Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbruchkosten
Leitsatz (NV)
Für den Abzug der Abbruchkosten und die Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung sind dieselben tatsächlichen Voraussetzungen maßgebend.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) den Restwert zweier von ihm abgerissener Gebäude als Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie weitere Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 EStG) abziehen darf.
Der Kläger und seine Ehefrau erwarben mit Vertrag vom 3. Oktober 1972 die mit zwei Wohn- und Geschäftshäusern und mit einem alten Hopfenstadel bebauten Grundstücke in K.
Nutzen und Lasten gingen am 1. Januar 1973 über. Bereits am 26. Oktober 1972 kündigte der Kläger sämtliche bestehenden Mietverträge zum nächstmöglichen Termin. In der Folge gingen die Mieteinnahmen ständig zurück. Ab 1976 wurden keine Einnahmen mehr erzielt.
Der Kläger ließ die Gebäude Ende 1977 bis Anfang 1978 abbrechen, nachdem er sich in der Zwischenzeit um den Abschluß neuer, befristeter Mietverträge bemüht, erfolglos den Verkauf der Grundstücke betrieben und dann den Entschluß gefaßt hatte, ,,selbst als Bauherr aufzutreten". Sämtliche Gebäude waren, wie die Beteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren übereinstimmend vorgetragen haben und was das Finanzgericht (FG) für zutreffend erachtet hat, im Zeitpunkt des Abbruchs technisch und wirtschaftlich verbraucht.
Am 11. September 1980 verkaufte der Kläger die Grundstücke an einen Architekten.
In der Einkommensteuererklärung 1977 machte der Kläger unter anderem folgende Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend:
1977 DM
Abbruchkosten 15 000
Architekturplan 3 354
Restbuchwert 325 268.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei der Veranlagung 1977 die Abbruchkosten und den Gebäuderestwert nicht als Werbungskosten. Er ging davon aus, daß der Kläger schon beim Kauf die Absicht gehabt habe, die Gebäude abzureißen und die Grundstücke günstig weiterzuveräußern. Der Restwert und die Abbruchkosten seien daher dem Grund und Boden zuzurechnen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte teilweise hinsichtlich der laufenden Grundstückskosten und der Abbruchkosten Erfolg.
Das FG billigte dem Kläger keine AfaA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG als Werbungskosten zu, ebensowenig die normale Gebäude-AfA.
Zur Überzeugung des Gerichts habe die Vermietung der drei später abgerissenen Gebäude vor Beginn des Jahres 1977 endgültig geendet. Die AfaA seien überdies immer dann geltend zu machen, wenn die außergewöhnliche Abnutzung entdeckt worden sei.
Das FG erkannte für den Veranlagungszeitraum 1977 zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 30 351 DM an.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG sowie einen Verfahrensmangel, der darin bestehe, daß das FG ungeprüft gelassen habe, wann der wirtschaftliche Verbrauch der Häuser tatsächlich eingetreten sei.
Es sei nicht möglich, den Vorgang der Einkünfteerzielung aus Vermietung und Verpachtung aufzuspalten. Er habe die Absicht gehabt, das Grundstück einschließlich Gebäude zur Einkünfteerzielung zu nutzen. Ob diese Absicht durch die Vermietung des alten Gebäudes oder aber durch die Errichtung eines neuen Gebäudes verwirklicht werden sollte, sei unbeachtlich.
Das FG habe die Frage, ob die Vermietung oder Verpachtung beendet war, objektbezogen entschieden. Die Vorinstanz habe rechtsfehlerhaft angenommen, es sei auf das jeweilige vermietete oder verpachtete Objekt abzustellen.
Eine solche objektbezogene Aufspaltung (altes Gebäude - geplanter Neubau -) sei bei einer einzigen Einkunftsquelle nicht zulässig. Das FG habe sich damit in klaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gesetzt (vgl. Urteil vom 6. März 1979 VIII R 110/74, BFHE 127, 510, BStBl II 1979, 551). Er - der Kläger - habe vom Erwerb bis zum letztendlichen Verkauf einen einheitlichen Willen zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehabt.
Es habe für ihn auch keine Verpflichtung bestanden, die AfaA bereits mit der Entdeckung der außergewöhnlichen Abnutzung geltend zu machen. Dem Steuerpflichtigen stehe bei Wirtschaftsgütern des Privatvermögens ein Wahlrecht zu, wann er die AfaA vornehmen wolle, ob er sie im Jahr der Entdeckung der Voraussetzungen der AfaA oder ob er sie im Zeitpunkt des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes aus dem Vermögen geltend machen wolle.
