Leitsatz (amtlich)
Bei Einreichung eines den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Bauantrags bei der zuständigen Gemeindeverwaltung vor dem 9. Mai 1973 ist eine Antragstellung i. S. von § 27 Abs. 15 UStG 1973 auch dann gegeben, wenn die Gemeindeverwaltung den Bauantrag nicht mit einem Eingangsstempel versieht, sondern ihn deshalb an den Antragsteller zurückreicht, weil bei dem von der Gemeinde aufzustellenden Bebauungsplan Änderungen zu erwarten sind.
Normenkette
UStG 1973 § 27 Abs. 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben am 5. April 1973 ein Grundstück in der Gemeinde A (Rheinland-Pfalz) gekauft. Sie beabsichtigten, auf dem Grundstück eine Ausstellungs- und Lagerhalle errichten zu lassen und diese anschließend zu vermieten. Sie schlossen deshalb am 5. April 1973 mit einer Baugesellschaft einen Vertrag über die Erstellung einer schlüsselfertigen Halle aus Betonfertigteilen in Skelettbauweise mit einer Gesamtfläche von 2 445 qm. Des weiteren vermieteten die Kläger am 5. April 1973 die Halle ab deren Bezugsfertigkeit an eine Möbelhandlung.
Am 6. April 1973 erschien einer der Kläger bei der Verbandsgemeindeverwaltung, der A als Ortsgemeinde angehört, und übergab dem Verbandsbürgermeister einen das Bauvorhaben betreffenden Bauantrag mit den dazugehörigen Bauunterlagen. Diesem Kläger wurde jedoch der Bauantrag sogleich mit der Begründung zurückgegeben, die Erteilung einer Baugenehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde (die Kreisverwaltung) sei fraglich: Für das Gebiet, in dem das Grundstück liege, werde ein Bebauungsplan aufgestellt. Das Straßenbauamt habe während des Anhörungsverfahrens nach § 2 Abs. 5 des Bundesbaugesetzes (BBauG) dem Bebauungsplan nicht zugestimmt (Schreiben vom 30. März 1973). Man bitte darum, die zu dem Bebauungsplan eingegangenen Stellungnahmen im Bauantrag zu berücksichtigen, damit dieser Aussicht auf Erfolg habe.
Die Verbandsgemeindeverwaltung hat den Bauantrag vom 6. April 1973 vor Rückgabe an den Kläger weder mit einem Eingangsstempel versehen, noch in die Registratur aufgenommen. Nachdem die Kläger die zu dem Bebauungsplan abgegebenen Stellungnahmen berücksichtigt hatten, ging der Bauantrag am 15. Juni 1973 erneut bei der Verbandsgemeindeverwaltung ein. Am 14. September 1973 stimmte das Straßenbauamt dem Bebauungsplan zu. Am 15. November 1973 erhielten die Kläger eine Teilbaugenehmigung und am 20. Dezember 1973 eine Baugenehmigung für das gesamte Bauvorhaben.
Die Halle wurde am 1. August 1974 bezugsfertig und ab diesem Tag an die Möbelhandlung (Mieterin) übergeben.
Die Kläger, die ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG) versteuern, verzichteten gemäß § 9 UStG 1973 auf die Steuerfreiheit ihrer Vermietungsumsätze und zogen die für die Errichtung der Halle angefallenen Umsatzsteuern gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 als Vorsteuerbeträge ab. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 UStG 1973 bezüglich der Errichtung und Vermietung der Halle als gegeben an, weil erst am 15. Juni 1973 der für das Bauvorhaben maßgebliche Bauantrag gestellt worden sei. Das FA zog deshalb die Kläger im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1974 zur Selbstverbrauchsteuer heran.
