Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ansparrücklage bei Unmöglichkeit der geplanten Investitionen wegen zwischenzeitlicher Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe
Leitsatz (NV)
Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. nachzuweisen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 3 EStG "beabsichtigt" ist. Der Steuerpflichtige ist daher nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen. Allerdings muss die Investition ausreichend konkretisiert sein. Im Rahmen der zur Annahme einer "voraussichtlichen" Investition erforderlichen Prognose ist vor allem zu prüfen, ob der Ansparrücklage eine (noch) durchführbare, objektiv mögliche Investition zugrunde liegt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.9.2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184). Dies ist zu verneinen, wenn die Vornahme der vom Steuerpflichtigen am Bilanzstichtag (vorgeblich) geplanten Investitionen im Zeitpunkt der Erstellung des entsprechenden Jahresabschlusses und dessen Einreichung beim Finanzamt wegen zwischenzeitlicher Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes nicht mehr realisiert werden konnte.
Normenkette
EStG § 7g Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin unterhielt seit 1989 einen Gewerbebetrieb. Zum 31. Juli 2000 erklärte sie gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) die Betriebsaufgabe. In ihrer unter dem 14. Mai 2001 erstellten und am 15. Mai 2001 beim FA eingereichten Bilanz zum 31. Dezember 1999 bildete die Klägerin eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 1999 geltenden Fassung (EStG) in Höhe von 65 000 DM. Als Verwendungszweck bezeichnete sie in der Anlage zur Bilanz die Anschaffung von drei Transportern mit Anschaffungskosten von jeweils 43 334 DM. Zur Vornahme dieser Investitionen kam es bis zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nicht mehr.
In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1999 erkannte das FA die Ansparrücklage nicht an. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1355).
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG angenommen, dass die Klägerin in ihrer Schlussbilanz zum 31. Dezember 1999 eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG habe bilden können.
1. Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf dabei 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird". Spätestens am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs ist die Ansparrücklage gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g Abs. 4 EStG).
2. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EStG "beabsichtigt" ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385). Der Steuerpflichtige ist daher nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen. Allerdings muss die Investition ausreichend konkretisiert sein (BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182). Im Rahmen der zur Annahme einer "voraussichtlichen" Investition erforderlichen Prognose (näher dazu Senatsurteil vom 19. September 2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184, unter II. 4. der Gründe) ist vor allem zu prüfen, ob der Ansparrücklage eine (noch) durchführbare, objektiv mögliche Investition zugrunde liegt (Senatsurteil in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184, unter II. 2. der Gründe; vgl. ferner BFH-Urteile in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, unter II. 1. a; vom 6. März 2003 IV R 23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187, unter 2. a; vom 13. Mai 2004 IV R 11/02, BFH/NV 2004, 1400, unter 1. a).
3. Dies vorausgesetzt hat das FG die von der Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1999 gebildete Ansparrücklage zu Unrecht anerkannt.
a) Der erkennende Senat verweist insoweit auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Ausführungen im Urteil des IV. Senats des BFH in BFH/NV 2004, 1400. In dieser Entscheidung hatte der IV. Senat des BFH einen dem hier vorliegenden Streitfall vergleichbaren Sachverhalt zu beurteilen: Der Kläger jenes Verfahrens, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, hatte in seiner zwei Wochen nach der im Jahr 1998 vollzogenen Betriebsaufgabe beim FA eingereichten Einnahmen-Überschussrechnung für 1997 eine Ansparrücklage für anschließend nicht mehr getätigte Investitionen gebildet. Der IV. Senat ließ diese Rücklage mit im Wesentlichen folgenden Erwägungen nicht zum (Betriebsausgaben-)Abzug zu:
"Voraussetzung für die Rücklagenbildung ist u.a. dass der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut 'voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird'. Deshalb muss die Bezeichnung der 'voraussichtlichen' Investition eine noch durchführbare, objektiv mögliche Investition enthalten (…).
Die vom Kläger gebildete Ansparrücklage betraf Investitionen, von denen im Zeitpunkt der Rücklagenbildung bereits feststand, dass sie nicht mehr vorgenommen werden würden … Bei Einreichung der Gewinnermittlung war die Investition … objektiv nicht mehr möglich, weil der Betrieb bereits (…) aufgegeben war."
