Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die übernahme eines Schiedsrichteramtes in Rechtsstreitigkeiten fällt in den Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 4, § 18/1/1
Tatbestand
Der Bg. - ein Rechtsanwalt - beantragte in seiner Einkommensteuer-Erklärung für 1955, Vergütungen aus schiedsrichterlicher Tätigkeit in Höhe von 1.420 DM nach § 34 Abs. 4 EStG mit einem ermäßigten Satz zu versteuern. Das Finanzamt und der Steuerausschuss gaben diesem Antrag nicht statt und unterwarfen die Vergütungen dem normalen Steuersatz. Sie gingen hierbei davon aus, daß die Tätigkeit des Bg. als Schiedsrichter keine abgrenzbare Nebentätigkeit darstelle und der Haupttätigkeit des Bg. zuzurechnen sei.
Das Finanzgericht gab der Berufung des Bg. statt. Es führte im wesentlichen folgendes aus: Der Rechtsanwalt sei zwar auch ein Organ der Rechtspflege; seine ureigenste Tätigkeit sei jedoch die eines Parteivertreters, der die Interessen seiner Partei einseitig wahrzunehmen habe. Demgegenüber sei die Tätigkeit als Schiedsrichter ganz anderer Art. Der Schiedsrichter stehe über den Parteien und entscheide einen Rechtsstreit durch Richterspruch. Unter diesen Umständen sei die Tätigkeit des Schiedsrichters von der als Anwalt wesensverschieden, so daß, da die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien, für die Einkünfte des Bg. als Schiedsrichter der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 EStG 1955 zu gewähren sei.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. des Vorstehers des Finanzamts ergibt folgendes: Wie der erkennende Senat mit Bescheid und Urteil IV 308/56 U vom 16. April / 5. November 1959 (BStBl 1960 III S. 4, Slg. Bd. 70 S. 8) ausgesprochen hat, fällt die übernahme eines Schiedsrichteramtes in Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Bilanz- und Buchführungswesens in den Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe und Buchsachverständigen und kann daher nicht zu einer Steuerbegünstigung nach § 34 Abs. 5 EStG 1952 (§ 34 Abs. 4 EStG 1955) führen. Auch bei einem Rechtsanwalt können die Einkünfte aus einer schiedsrichterlichen Tätigkeit entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht als steuerbegünstigte Nebeneinkünfte angesehen werden. Diese schiedsrichterliche Tätigkeit hängt aufs engste mit der freiberuflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts zusammen, so daß die Abgrenzbarkeit zu verneinen ist. Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 des Ersten Teils der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959, BGBl 1959 I S. 573). Er ist der berufene und unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die ureigenste Tätigkeit eines Rechtsanwalts in der einseitigen Vertretung der Interessen einer Partei bestehe und daß er dem Recht nicht schlechthin um des Rechtes willen und auch nicht unparteiisch diene, wird der umfassenden und bedeutungsvollen Stellung des Rechtsanwalts im Rechtsleben des Staates nicht gerecht. Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil IV 263/53 U vom 5. November 1953 (BStBl 1953 III S. 371, Slg. Bd. 58 S. 209) ausgeführt, daß in den Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts die Erstattung von Rechtsgutachten fällt. Das gleiche muß auch für die übernahme eines Schiedsrichteramtes auf allen Rechtsgebieten gelten. Der Rechtsanwalt übt diese schiedsrichterliche Tätigkeit auf Grund seiner Stellung als berufener und unabhängiger Berater auf dem Gebiete des Rechtes aus. Es mag zwar zutreffen, daß der Rechtsanwalt im allgemeinen nur einer Partei dient. Das braucht aber durchaus nicht immer der Fall zu sein, wie die Rb. zutreffend hervorhebt. Der Anwalt kann auch mehreren Parteien, die ihn gemeinsam um Rat bitten, Auskunft erteilen. Er kann auch die widerstrebenden Interessen mehrerer Parteien durch einen Vergleich aufeinander abstimmen, wenn diese ein gemeinsames Interesse daran haben, die zwischen ihnen bestehenden Unstimmigkeiten aus der Welt zu schaffen. Aus den gleichen Erwägungen erfolgt die Bestellung eines Rechtsanwalts als Schiedsrichter durch vertragliche Vereinbarung, um etwaige Unstimmigkeiten, die sich aus der Vollziehung eines Vertrages ergeben könnten, später außergerichtlich zu beseitigen. Die Parteien wählen gerade deshalb einen Rechtsanwalt zum Schiedsrichter, weil er auf Grund seiner wissenschaftlichen Vorbildung und auf Grund seiner beruflichen Erfahrung in der Lage ist, Rechtsprobleme nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu lösen. Ein Rechtsanwalt wird im allgemeinen auf Grund seines Ansehens und seines Rufes, den er sich in seiner Anwaltspraxis erworben hat, als Schiedsrichter bestellt werden, und der von ihm abzugebende Schiedsspruch gleicht in mancher Beziehung der Erstattung eines Rechtsgutachtens, das nach dem oben erwähnten Urteil ebenfalls einen Teil der Anwaltstätigkeit bildet. Daß der Schiedsspruch die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils besitzt und daß er nach einem gesetzlich geregelten Verfahren zustande zu kommen hat, ist nicht von so entscheidender Bedeutung, daß man hier von einer der übrigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts wesensfremden Tätigkeit sprechen könnte.
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen war daher die Vorentscheidung aufzuheben und die Einspruchsentscheidung wieder herzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 409870 |
BStBl III 1961, 60 |
BFHE 1961, 161 |
BFHE 72, 161 |