Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält daran fest, daß für die Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung des Vermieters im eigenen Mietwohnhaus in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 2 EStG von der Barmiete der Vergleichswohnung auszugehen ist.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 21 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger (Eheleute) bewohnen in dem der Klägerin gehörenden Mietwohngrundstück die Wohnung im I. Stock links. Die entsprechende Wohnung im I. Stock rechts ist für jährlich 1 026,48 DM vermietet.
In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1964 haben die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung den Mietwert der eigengenutzten Wohnung mit 528,64 DM angegeben. Diesen Betrag haben sie wie folgt errechnet: Die gesamten Mieteinnahmen des Grundstücks einschließlich eines "Vermietungswertes" ihrer eigenen Wohnung betrugen 12 570,18 DM. Die Werbungskosten in Höhe von 6 575,84 DM machten 51,5 v. H. der Gesamteinnahmen aus. Die für die eigene Wohnung aufgewendeten Kosten beliefen sich demnach auf 51,5 v. H. des "Vermietungswertes" von 1 026,48 DM = 528,64 DM.
Das FA setzte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1964 den Mietwert der Wohnung der Kläger wie in den Vorjahren mit 1 477,90 DM an. Während des Klageverfahrens erkannte das FA einen Nutzungswert von 1 026,48 DM an.
Das FG wies die Sprungklage ab. Es führte aus: Der Nutzungswert eigengenutzter Wohnungen sei nach der ortsüblichen Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung zu bemessen, sofern es sich nicht um ein Einfamilienhaus handele. Die Kläger, die eine Wohnung im eigenen Hause bewohnten, nutzten Vermögenswerte, die nach dem geltenden Einkommensteuerrecht als Einkommensquelle in Betracht kämen. Sie würden insoweit wie Vermieter behandelt. Infolgedessen verstoße die Besteuerung des Nutzungswerts auch nicht gegen § 12 EStG, da das Gesetz den Nutzungswert der eigenen Wohnung als Einnahme und nicht als Ausgabe des Hauseigentümers ansehe. Als Nutzungswert sei der Betrag anzusetzen, der im Streitjahr aus der vergleichbaren Wohnung im selben Stockwerk des Hauses als Miete erzielt worden sei. Ein Ansatz der Kostenmiete komme nicht in Betracht, da das Wohnhaus der Kläger mit öffentlichen Mitteln errichtet worden sei.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Sie bestreiten, daß der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus und der Mietwert bei einer Fremdvermietung gleich seien. Das EStG mache einen Unterschied zwischen dem Mietwert als Einnahme nach § 8 Abs. 2 EStG und dem den Einkünften nur hinzuzurechnenden Nutzungswert nach den §§ 13 Abs. 2 Nr. 2 und 21 Abs. 2 EStG. Nach § 12 EStG dürften die Kosten der Lebenshaltung, zu denen auch die Aufwendungen für eine Mietwohnung gehörten, den Gesamtbetrag der Einkünfte nicht mindern. Die Umkehrung dieses Grundsatzes ergebe, daß Einsparungen, die sich aus der Lebensführung ergäben, zwangsläufig eine Erhöhung des Gesamtbetrages der Einkünfte ausschlössen. Nach den Vorschriften des EStG dürften Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine eigenen Wohnzwecke die Einkommensteuer nicht mindern. Der Text des EStG lasse jedoch in keinem Punkt erkennen, daß der Nutzungswert die Aufwendungen für das Wohnen übersteige oder übersteigen könne. Nach der Rechtsprechung des RFH liege der Bemessung des Nutzungswertes der Gedanke der Nutzung des in das Grundstück investierten Eigenkapitals zugrunde. Eigenkapital sei die Ansammlung von Vermögenswerten, die bereits der Einkommensbesteuerung unterworfen gewesen seien. Im Rahmen der Gewinnermittlung führe die Eigennutzung von Vermögenswerten nach den §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG zu Gewinnen oder Verlusten. Bei den Einkünften, die als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt würden, sei jedoch der Gedanke der Eigennutzung des Vermögens niemals angewendet worden. Erträge aus der Kapitalnutzung entstünden nur, wenn das Vermögen ganz oder teilweise Dritten gegen Entgelt überlassen würde. Es liege deshalb kein Grund vor, bei dem Wertansatz für den Nutzungswert einen anderen Betrag einzusetzen, als er sich aus den anteiligen Werbungskosten für die Wohnung der Kläger ergebe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Das FG hat die den Streitwert des § 115 Abs. 1 FGO nicht übersteigende Revision zugelassen. Es hat allerdings nicht angegeben, aus welchen Gründen es der Streitsache eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Der Senat hält jedoch die Revision für zulässig, da es nach den Darlegungen der Kläger nicht offensichtlich ist, daß die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Weicht die Auffassung des BFH in der Beurteilung der Grundsätzlichkeit der Rechtssache von der des FG ab, so bleibt der BFH an die Zulassung gebunden (Urteil VI R 297/66 vom 7. August 1967, BFH 90, 29, BStBl III 1967, 789).
Der Rechtsansicht der Kläger kann der Senat jedoch nicht beitreten. Der Einkommensbesteuerung unterliegen nur bestimmte Arten von Einkünften. Die Einkünfte, die nicht Gewinneinkünfte sind, bestehen aus den Einnahmen abzüglich der Werbungskosten. Nach der Systematik des Einkommensteuerrechts ist es nicht möglich, bei diesen Einkünften nur die Werbungskosten der Besteuerung zu unterwerfen.
