Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Währungsausgleichsbeträgen
Leitsatz (NV)
1. Rückforderung von Währungsausgleichsbeträgen für ausgeführten Wein, wenn festgestellt wird, daß der Wein nicht die für das Vorhandensein von Tafelwein erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.
2. Zur Herstellung von Tafelwein durch Verschnitt verschiedener Grundweine.
3. Durch Beimischung eines Cuvées, das selbst die an Tafelwein zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt, verliert Tafelwein seine Eigenschaft als Tafelwein.
Normenkette
EWGV 337/79 Art. 43, 46 Abs. 1; EWGV 338/79 Art. 8 Abs. 2; EWGV 2449/84 Anhang I; EWGV 823/87 Art. 15a; MOG § 10 Abs. 1, 3
Tatbestand
Das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) gewährte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die Ausfuhr von als Tafelwein bezeichnetem Wein nach Großbritannien in den Jahren 1983 und 1984 entsprechend dem damals geltenden Gemeinschaftsrecht Währungsausgleichsbeträge (WAB).
Nach den Feststellungen der Betriebsprüfungsstelle Zoll hat die Klägerin diese Weine durch Verschnitt u.a. von ihr aus den - inländischen - Gebieten ... bezogener, in den Lieferscheinen als als Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete geeignet bezeichneter Grundweine hergestellt, die einen durch Anreicherung erreichten Gesamtalkoholgehalt von 11,65% Vol. bzw. 12,5% Vol. hatten. Nach den Feststellungen unter Tz. a des Berichts hat die Klägerin ferner bei einem Teil der Ausfuhrsendungen den Weinen eine Restmenge eines Cuvées zugemischt, das mit einem dieser Grundweine hergestellt worden war.
Mit Bescheid vom ... forderte das HZA die der Klägerin gewährten WAB in Höhe von insgesamt ... DM zurück. Davon entfielen ... DM auf die in Tz. a des Berichts genannten Ausfuhrsendungen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das HZA sei nach § 10 Abs. 1 und 3 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) verpflichtet gewesen, seine Bescheide über die Gewährung von WAB zurückzunehmen, weil die Bescheide rechtswidrig gewesen seien. Die von der Klägerin ausgeführten Weine seien keine Tafelweine gewesen, für die allein nach den maßgebenden Gemeinschaftsverordnungen WAB hätten gewährt werden können. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 321 veröffentlichte Vorentscheidung Bezug genommen.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung von Art. 43 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 337/79 (VO Nr. 337/79) des Rates vom 5. Februar 1979 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L, 54/1) geltend. Der dort benutzte Begriff zur Gewinnung von Tafelwein geeigneter Wein sei in mehrfacher Hinsicht unrichtig angewandt worden. Verletzt worden sei ferner auch Art. 33 Abs. 6 VO Nr. 337/79, weil die dort vorgesehene Grenze von 11,5% Vol. Gesamtalkoholgehalt zu Unrecht auf Vorstufen eines Verschnitts statt auf das Cuvée bezogen worden sei. Teile man aber die von der Vorinstanz vertretene Auffassung, daß auch jede einzelne Partie des zur Herstellung eines Cuvées benutzten Weines einen Alkoholgehalt von 11,5% Vol. nicht übersteigen dürfe, so sei jedenfalls der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn die Gewährung der WAB verweigert würde, obwohl nur eine verhältnismäßig geringfügige Menge des subventionsschädlichen Weins beigemischt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der Senat folgt der Vorinstanz in der Auffassung, daß das HZA die gewährten WAB zu Recht gemäß § 10 Abs. 1 und 3 MOG zurückgefordert hat, weil der von der Klägerin nach Großbritannien ausgeführte Wein kein Tafelwein war. - § 10 Abs. 1 und 3 MOG ist anzuwenden, obwohl die Gewährungsbescheide 1983 und 1984, also zu einem Zeitpunkt ergangen sind, zu dem der durch das 2. Gesetz zur Änderung des MOG vom 27. August 1986 (BGBl I 1986, 1389) eingeführte § 7c - in der Fassung der Neubekanntmachung § 10 - noch nicht galt. Denn es kommt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide auf die Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses i.d.F. der Einspruchsentscheidung an (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1990 VII R 101/89, BFHE 162, 156ff.). -
1. Nach den in den jeweiligen Bescheiden über die Gewährung der WAB genannten Verordnungen - zuletzt Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2449/84 (VO Nr. 2449/ 84) der Kommission vom 24. August 1984 zur Änderung der Währungsausgleichsbeträge im Weinsektor (ABlEG L 230/5) - werden WAB nur für Tafelwein im Sinne der in Nr. 11 des Anhangs II der VO Nr. 337/79 enthaltenen Definition gewährt. Für anderen als Tafelwein war die Gewährung von WAB nicht vorgesehen. Eine Voraussetzung dafür, daß es sich bei einem Wein um Tafelwein handelt, ist gemäß Art. 46 Abs. 1 VO Nr. 337/79, daß der Wein nur nach den in dieser Verordnung oder sonst im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen önologischen Verfahren behandelt worden ist. Das gilt nicht nur für den im Inland vermarkteten, sondern auch für den ausgeführten Wein. Denn die in Titel IV der VO Nr. 337/79 vorgeschriebenen Regeln für das önologische Verfahren bei der Erzeugung von Tafelwein gelten allgemein für jedes Inverkehrbringen von Tafelwein, sei es, daß er im Inland, sei es, daß er durch die Ausfuhr aus dem betreffenden Mitgliedstaat in Verkehr gebracht wird - vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 1985 VII R 53/82, BFHE 144, 100, 102 zu der durch die für den Streitfall maßgebenden VO Nr. 337/79 ersetzten Verordnung (EWG) Nr. 816/70 (VO Nr. 816/70) des Rates vom 28. April 1970, ABlEG L 99/1 -.