Mit der Klage haben die Kläger sich gegen die Heranziehung zur Selbstverbrauchsteuer gewendet und im wesentlichen geltend gemacht: Der Bauantrag für die Halle sei bereits am 6. April 1973 gestellt worden. Daß der Bauantrag nicht schon bei seiner Einreichung am 6. April 1973, sondern erst bei der erneuten Einreichung am 15. Juni 1973 registriert worden sei, hätten sie nicht zu vertreten. Der Beginn der Herstellung liege somit vor dem für die Selbstverbrauchbesteuerung maßgebenden Zeitraum vom 9. Mai 1973 bis 30. November 1973.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt: Der für die Selbstverbrauchbesteuerung maßgebliche Bauantrag sei nach dem 8. Mai 1973, nämlich am 15. Juni 1973, gestellt worden. Dieser habe zur Teilbaugenehmigung vom 15. November 1973 und zur Baugenehmigung vom 20. Dezember 1973 geführt. Der Bauantrag vom 6. April 1973 sei ohne Bedeutung, weil er ohne Eingangsstempel und unregistriert zurückgegeben worden sei.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie rügen die Verletzung von § 30 i. V. m. § 27 Abs. 15 UStG 1973.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und anderweitigen Festsetzung der Umsatzsteuer.
1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 14. Dezember 1978 V R 32/75, BFHE 127, 77, BStBl II 1979, 289, und vom 27. September 1979 V R 60/76, BFHE 129, 95, BStBl II 1980, 83) knüpft die durch das Steueränderungsgesetz 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) eingeführte Selbstverbrauchsteuer (§ 30 UStG 1973) aufgrund ihrer Zielsetzung als konjunkturdämpfende Maßnahme vorrangig an den Investitionsentschluß des Unternehmers an, der sich in der Bestellung bzw. in dem Beginn der Herstellung eines Wirtschaftsgutes verwirklicht. Solche Investitionsentschlüsse werden gemäß § 30 i. V. m. § 27 Abs. 15 UStG 1973 von der Selbstverbrauchsteuer dann nicht erfaßt, wenn der Unternehmer sie vor dem 9. Mai 1973 getroffen hat, mag auch die Zuführung des neugeschaffenen oder erworbenen Wirtschaftsgutes nach diesem Zeitpunkt liegen. Bei Gebäuden gilt nach § 27 Abs. 15 Satz 5 UStG 1973 als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird.
2. Die Kläger haben sich wegen der Errichtung der Ausstellungs- und Lagerhalle bereits mit dem Bauantrag vom 6. April 1973 an die für die Einreichung von Bauanträgen zuständige Verbandsgemeindeverwaltung gewendet. Dieser Bauantrag ist als formgerechter Bauantrag i. S. der baurechtlichen Vorschriften anzusehen. Er ist rechtzeitig vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des 9. Mai 1973 gestellt worden.
Nach den hier maßgeblichen Vorschriften der Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz (LBO) vom 15. November 1961 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz 1961 S. 229 - GVBl Rheinland-Pfalz 1961, 229 -) ist der Bauantrag mit den erforderlichen Unterlagen bei der Gemeindeverwaltung einzureichen, die ihn mit ihrer Stellungnahme der Bauaufsichtsbehörde zur Genehmigung vorlegt (§ 76 LBO). Der Bauantrag ist eingereicht, wenn er bei der Gemeindeverwaltung eingegangen ist und vom Bauherrn nicht wieder zurückgenommen wird.
a) Nach den Feststellungen des FG ist der Bauantrag mit den Bauunterlagen am 6. April 1973 durch den Verbandsbürgermeister der Verbandsgemeindeverwaltung entgegengenommen worden. Die Verbandsgemeindeverwaltung hat zwar die Anbringung des Eingangsstempels und die Registrierung unterlassen; hierdurch wird aber die Einreichung des Bauantrages nicht gegenstandslos. Das Fehlen des Eingangsstempels und der Registrierung ändert nichts daran, daß der Bauantrag bei der Verbandsgemeindeverwaltung dadurch am 6. April 1973 eingegangen ist, daß er vom Verbandsbürgermeister entgegengenommen wurde. Die Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz enthält keine Vorschriften dahin gehend, ein förmlicher Bauantrag sei erst bei Anbringung des Eingangsstempels und seiner Registrierung als eingereicht anzusehen. Dies sind vielmehr amtsinterne Vorgänge im Rahmen der Bearbeitung des Bauantrags.