Auf die subjektiven Auffassungen, ob ein Wirtschaftsgut verbraucht sei, komme es nicht an. Deshalb habe das FG trotz des übereinstimmenden Vortrags der Beteiligten auch nicht davon ausgehen dürfen, daß die Gebäude wirtschaftlich verbraucht gewesen seien. Hätte er in den Jahren 1974, 1975 oder 1976 versucht, eine AfaA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen, wäre ihm entweder entgegengehalten worden, die Gebäude seien nutzbar oder er habe die Gebäude in Abbruchabsicht erworben. In beiden Fällen wäre ihm eine solche AfaA verweigert worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteueränderungsbescheides für 1977 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundbesitzes in K. für 1977 mit einem Werbungskostenüberschuß von 375 625 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat trennt das Verfahren betreffend den Veranlagungszeitraum 1978 ab (§§ 121, 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Er entscheidet über den Rechtsstreit betreffend den Veranlagungszeitraum 1977 durch Vorbescheid (§ 90 Abs. 3 Satz 1 FGO) und über den des Veranlagungszeitraums 1978 gesondert unter dem Aktenzeichen IX R 188/85.
II. Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Der Senat vermag mangels tatsächlicher Feststellungen zur Höhe des Restwertes nicht zu entscheiden, in welcher Höhe dem Kläger im Veranlagungszeitraum 1977 die begehrten AfaA gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG zuzubilligen sind.
1. Das FG ist in seiner Entscheidung nicht auf die Möglichkeit eingegangen, daß der Kläger die streitbefangenen Grundstücke in Abbruchsabsicht erworben hat. Es hat sich hierbei offensichtlich von den Rechtsgrundsätzen des Beschlusses des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) leiten lassen, wonach bei dem Abbruch eines Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb der Beweis des ersten Anscheins für einen Erwerb in Abbruchabsicht spricht. Der Große Senat des BFH hat nicht ausgeschlossen, daß auch bei einem Abbruch außerhalb der Dreijahresfrist nach dem Erwerb die Gebäude gleichwohl in der Absicht des Abbruchs erworben worden sein können. Das FG sah jedoch keine Veranlassung, im Streitfall einen derartigen Sachverhalt anzunehmen. Es hat aufgrund der Würdigung von Tatsachen einen Erwerb der Grundstücke in der Absicht, die Gebäude abzubrechen, ausgeschlossen. Das von ihm gewonnene Ergebnis ist möglich. Der Senat sieht keine Veranlassung, das Ergebnis des FG in Frage zu stellen.
2. Die Entscheidung des FG ist jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als die Voraussetzungen für die AfaA und den Abzug der Abbruchkosten unterschiedlich beurteilt worden sind. Die Rechtsprechung ist bisher stets davon ausgegangen, daß die rechtliche Einordnung von AfaA und Abbruchkosten in Fällen dieser Art einheitlich zu erfolgen hat (vgl. BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620). Das FG hätte daher nur die AfaA und den Abzug der Abbruchkosten als Werbungskosten anerkennen können, wenn es seine Auffassung im Urteil unter 2. für richtig hielt, oder aber, es hätte für die Abschreibungen und den Abzug der Abbruchkosten den Werbungskostenabzug einheitlich ablehnen müssen, wenn es seine Ansicht im Urteil unter 1. für zutreffend hielt.
Zu der irrigen Rechtsauffassung, AfaA und Abbruchkosten seien unterschiedlich zu behandeln, ist das FG deshalb gelangt, weil es den Sachverhalt aufgespalten hat in eine Periode der effektiven Tatbestandsverwirklichung der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bis zu deren Beendigung einerseits und eine Periode der künftig beabsichtigten Tatbestandsverwirklichung dieser Einkunftsart. Eine derartige Aufteilung wäre jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn ein Steuerpflichtiger neben der Einstellung der Vermietertätigkeit auch die Absicht der Einkunftserzielung aufgibt und diese später erneut faßt. Liegen die tatsächlichen Verhältnisse indessen so, daß der Steuerpflichtige seine Einkunftserzielungsabsicht nicht aufgibt, er aber den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung nicht erfüllen kann, weil die Gebäude wirtschaftlich oder technisch verbraucht sind, deshalb abgerissen werden müssen und der Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung in den neu zu errichtenden Gebäuden ausgeübt werden soll, so liegt ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, der auch einheitlich beurteilt werden muß.
3. Der Senat vermag in der Sache nicht selbst zu erkennen, denn es bedarf noch tatsächlicher Feststellungen zur Höhe des Restwertes der Gebäude.
Erwirbt jemand ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude, ist der Kaufpreis nach objektiven Gesichtspunkten auf den Grund und Boden sowie das Gebäude aufzuteilen (vgl. BFH-Urteile vom 28. März 1966 VI 320/64, BFHE 85, 433, BStBl III 1966, 456; vom 21. Januar 1971 IV 123/65, BFHE 102, 464, BStBl II 1971, 682; vom 19. Dezember 1972 VIII R 124/69, BFHE 108, 168, BStBl II 1973, 295).
Fundstellen
Haufe-Index 414317 |
BFH/NV 1986, 453 |