Auch im hier vorliegenden Streitfall war die Vornahme der von der Klägerin am Bilanzstichtag (vorgeblich) geplanten Investitionen im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1999 (14. Mai 2001) und dessen Einreichung beim FA (15. Mai 2001) infolge der Betriebsbezogenheit der Ansparrücklage (vgl. z.B. Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 7g Rz. A 1) objektiv nicht mehr möglich, weil die Klägerin ihren Betrieb bereits neuneinhalb Monate zuvor (zum 31. Juli 2000) aufgegeben hatte.
b) Dem FG kann nicht darin beigepflichtet werden, dass die --wie dargelegt-- gebotene objektive Realisierbarkeit der "voraussichtlichen" Investitionen allein aus der Sicht des Wirtschaftsjahrs zu beurteilen sei, für das die Ansparrücklage gebildet werde, wohingegen es keine Rolle spiele, ob die (vorgeblich) geplanten Investitionen auch noch zu dem Zeitpunkt verwirklicht werden könnten, in welchem der Jahresabschluss erstellt und der Finanzbehörde vorgelegt werde.
Vielmehr setzt die Anerkennung der Ansparrücklage nach dem Sinn und Zweck der mit ihr vom Gesetzgeber intendierten Steuervergünstigung voraus, dass die der Rücklage zugrunde liegenden Investitionen nicht nur am betreffenden Bilanzstichtag (hier: 31. Dezember 1999), sondern auch noch im Zeitpunkt der Errichtung, Feststellung und Abgabe des Jahresabschlusses (hier: 14./15. Mai 2001) realisierbar sind.
§ 7g EStG dient der Verbesserung der Liquidität und Eigenkapitalausstattung kleiner und mittlerer Betriebe (vgl. z.B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 7g Rz. 1; Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 7g Rz. A 1). § 7g Abs. 3 EStG gestattet den Inhabern solcher Betriebe im Vorgriff auf künftige Investitionen die Bildung einer gewinnmindernden und damit eigenkapitalschonenden Investitionsrücklage, durch welche die späteren Absetzungen für Abnutzung (AfA) in ihrer Aufwandswirkung vorgezogen werden und damit ein Steuerstundungseffekt erzielt wird (vgl. z.B. Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 7g Rz. 20; Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 7g Rz. D 1).
Diese Ziele lassen sich nach einer vollzogenen Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung nicht mehr erreichen. Mit der damit verbundenen Beendigung der konkreten betrieblichen Betätigung des Steuerpflichtigen steht definitiv fest, dass es nicht mehr zu den vormals ins Auge gefassten ("voraussichtlichen") Investitionen kommen wird und deshalb auch keine künftigen AfA vorgezogen werden können (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 10. April 2000 V 358/99, EFG 2000, 1061, 1062).
Gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Bildung der Ansparrücklage ein (Bilanz-)Ansatzwahlrecht zu. Dabei übt der Steuerpflichtige dieses Bilanzierungswahlrecht nicht schon durch den entsprechenden Ausweis in seiner Buchführung oder in seinen sonstigen Unterlagen aus. Vielmehr trifft der Steuerpflichtige seine verbindliche Wahl insoweit erst durch den Ausweis eines entsprechenden Passivpostens in seiner (Handels- und Steuer-)Bilanz (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 I R 152-153/85, BFHE 159, 464, BStBl II 1990, 426, unter II. 1. a, betreffend das Bilanzierungswahlrecht nach § 6b Abs. 3 EStG; Lambrecht in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 7g Rz. D 7, m.w.N.). Kommt es danach für die Bildung der Ansparrücklage entscheidend auf den Zeitpunkt der Bilanzerstellung und -feststellung bzw. auf deren Manifestierung durch Einreichung der Bilanz beim FA an, so ist auch für das Erfordernis der objektiven Möglichkeit zur Durchführung der geplanten Investitionen auf diesen Zeitpunkt abzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 1332191 |
BFH/NV 2005, 848 |
HFR 2005, 409 |