b) Der eingereichte Bauantrag ist nicht dadurch zurückgenommen worden, daß er einem der Kläger zur Abstimmung mit den Stellungnahmen der Bauaufsichtsbehörde zum Bebauungsplan wieder mitgegeben wurde. Bei erheblichen Mängeln der Bauunterlagen ist nach der Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz vorgesehen, die Behandlung des Bauantrags durch die Bauaufsichtsbehörde abzulehnen (§ 77 Abs. 4 LBO). Zum einen folgt hieraus, daß der zuständigen Gemeindeverwaltung ein solches Recht nicht zusteht. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Gemeinde sich ein solches Zurückweisungsrecht anmaßen wollte. Zum anderen handelt es sich bei den Mängeln i. S. des § 77 Abs. 4 LBO um solche, die dem Bauantrag wegen Nichteinhaltung der Vorschriften für die Antragstellung anhaften. Darum ging es im vorliegenden Fall ersichtlich nicht. Vielmehr sollten die Kläger bei ihrem Bauantrag schon die Überlegungen der Bauaufsichtsbehörde berücksichtigen, die nur indirekt den eingereichten Bauantrag betrafen, sich in erster Linie jedoch gegen den von der Gemeinde aufzustellenden Bebauungsplan richteten (vgl. § 2 Abs. 5 BBauG).
Die Rückgabe des Bauantrags vom 6. April 1973 durch den Verbandsbürgermeister kann daher nur so verstanden werden, daß die Bauunterlagen den vorhersehbaren Änderungen des Bebauungsplans angepaßt werden sollten, um das folgende Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Denn bei solchen "Mängeln", die nach Einreichung des Bauantrags behoben werden können, ist dem Antragsteller gegenüber zunächst darauf hinzuwirken, daß ein den Bauvorschriften entsprechender Bauantrag gestellt wird (vgl. nunmehr § 1 Abs. 1 des Landesgesetzes über das Verwaltungsverfahren in Rheinland-Pfalz - Landesverwaltungsverfahrensgesetz - vom 23. Dezember 1976, GVBl Rheinland-Pfalz 1976, 308, i. V. m. § 24 Abs. 3 und § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBl I 1976, 1253). Der gestellte Bauantrag kann somit trotz vorhandener Mängel aufrechterhalten werden, wenn es möglich ist, diese Mängel durch Änderung der Bauvorlagen zu beseitigen. Einer Rücknahme des gestellten Bauantrags bedarf es hier nicht. Jedenfalls können nachbesserungsfähige Korrekturen, die nicht durch ein Fehlverhalten des Antragstellers ausgelöst werden, sondern in einem von ihm nicht beeinflußbaren Bereich (hier die Genehmigung eines Bebauungsplans) liegen, bei ihrer sofortigen Vornahme nach Einreichung des Bauantrags nicht dazu führen, daß die erfolgte Einreichung des formgerechten Bauantrags als nicht geschehen beurteilt wird. Die Kläger sind mithin so zu stellen, wie der normale Ablauf der Dinge gewesen wäre: Die Gemeinde hätte den formgerechten Bauantrag an die Bauaufsichtsbehörde weiterleiten müssen. Diese hätte im Rahmen ihrer alleinigen Zuständigkeit nach Genehmigung des Bebauungsplans die Kläger als Bauherren auffordern müssen, den Bauantrag an die Gegebenheiten des genehmigten Bebauungsplans anzupassen. Daraus ergibt sich, daß die Kläger im Sinne des § 27 Abs. 15 letzter Satz UStG 1973 am 6. April 1973 einen wirksamen Bauantrag gestellt haben.
c) Der nochmaligen Einreichung des Bauantrags am 15. Juni 1973 kommt demnach keine eigenständige Bedeutung zu. Sie ist eine Folge der Anpassung des Bauantrags an den Bebauungsplan und ändert nichts daran, daß schon am 6. April 1973 der Bauantrag zur Errichtung der Ausstellungs- und Lagerhalle bei der Verbandsgemeindeverwaltung eingegangen ist. Damit ist der Steuertatbestand des Selbstverbrauchs i. S. von § 30 i. V. m. § 27 Abs. 15 UStG 1973 nicht verwirklicht, da der für das Bauvorhaben maßgebliche Bauantrag vor dem 9. Mai 1973 gestellt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 74192 |
BStBl II 1982, 231 |
BFHE 1982, 112 |