Aus Art. 46 Abs. 1 VO Nr. 337/79 folgt ferner, daß nicht allein - wie die Klägerin meint - die Beschaffenheit des in den Handel gebrachten Endprodukts maßgeblich ist, sondern daß es bereits bei der Herstellung des Endprodukts entscheidend auf die Einhaltung der nach der VO Nr. 337/79 zulässigen önologischen Verfahren ankommt. Denn Art. 46 Abs. 1 Unterabs.2 VO Nr. 337/79 untersagt gerade für die Herstellung von Tafelwein, d.h. auf der Erzeugerstufe, ausdrücklich, Tafelwein untereinander oder zur Gewinnung von Tafelwein geeignete Weine untereinander oder mit Tafelwein zu mischen oder zu verschneiden, wenn einer dieser Bestandteile nicht den geltenden Vorschriften entspricht.
2. Für die Herstellung des Endprodukts durch einen Verschnitt verschiedener Grundweine ist das in Art. 43 VO Nr. 337/ 79 geregelte Verfahren maßgebend. Bei dem von der Klägerin vorgenommenen Verschnitt verschiedener Weine wäre das daraus gewonnene Endprodukt nach Art. 43 Abs. 1 VO Nr. 337/79 nur dann ein Tafelwein, wenn es aus dem Verschnitt von Tafelweinen untereinander und von Tafelwein mit zur Gewinnung von Tafelweinen geeigneten Weinen gewonnen worden ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der von der Klägerin erzeugte Verschnitt nicht. Denn die zu seiner Herstellung u.a. verwendeten Grundweine haben in den in Tz. a-c des Betriebsprüfungsberichts genannten Fällen den nach Art. 33 Abs. 6 VO Nr. 337/79 bei der Anreicherung hier höchstens zulässigen Gesamtalkoholgehalt von 11,5% Vol. überschritten und sind daher weder als Tafelwein noch als zur Gewinnung von Tafelwein geeigneter Wein i.S. des Art. 43 Abs. 1 VO Nr. 337/79 anzusehen.
Auch der Umstand, daß es sich bei den u.a. verwendeten Grundweinen um als als Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete geeignet bezeichneten Wein gehandelt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Sollte es sich bei den genannten Grundweinen um Qualitätsweine gehandelt haben, so kann aus dem mit ihnen verschnittenen Wein schon deshalb kein Tafelwein werden, weil der Qualitätswein wegen seiner höheren Qualität kein Tafelwein ist und deshalb aus dem Verschnitt mit ihm nach Art. 43 Abs. 1 VO Nr. 337/79 kein Tafelwein gewonnen werden kann. Die in Rede stehenden Grundweine sind auch keine zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Weine, weil sie jedenfalls die daran gestellten Anforderungen - kein höherer durch Anreicherung erzielter Gesamtalkoholgehalt als 11,5% Vol. (vgl. Art. 33 Abs. 6 VO Nr. 337/79) - nicht erfüllen. Zwar gilt bei der Erzeugung von Qualitätsweinen gemäß Art. 8 Abs. 2 Unterabs.4 der Verordnung (EWG) Nr. 338/79 (VO Nr. 338/79) des Rates vom 5. Februar 1979 zur Festlegung besonderer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete (ABlEG L 54/48) die für Tafelwein geltende Anreicherungsgrenze des Art. 33 Abs. 6 VO Nr. 337/79 nicht. Dieser Umstand hat jedoch im Streitfall keine Bedeutung. Denn Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 338/79 befaßt sich nur mit der Gewinnung und Herstellung von Qualitätswein, nicht aber mit der Herstellung von zur Gewinnung von Tafelwein geeignetem Wein. Dafür ist allein die VO Nr. 337/79 maßgebend, deren Art. 33 Abs. 6 im Streitfall die Anreicherung über 11,5% Vol. Gesamtalkohol hinaus ausdrücklich auch für zur Gewinnung von Tafelwein geeignetem Wein verbietet.