Zu den Einkünften, von denen Einkommensteuer zu erheben ist, gehören auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, deren Bezug das Gesetz dem Eigentümer des eigengenutzten Hauses unterstellt. Der Bezug besteht nach § 21 Abs. 2 EStG in dem Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Mit dem Hinweis der Kläger, daß das Einkommensteuerrecht nicht allgemein an die eigene Nutzung von Wirtschaftsgütern steuerliche Folgen geknüpft habe, hat sich bereits das BVerfG auseinandergesetzt (Beschluß 1 BvR 488/57 vom 3. Dezember 1958, BVerfGE 9, 3, BStBl I 1959, 68). Das BVerfG sieht in der Regelung, daß der Gesetzgeber nur den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus als Einkünfte behandelt, während er den Nutzungswert anderer Wirtschaftsgüter nicht zur Einkommensteuer herangezogen hat, keine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Gesetzgeber habe bewußt darauf verzichtet, allgemein an die Nutzung von Wirtschaftsgütern steuerliche Folgen zu knüpfen. Er habe vielmehr die Allgemeinheit des Wohnbedarfs als Ausgangspunkt für eine Regelung gewählt, die eine ungleiche Behandlung der Eigenwohner und der Mieter zu vermeiden sucht. Damit sei er in den Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens geblieben. Die Regelung des § 21 Abs. 2 EStG ist demnach verfassungsgemäß. Die Gerichte sind an diese gesetzliche Regelung gebunden (vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG).
Die Erwägungen, von denen der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 21 Abs. 2 EStG ausgegangen ist, haben auch in der Rechtsprechung des BFH mehrfach ihren Ausdruck gefunden (vgl. Urteile VI R 159/66 vom 12. August 1966, BFH 86, 622, BStBl III 1966, 586; VI 148/65 vom 6. Juli 1966, BFH 86, 676, BStBl III 1966, 622; VI R 119/66 vom 18. Dezember 1967, BFH 91, 251, BStBl II 1968, 309). Bei dem Ansatz des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus handelt es sich um eine gedachte Mieteinnahme. Durch ihre Besteuerung wird bei dem im eigenen Haus wohnenden Eigentümer ein Ausgleich dafür geschaffen, daß die Miete bei den Fremdmietern zu den Lebenshaltungskosten gehört und also bei der Ermittlung des Einkommens, in dem sich die steuerliche Leistungsfähigkeit ausdrückt, unberücksichtigt bleibt.
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus einem Mehrfamilienhaus, in dem der Eigentümer eine Wohnung selbst bewohnt, hat das FA zunächst die Mieteinnahmen aus allen Wohnungen des Hauses festzustellen. Den Klägern ist darin zuzustimmen, daß zwischen den Mieteinnahmen und dem Nutzungswert als gedachter Mieteinnahme zu unterscheiden ist. Die Mieteinnahmen werden in ihrer Höhe durch unterschiedliche Faktoren bestimmt. In der Regel werden die tatsächlich zugeflossenen Mieteinnahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugrunde gelegt.
Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus muß nach § 217 AO geschätzt werden. Das EStG bestimmt nicht, nach welchem Maßstab der Nutzungswert zu schätzen ist. Der Senat hat in der Entscheidung VI 21/63 U vom 3. Mai 1963 (BFH 77, 45, BStBl III 1963, 334) eine sinngemäße Anwendung des § 8 Abs. 2 EStG im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG für zulässig gehalten. Danach ist der Nutzungswert mit der ortsüblichen mittleren Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung anzusetzen. Nach diesen Grundsätzen hat der Senat in der Entscheidung VI R 119/66 (a. a. O.) den Nutzungswert der Wohnung des Vermieters im eigenen Haus mit der Barmiete der Vergleichswohnung als fiktive Mieteinnahme angesetzt. In einem Mehrfamilienhaus läßt sich für die Wohnungen ein "Marktpreis" feststellen. In anderen Fällen tritt der Schätzungscharakter dieser Feststellung dadurch deutlich zutage, daß alle wertbeeinflussenden Umstände bei der Ermittlung des Nutzungswertes zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil VI R 175/66 vom 8. März 1968, BFH 92, 8, BStBl II 1968, 435). In der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung VI R 336/67 vom 12. September 1969 hat der Senat diese Grundsätze unter dem Gesichtspunkt des Nießbrauchs nochmals geprüft. Er hält auch für den Streitfall an ihnen fest. Wie nicht übersehen werden darf, bedeutet der Ansatz der fiktiven Mieteinnahmen aber nicht, daß schon diese als solche den Nutzungswert darstellten. Wie die übrigen - die tatsächlichen - Mieteinnahmen wird auch die fiktive Mieteinnahme durch die den Steuerpflichtigen als Vermieter treffenden Werbungskosten gemindert.
Das FG ist bei seiner Entscheidung ebenfalls von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ausgegangen. Gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorentscheidung haben die Kläger keine durchgreifenden Revisionsgründe vorgetragen.
Fundstellen
Haufe-Index 68829 |
BStBl II 1970, 60 |
BFHE 1970, 117 |