Leitsatz (amtlich)
Zahlt ein Arbeitgeber an Arbeitnehmer, die aus Altersgründen aus dem Unternehmen ausscheiden, Geldbeträge, so sind diese nicht als sog. Gelegenheitsgeschenke steuerfrei.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1; LStDV § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, beschäftigte in den Streitjahren 1975 bis 1977 rd. 325 Arbeitnehmer. In einer Betriebsvereinbarung ist u. a. geregelt, daß beim Ausscheiden infolge Pensionierung wegen Alters oder Invalidität jeder Arbeitnehmer nach seiner Wahl ein Sach- oder ein Geldgeschenk im Wert von 150 DM brutto bei mehr als 15 Dienstjahren und von 250 DM brutto bei mehr als 25 Dienstjahren erhält.
Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß innerhalb des Prüfungszeitraums vier Arbeitnehmer je 150 DM und drei Arbeitnehmer je 250 DM aus dem genannten Anlaß in bar erhalten hatten, ohne daß von den insgesamt 1 350 DM Lohnsteuern einbehalten worden waren. Mit Haftungsbescheid forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hierauf entfallende Lohnsteuern und Kirchenlohnsteuern nach, die der Höhe nach nicht streitig sind. Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Klägerin geltend machte, es lägen in vollem Umfang lohnsteuerfreie Gelegenheitsgeschenke vor, statt. Es führte im wesentlichen aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Gelegenheitsgeschenke steuerfrei. Zwar habe der BFH im Urteil vom 12. November 1976 VI R 214/74 (BFHE 120, 494, BStBl II 1977, 181) Zweifel angedeutet, ob auch Barzuwendungen als Gelegenheitsgeschenke in Betracht kämen. Geldzuwendungen in einem maßvollen Rahmen müßten jedoch als steuerfreie Gelegenheitsgeschenke anerkannt werden. Die Höhe der Zuwendung stehe der Steuerfreiheit ebenfalls nicht entgegen.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung von § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 2 Abs. 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV). Es trägt vor, Sachgeschenke könnten einen "ideellen Beiwert und Erinnerungswert" haben und deshalb steuerfreie Gelegenheitsgeschenke sein. Bei Geldgeschenken stehe dagegen der Gedanke der Entlohnung mehr im Vordergrund. Allenfalls bei maßvollen Barzuwendungen bis zu höchstens 100 DM könne ein steuerfreies Gelegenheitsgeschenk angenommen werden. Im Streitfall stehe also auch die Höhe der Zuwendung dem Charakter als Gelegenheitsgeschenk entgegen.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen u. a. auch "andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im ... privaten Dienst gewährt werden". Gemäß § 2 Abs. 1 LStDV, der § 19 EStG gesetzeskonform auslegt (BFHE 120, 494, BStBl II 1977, 181), sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis zufließen. Dabei sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Es ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 LStDV gleichgültig, ob es sich um laufende oder einmalige Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden. Auch als Geschenke bezeichnete Zuwendungen gehören demnach zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn sie in bezug auf das Dienstverhältnis gegeben wurden.
Die vorstehend wiedergegebenen Bestimmungen machen deutlich daß der Begriff des Arbeitslohns weit und umfassend zu verstehen ist. Arbeitslohn ist im weitesten Sinn alles, was im Rahmen eines Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer zufließt, was also als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, wobei es nicht so sehr auf den rechtlichen als auf den tatsächlichen Zusammenhang der Einnahmen mit dem Dienstverhältnis ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 1974 VI R 114/71, BFHE 114, 28, BStBl II 1975, 181). Die Zuwendungen der Klägerin an ihre ausscheidenden Arbeitnehmer müssen danach als steuerpflichtiger Arbeitslohn beurteilt werden.
Allerdings werden sog. Gelegenheitsgeschenke nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gerechnet. Als Gelegenheitsgeschenke werden Zuwendungen verstanden, bei denen der Gedanke im Vordergrund steht, dem Arbeitnehmer eine persönliche Aufmerksamkeit zu erweisen oder ihn zu ehren, und bei denen deshalb die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer in den Hintergrund treten (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 8. August 1980 VI R 49/77, BFHE 131, 237, BStBl II 1980, 705). Die Voraussetzungen hierfür sind im Streitfall nicht erfüllt.
