt wurden. Damit aber erfolgte die Bestellung des Gutachtens in erster Linie im Interesse der Treuhandanstalt als Gesellschafterin der Klägerin. Dass gleichwohl die Klägerin selbst das Gutachten in Auftrag gab und die hiermit verbundenen Aufwendungen trug, stellt mithin eine vGA dar.
2. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Treuhandanstalt den öffentlich-rechtlichen Auftrag hatte, die ihr zugeordneten Unternehmen zu privatisieren (vgl. hierzu Sieben, Der Betrieb ―DB― 1992, 2041 ff.; Walz, Die Wirtschaftsprüfung 1993, 8, 12 f.; Döllerer/Raupach, Beilage zu DB 11/1993, S. 3 ff.) und zu diesem Zweck die Geschäftsanteile möglichst zu Marktbedingungen zu veräußern (§ 3 der Satzung der Treuhandanstalt). Denn zum einen folgt gerade hieraus, dass die Anteilsveräußerung nicht der Klägerin selbst, sondern vielmehr ihrer Gesellschafterin oblag. Zum anderen liegt eine vGA sogar dann vor, wenn ein Betrieb gewerblicher Art ohne internen Ausgleich Aufwendungen bestreitet, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch seinen Träger dienen (Senatsurteile vom 11. September 1968 I R 137/65, BFHE 93, 434, BStBl III 1969, 17; vom 19. Juni 1974 I R 94/71, BFHE 112, 494, BStBl II 1974, 586; vom 10. Juli 1996 I R 108‐109/95, BFHE 181, 277, BStBl II 1997, 230). Dasselbe muss erst recht gelten, wenn es ―wie im Streitfall― um eine rechtlich eigenständige Kapitalgesellschaft geht, deren Anteile sich in öffentlicher Hand befinden (ebenso Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern, Erlass vom 4. Februar 1999, Deutschland Ost-spezial, Nr. 12-13/99, S. 2). Dass die Bestellung des Wertgutachtens eine Maßnahme war, durch die der gesetzliche Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt gefördert wurde, vermag deshalb die Annahme einer vGA nicht zu hindern.
3. Für die Beurteilung des Streitfalls unerheblich ist, dass nach dem Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 (BGBl II, 537) die Erlöse aus der Privatisierung vorrangig für die Strukturanpassung der ostdeutschen Wirtschaft eingesetzt werden sollten. Insbesondere vermag der Senat nicht der Erwägung des FG zu folgen, hieraus sei abzuleiten, dass die Klägerin von Gesetzes wegen an ihrer eigenen Privatisierung mitwirken und hierbei erforderlichenfalls eigenes Vermögen einsetzen musste. Denn die genannte Bestimmung betrifft lediglich die Verwendung der Privatisierungserlöse durch die Treuhandanstalt, lässt aber nicht den Schluss zu, dass die Privatisierung (zugleich) Aufgabe der einzelnen Gesellschaften gewesen wäre. Diese waren vielmehr lediglich Objekt der Privatisierung, deren Durchführung allein der Treuhandanstalt oblag.
4. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin schließlich darauf, dass der Gesetzgeber im Jahr 1994 u.a. die Regelung in § 4 Abs. 3 des D-Markbilanzgesetzes ergänzt hat (Gesetz zur Änderung des D-Markbilanzgesetzes und anderer handelsrechtlicher Bestimmungen vom 25. Juli 1994, BGBl I, 1682, BStBl I 1994, 544), um der Treuhandanstalt die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 12/7262, S. 10 und Einzelbegründungen zu § 4 Abs. 3 und § 25 Abs. 6). Die genannte Änderung mag zwar, wie das FG unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt hat, einen nur klarstellenden Charakter haben. Sie betrifft jedoch nicht die hier in Rede stehende Problematik, sondern allein die Frage, wie die Übertragung von Vermögensgegenständen von einem auf ein anderes Treuhandunternehmen bilanziell zu erfassen ist. Es geht dort lediglich darum, dass eine solche Übertragung ergebnisneutral möglich sein soll, wobei diese Möglichkeit zudem an enge Voraussetzungen geknüpft ist: Zum einen werden nur Vorgänge begünstigt, die sich im Verhältnis zwischen verschiedenen Treuhandunternehmen ―also gewissermaßen unter dem Dach der Treuhandanstalt― vollziehen, und zum anderen müssen die jeweiligen Übertragungen von der Treuhandanstalt angeordnet worden sein. Das legt sogar den Schluss nahe, dass durch die genannten Vorschriften die für Treuhandgesellschaften geltenden steuerlichen Besonderheiten abschließend bestimmt werden, nach dem Willen des Gesetzgebers also eine darüber hinaus gehende Sonderbehandlung nicht zulässig sein soll. Keinesfalls lässt sich aus jenen Bestimmungen aber ableiten, dass die bei Treuhandunternehmen bestehende besondere Interessenlage generell eine Nichtanwendung allgemein geltender Rechtsgrundsätze rechtfertigen könnte. Zu diesen Grundsätzen zählt u.a. das Erfordernis der Leistungsverrechnung im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, dessen Nichtbeachtung zur vGA führt.
5. Hinsichtlich der Höhe und der steuerlichen Auswirkungen der hiernach vorliegenden vGA ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vortrag der Klägerin Anhaltspunkte dafür, dass der angefochtene Bescheid fehlerhaft sein könnte. Dieser Bescheid ist deshalb rechtmäßig, weshalb die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen werden muss.
Fundstellen
Haufe-Index 426209 |
BFH/NV 2000, 1313 |
BStBl II 2000, 480 |
BFHE 192, 97 |
BFHE 2001, 97 |
BB 2000, 1825 |
DB 2000, 1793 |
DStR 2000, 1557 |
DStRE 2000, 1037 |
HFR 2000, 829 |
StE 2000, 540 |
WPg 2000, 1072 |
FR 2000, 1041 |
LEXinform-Nr. 0554288 |
Inf 2000, 640 |
SteuerBriefe 00, 21 |
SteuerBriefe 2000, 1286 |
KFR 2000, 451 |
GmbH-StB 2000, 233 |
StWKHeft 00, 21 |
StWK Gruppe 1, 125 |
VIZ 2002, 121 |
GmbHR 2000, 947 |
NWB-DokSt 2001, 128 |
stak 2000 |