Unerheblich ist daher ferner, ob der als als Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete geeignet bezeichnete Wein herabgestuft worden ist. Entscheidend ist, daß der u.a. zur Herstellung des Cuvées verwendte Grundwein auf mehr als 11,5% Vol. Gesamtalkoholgehalt angereichert worden ist. Dieser Umstand allein verhindert, daß durch den Verschnitt dieser Weine mit anderem Wein Tafelwein i.S. der Definition in Nr. 11 des Anhangs II zur VO Nr. 337/79 gewonnen werden kann.
Der von der Klägerin in diesem Zusammanhang angeführte Art. 15a, der in die Verordnung (EWG) Nr. 823/87 (VO Nr. 823/87) des Rates vom 16. März 1987 (ABlEG L 84/59) durch die Verordnung (EWG) Nr. 2043/89 (VO Nr. 2043/89) des Rates vom 19. Juni 1989 (ABlEG L 202/1) eingefügt worden ist, war in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nicht anwendbar. Selbst wenn er anwendbar gewesen wäre, hätte er aber nicht zur Zulässigkeit des von der Klägerin zur Herstellung des Cuvées angewandten Verfahrens geführt. Denn diese Vorschrift befaßt sich nur mit der Möglichkeit, auf der Erzeuger- oder Handelsstufe Qualitätswein herabzustufen oder für den zur Gewinnung von Qualitätswein geeigneten Wein die Anerkennung als Qualitätswein nicht zu beantragen. Art. 15a VO Nr. 823/87 besagt aber nichts über die Anforderungen, die an Tafelwein oder zur Gewinnung von Tafelwein geeignetem Wein gestellt werden.
3. Zutreffend hat die Vorinstanz ferner ausgeführt, daß auch das Endprodukt in den in Tz. a des Betriebsprüfungsberichts genannten Fällen kein Tafelwein gewesen ist, weil es - wenn auch in geringen Mengen - Wein enthalten hat, der kein Tafelwein war. Aus den unter Abschnitt 2 ausgeführten Gründen handelte es sich bei den beigemischten Cuvées nicht um Tafelwein. Wie ebenfalls bereits ausgeführt, untersagt Art. 46 Abs. 1 Unterabs.2 VO Nr. 337/79 das Mischen von Tafelwein mit Wein, der weder Tafelwein noch zur Gewinnung von Tafelwein geeigneter Wein ist. Durch die Beimischung des Cuvées ist das Endprodukt insgesamt kein Tafelwein mehr i.S. der in Nr. 11 des Anhangs II VO Nr. 337/79 gegebenen Definition (vgl. BFHE 144, 100, 103). Unerheblich ist das Verhältnis des Tafelweinanteils zu dem Anteil an Cuvée, das die an Tafelwein zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt.
Auch für den in der neu entstandenen Mischung enthaltenen Tafelweinanteil konnten WAB nicht gewährt werden, weil es dafür an einer Regelung in den Verordnungen fehlt, aufgrund derer die Gewährung von WAB in Betracht kommt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteil vom 30. November 1978 Rs. 88/78, EuGHE 1978, 2477, 2488f. zu vergleichbaren Verordnungen).
Wie die Vorinstanz schließlich unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH zutreffend ausgeführt hat, verstößt dieses Ergebnis nicht gegen den auch im Gemeinschaftsrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Verordnungsgeber hat die Gewährung von WAB nur für Tafelwein vorgesehen. Hätte er darüber hinaus auch gewollt, daß für den in einem Endprodukt, das insgesamt kein Tafelwein ist, enthaltenen Tafelweinanteil WAB zu gewähren sind, hätte er dies ausdrücklich in der maßgebenden Verordnung geregelt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann das Gericht nicht veranlassen, eine abweichende Entscheidung an die Stelle der durch den Verordnungsgeber getroffenen zu setzen, wenn es um die wesentliche Voraussetzung - nämlich die Beschaffenheit der Ware - geht, von der die Gewährung der WAB abhängt.
4. Der Senat hält die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im vorliegenden Fall für offenkundig. Es ist daher zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht verpflichtet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, und Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).
Fundstellen
Haufe-Index 419400 |
BFH/NV 1994, 429 |