Die Rechtsprechung hat zwar als einmaligen persönlichen Anlaß, der ein steuerfreies Gelegenheitsgeschenk rechtfertigt, das Ausscheiden aus dem Betrieb aus Altersgründen anerkannt (BFH-Urteile vom 2. Oktober 1968 VI R 79/68, BFHE 94, 226, BStBl II 1969, 116; BFHE 120, 494, BStBl II 1977, 181). Der Senat hält an dieser Ansicht nicht mehr fest, soweit es sich um Barzuwendungen handelt. Wie dargestellt, setzt ein steuerfreies Gelegenheitsgeschenk voraus, daß die Zuwendung keinen Entlohnungscharakter hat, daß sie vielmehr den Arbeitnehmer ehren soll oder daß mit ihr dem Arbeitnehmer eine Aufmerksamkeit erwiesen werden soll. Der Senat hat in dem Urteil in BFHE 94, 220, BStBl II 1969, 116 noch betont, die Entwicklung der Verhältnisse habe dazu geführt, daß die - als Gelegenheitsgeschenke anzuerkennenden - Sachzuwendungen mehr und mehr durch Barzuwendungen verdrängt werden, weil der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer überlassen wolle, sich die Dinge zu beschaffen, die ihm eine besondere Freude bereiten. Er hat in diesem Urteil aber auch hervorgehoben, daß "sich gerade bei Geldgeschenken in aller Regel Zweifel ergeben werden, ob wirklich ein besonderer Anlaß besteht und eine persönliche Ehrung im Vordergrund steht". Diese Zweifel haben sich insbesondere im Zusammenhang mit der Erkenntnis, daß der Arbeitslohnbegriff weit und umfassend ist, nunmehr so verdichtet, daß der BFH bei Geldzuwendungen den ehrenden Charakter in der Regel verneint (ebenso auch Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 19 Rdnr. 61; Ranft/Carstens, Lohnsteuer, 6. Aufl., S. 276, und im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung, Dietrich, Der Betrieb 1976 S. 309 - DB 1976, 309 -).
Zu dieser - gegenüber der früheren Rechtsprechung einschränkenden - Auffassung trägt bei, daß sich Barzuwendungen schon in der Form von den üblichen Arbeitsentgelten nicht unterscheiden. Während Sachzuwendungen einen ideellen Beiwert oder Erinnerungswert haben können und insbesondere dadurch ihr Entlohnungscharakter in den Hintergrund tritt, steht ein Geldgeschenk, das dem Arbeitnehmer zur beliebigen Verwendung überlassen wird, dem Arbeitslohn näher, selbst wenn es aus einem einmaligen und besonderen persönlichen Anlaß gewährt wird. Eine Geldzuwendung wird auch aus der Sicht des Arbeitnehmers, auf die es insoweit nach der Rechtsprechung ankommt (BFHE 114, 28, BStBl II 1975, 181), regelmäßig nicht als Ehrung oder Aufmerksamkeit, sondern als Vergütung für geleistete Dienste verstanden. Die vorstehend wiedergegebene Auffassung dürfte auch in Übereinstimmung mit der allgemeinen Verkehrsauffassung stehen. Danach erbringt ein Arbeitgeber, der - wie im Streitfall - seinem Arbeitnehmer einen von vornherein feststehenden Geldbetrag zuwendet, eine Vergütung für geleistete Dienste. Eine solche Zuwendung wird regelmäßig, ebenso wie die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation oder eines Urlaubsgeldes, nicht als Ehrung oder Aufmerksamkeit verstanden. Der Senat beurteilt demnach nunmehr Barzuwendungen bei besonderen Anlässen ebenso wie bei Betriebsveranstaltungen, für die schon bisher entschieden war, daß sie steuerpflichtiger Arbeitslohn sind, wenn dem Arbeitnehmer die Verwendung des Geldbetrages freigestellt ist (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1963 VI 69/62 U, BFHE 77, 660, BStBl III 1963, 562).
Da somit die den Arbeitnehmern im Streitfall zugewendeten Geldbeträge schon dem Grunde nach keine steuerfreien Gelegenheitsgeschenke sind, bedarf es zur Höhe der zugewendeten Beträge keiner Stellungnahme mehr. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben. Da das FA im Ergebnis zu Recht die Steuerfreiheit der streitigen Zuwendungen verneint hat, war die Klage gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413687 |
BStBl II 1981, 773 |
BFHE 1981, 553 |